Warum Yuval HARARIs "Data-Religion" ungenügend ist:

1. Yuval N. HARARI hat die Geschichte der Menschheit erzählerisch und erklärend bestsellerhaft, ja eben sehr gut zusammengefasst, - und das interessiert verständlicherweise viele, fast alle.

2. Die neue These, die er damit grundiert hat, könnte man etwa so fassen: Der Sprung, den die Spezies Homo sapiens gemacht hat, indem sie von bedeutungsvollen Lauten, die eine Handvoll "Überlebens- (Warnug...) und Reproduktion-signale (Lust-Attraktivitäts-Schreie...) in immer feinere Signale - also letztlich Sprachen weiterentwickelt hat, ist die Ursache des Erfolges der Spezies.(Am Ende konnte man subtiles Erleben - wie Dantes "Göttliche Komödie" oder Goethes "Faust" damit artikulieren, ebenso wie Handbücher für Maschinennutzung, Microsoft etc., also unglaubliche "Lebenslustschreie";).

3. Nun - auf der Ebene des Zusammenlebens dieser "Kooperations-Affen" - wurden verschiedene Sozial-Formationen durchlaufen, alle tödlich ernst genommen, oft sogar als (quasi-) Gottes-Herrschaften (Theokratien), bis wir nun in der Spätform des Liberalistischen Zweiges gelandet sind (Die "Freiheit" ist das Erstrebenswerteste an der Sozialformation, die wir uns verfassungsmäßig geben/erkämpfen).

4. Und demgemäß herrscht in der Globalisierungswelle, der derzeit politisch, also die Sozial-Macht betreffenden Zusammenlebensregelungen, in der wir nun angekommen sind, eine dementsprechende "Kultur" vor. In dieser ist die sogenannte "Künstliche Intelligenz" (KI), also die Programmierung von Algorythmen für die Computermaschinen) der "letzte Schrei", und evtl. das einen Paradigmenwechsel (Paradigmen = die unterhinterfragten Thesen des vorherrschenden Zeitgeistes) einleitende historisch hervorkommende Phänomen.

5. Diese KI erzeugt nun einfach viele "Jolie-Effekte" (Angelina-Jolie hatte sich von einigen Jahren beide Brüste operativ entfernen lassen, weil die Berechnung der Wahrscheinlichkeit, dass sie Brustkrebs bekommen würde (wie ihre Mutter) bei 87% lag). So hat also - das Beispiel ist für HARARI prototypisch - ein Maschinen-Algorythmus die Entscheidung eines Menschen wesentlich beeinflusst.

6. Wenn man diese Art der KI-Beeinflussung weiter-hochrechnet, - so könnten immer mehr und also sehr viele Entscheidungen des Menschen sich der Maschinen-Vorgabe anpassen. Warum? HARARI legt die These nahe, dass im Liberalimus ("Freiheit" ist das höchste Gut das mit einer Verfassung gesichert werden soll) auch das Individuum - als "Unteilbares-Wesen" mit seinen "Bauchgefühl-Entscheidungen" ("feelings" nennt er sie) nun auch in Selbstverantwortung auch alle diese Entscheidungen im Lebensablauf als "Einzelwesen" selbst treffen soll, und sie weder an einen König von Gottesgnaden, noch an einen Religionsmann als Seelsorger (welcher Couleur auch immer) abgeben sollte. - Wir wollten ja frei sein, und daher war eben auch der Staat, dessen Kernidee "LIBERTY" war und ist (die USA), auch jahrzehntelang der attraktivste für viele, und wurde so auch in einigen Generationen der mächtigste auf dem Planeten ERDE (- evtl. durch die Anziehung vieler Begabter).

7. Nun aber stellt sich heraus, dass diese individuelle "Freiheit" ein "Schleier-Begriff" (wie Vera BIRKENBIHL sagen würde) ist, der in der 2. Dekade des 21. Jhs. längst als "Mythos" entlarvt ist: Viele "Jolie-Effekte" determinieren demnach das Leben jedes Einzelnen sogenannten Homo-sapiens wesentlich mehr, und also bleibt von den hochgehaltenen (freiheitsmanifestierenden) "feelings" des Individuums kaum was Originelles übrig, - der Einzelne bildet sich nur ein, er habe "frei" entschieden nach seinem Bauchgefühl (gut-level), aber letztlich kann KI das alles schneller und besser (also statistisch gesehen mit immer weniger Fehler bezgl. "Überleben+Reproduktions-Erreichung";) lösen. Der geniale Formulierer HARARI hat also die technologische Entwicklung unserer Zeit auf den Punkt gebracht. Vollkommen(?) - und so können wir wohl die KI-Maschinen unser "Leben" weiterführen lassen, so wie es errechnen (als Herrscher oder Partner...). - Die Matrix wäre perfekt.

8. Ist das aber vollerfassend, und also die wahrscheinliche Zukunftsmusik? Oder ist das mit den "Feelings" irgendwo mangelhaft. Ist damit nämlich auch die Sehnsucht auch erfasst - nach dem "Großen-Ganzen", nach dem "Meta", das also dazugehört zum Großen-Ganzen, eben neben der sogenannten "sinnlich erfahrbaren Welt", die wir täglich sehen, hören, riechen, ertasten ...Aber gibt es solch eine "Sehnsucht nach Meta" und ist sie errechenbar wie alle "feelings" oder doch nicht?

9. Wohl hat Sam HARRIS höchstwahrscheinlich recht, wenn er in langen Abhandlungen "das Ende des Glaubens" ("The end of faith", heisst das Buch, publ.2004), es direkt ansagt: Wahrscheinlich ist es richtig, - die einzelnen Mythen, die die Glaubensinhalte ausmachen (Christlich-Katholisch, Christlich-Evangelisch, Buddhistisch, Konfuzianisch, Islamisch, Animistisch etc..) sind damit wohl als "für wahr-zu-Haltendes" durch den gesamtgeschichtlichen Fortschritt überholt; sie sind eben historisch einmal sehr bedeutende lenkende "Narrative" gewesen... - Aber die Sehnsucht nach dem "Unberechenbaren" als "Meta" - ist diese mit der "DATA-RELIGION" abgedeckt? - Bei mir nicht: Die Narrative sind also ob als Jenseits-Mythologien, oder gar Theokratien, wohl nicht mehr zeitgemäß, nicht mehr passend in dem großen Puzzle-Spiel des "Leben-verstehens", aber alles(!) lösen sie auch nicht auf, was das "Lebensgefühl" ausmacht...

7. Und schließlich muss HARARI, sicher einer der klarsten historischen Köpfe der Gegenwart zugestehen, dass wir das noch nicht oder auch evtl. gar nie wissen können, nicht sicher machen können: Ist jetzt also das "Meta-Gefühl als Sehnsucht" auch berechenbar oder nicht? Die Sehnsucht, die begonnen haben mag, mit der Trennung der Nabelschnur, die eben die "Separation" (oft als Trauma?) brachte, eine Art "Brutal-Emanzipation", die die Einzelhaftigkeit (Individuum-sein-können) begründete, - auch wenn wir Individuum-sein auch erst seit ein paar Jahren so voll genießen oder besser zu spüren bekommen..., bleibt ein ungelöster Rest, - oder?

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