Menschenopfer für die Windkraft

Von Dr. Humpich

Ist bei Unfällen an Land gleich der Lokalreporter zur Stelle, ist der Windmüller auf Hoher See geschützt vor neugierigen Blicken. Ein weiterer Grund für die Förderung von Offshore-Windkraftanlagen. Nicht nur die Natur wird geschädigt, sondern auch die zahlreichen Arbeiter. Seefahrt und Hochseefischerei waren schon immer gefährliche Arbeitsplätze. Arbeitnehmer waren dort schon immer mit „einer speziellen Risikoprüfung konfrontiert“, wenn sie eine Lebens- oder Unfallversicherung abschließen wollten. Oft waren die Prämien kaum zu stemmen.

Offshore-Windarbeit ist körperlich anstrengend, wetterabhängig und oft gefährlich. Das ist die harte Wahrheit hinter dem Green Deal. Wenn die Investoren und Betreiber nicht bei jedem Fundament, jedem Unterwasserkabel, jeder Montage und jedem Personentransport zur See eine „Safety First“ Mentalität mitbringen, wird der menschliche Preis sehr hoch werden. Offshore-Wind ist ein noch junger Industriezweig mit zahlreichen neuen Techniken. Vielleicht ist das der Grund (hoffentlich) warum die Unfallstatistiken 3 bis 4 mal so hoch sind, wie in verwandten Branchen (Öl- und Gasförderung auf hoher See etc.). Die meisten meldepflichtigen Unfälle passieren bei:

Schwerlast und Kranarbeiten z.B. für die Fundamente und die Gondeln.

Arbeiten in großer Höhe in beengten Türmen und Gondeln. Hier spielt im Ernstfall die Zeit für das Abbergen Verletzter aus Höhen von 100 m und mehr eine entscheidende Rolle.

Personaltransfer von Schiffen auf die festen Windmühlen bei rauher See.

Elektrische Fehler und Gefahren in den beengten Räumen während der Inbetriebnahme und laufender Wartung.

Wenn es um die Sicherheit von Offshore-Windanlagen geht, ist der Datenpool noch klein, aber das Signal leider schon klar. Da die Offshore-Windkraft wächst, muss jede Lektion aus frühen Vorfällen in strengere Standards, intelligentere Schulungen und sicherere Arbeitsplätze umgesetzt werden. Dies führt durchweg zu steigenden Kosten. Der Wind schickt zwar keine Rechnung, aber die notwendige Wartung und Reparaturen nehmen mit steigender Betriebsdauer leider zu. Je weiter der Windpark von der Küste entfernt ist, um so höher auch das Risiko für die Arbeiter. Im Ernstfall ist das Krankenhaus eben nicht um die Ecke. Die „goldene Stunde“ bis zur Notaufnahme ist kaum einzuhalten. Ein „Mann über Bord Manöver“ hat auf hoher See auch viel geringere Erfolgschancen. Wie man vom Transfer zu Bohrinseln mit Hubschraubern weiß, sind Abstürze zwar selten, kommen aber mit steigender Anzahl der Flüge leider vor. Allerdings sind die Landeplätze auf einer Bohrinsel sicherer als auf der Gondel einer Windmühle.

Das Herumklettern auf Windmühlen ist nichts für „unsportliche“ Menschen. Im Gegenteil ist schon aus Sicherheitsgründen ein „sportlicher“ Körperbau erforderlich. Hier entsteht das nächste „Dachdeckerproblem“ in einer alternden Gesellschaft. Wo sollen eigentlich die Wartungsmonteure in 20 oder 30 Jahren herkommen? Nur jung und sportlich reicht auch nicht. Es sind auch Fachkenntnisse nötig – sprich, eine langjährige Ausbildung. Selbst wenn alle Anforderungen erfüllt sind, bleibt die Frage der Konkurrenzfähigkeit gegenüber Jobs an Land. Es bleiben die besonderen Belastungen durch den Zugang, die Exposition gegenüber Lärm, Vibrationen, Hitze, Kälte und Regen und – nicht zuletzt – die Seekrankheit. Das wird man zukünftig wohl nur über höhere Löhne ausgleichen können.

Der Druck, den Zugang zu Offshore-Windparks zu beschleunigen und gleichzeitig die Wartungskosten zu senken, wird das Risiko von Besatzungstransfers unter den nicht beeinflußbaren Randbedingungen erhöhen. Ein wichtiger Aspekt für sichere und erfolgreiche Transfers ist die Qualität der Wettervorhersage für den Einsatztag und die Entscheidung, ob eine Wartungsaufgabe durchgeführt werden sollte. Mit dem Alter des Windparks steigt zwar die Erfahrung, aber auch der Verschleiß nimmt unter den rauhen Bedingungen der Nordsee zu. Besonders die salzhaltige Seeluft fordert ihren Tribut.

Ein bisher noch nicht zufriedenstellend verstandenes Phänomen ist die unterschiedliche Ereignishäufigkeit TRIR (Total Recordable Injury Rate) von Arbeitsunfällen. Der TRIR für Betriebsstätten ist im Durchschnitt 3 bis 4 Mal so hoch wie für Baustellen. Ein Gedanke ist die bessere Ausbildung und Sorgfalt bei den Baufirmen. Untersuchungen haben z. B. gezeigt, daß Leiharbeiter aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Arbeitsplatzsicherheit weniger häufig Verletzungen melden. Bei den Baufirmen handelt es sich um relativ wenige Unternehmen mit teilweise langjährigen Erfahrungen im Offshore-Bereich. Bei der eigentlichen Installation und Wartung werden die Unternehmer zahlreicher und breiter (z. B. lokale Handwerker).

Ein gutes und leicht zu erfassendes Maß für die Gefährdung sind die Technikertransfers zu den Windmühlen. Jeder Besuch erfordert einen Transfer mit Schiff oder Hubschrauber, den Übergang vom beweglichen Transportmittel auf die feststehende Mühle, sowie die anschließenden Arbeiten. Heute sind Schiffe mit hydraulischen Brücken üblich, die die Wellenbewegungen ausgleichen sollen. Nur sind Wellen Natur. Abrupte Bewegungen – auch bei relativ geringem Seegang – führen immer wieder zu Stürzen, oft verbunden mit Knochenbrüchen. Um welche Größenordnung es sich handelt, wird deutlich, wenn man bisher von durchschnittlich 6,5 Technikertransfers pro Windmühle jährlich ausging. Die Transfers werden voraussichtlich von rund 180.000 pro Jahr im Jahr 2022 auf zwischen 300.000 und 350.000 pro Jahr im Jahr 2030 nur in GB steigen.

Hier wächst, buchstäblich außerhalb der Öffentlichkeit, ein neuer Industriezweig mit hohem Unfallrisiko heran. Auch Unfälle mit mehreren Toten finden bestenfalls regional Beachtung. Man kennt dies schon aus der Seefahrt. Täglich gehen weltweit Schiffe unter, aber nur die spektakulären Ereignisse schaffen es in die Abendnachrichten. Der Wind schickt sehr wohl eine Rechnung. Spätestens, wenn die Beiträge zu den Berufsgenossenschaften steigen, wird uns das bewußt gemacht.

Quelle:https://nukeklaus.net/menschenopfer-fuer-die-windkraft

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trognon de pomme

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