Norbert Hofer und Alexander van der Bellen im F+F Interview

Fazit: Die Kandidaten sind beide deutlich in die Mitte gerückt und wir wählen am 21. Mai einen neuen Nationalrat.

Man kann es kaum glauben, aber die beiden Kandidaten für den Bundespräsidenten können auch gesittet - besonders dann wenn sie sich nicht gleichzeitig in einem Raum aufhalten. Ich habe für F+F die Kandidaten getrennt voneinander befragt. Dazu habe ich die beiden am 4.11.2016, gemeinsam mit Marco Wagner, in Wien am Margarethenplatz getroffen.

Beide Kandidaten wissen, dass die Wahl in der Mitte entschieden wird. Das merkt man den Antworten an. Einerseits überrascht bei vielen Themen die inhaltliche Nähe, andererseits bei Norbert Hofer, dass sich seine Antworten teilweise stark von dem unterscheiden, was man von ihm schon gehört und gelesen hat. Wahlkampftaktik oder Wahrheit – das muss der Leser selbst beurteilen.

julbing: Herr Van der Bellen. Sie sind nicht gläubig. Herr Hofer, sie sind vom katholischen zum evangelischen Glauben konvertiert. Wie soll sich eine mehrheitlich katholische Bevölkerung von Ihnen vertreten fühlen?

Van der Bellen: Auch Heinz Fischer ist Agnostiker. Mir ist, so sehr ich das bedauere, in meiner Jugend der Glaube an einen persönlichen Gott abhandengekommen. Ich habe aber allergrößten Respekt vor Menschen, die aktiv ihren Glauben leben..

Hofer: Mir ist der christliche Glaube wichtig und zwischen evangelischer und katholischer Kirche gibt es mehr Verbindendes als Trennendes. Aber Österreich ist ein säkularer Staat. Kirche und Staat sind getrennt.

julbing: Herr Van der Bellen, Herr Hofer, was sagen Sie jemandem der sagt: „Gott soll in der Gesellschaft eine größere Rolle spielen“?

Van der Bellen: Welcher Gott? Der Gott des Alten Testaments, der des Neuen Testaments, oder vielleicht ganz ein anderer? Ich meine Religion ist eine sehr persönliche Sache. Wenn es einen Gott gibt, wirkt er durch uns.

Hofer: Glaube ist eine persönliche Angelegenheit. Für mich ist es wichtig am Sonntag in die Kirche zu gehen. Das gibt mir Kraft. Ich verteufle aber auch niemanden, der das nicht tut. Gott wirkt in die Gesellschaft durch den einzelnen Gläubigen.

julbing: Momentan werden gerade wieder die Kreuze in den Schulklassen diskutiert. Sollen sie bleiben?

Van der Bellen: Ja, sie sollen ruhig bleiben. Daran muss sich niemand stören.

Hofer: Ja, auf jeden Fall. Sie sind ja nicht nur ein religiöses Symbol, sondern Teil unserer Identität. Europa ist aufgebaut auf Judentum, Christentum, Humanismus und Aufklärung.

julbing: Herr van der Bellen, wie stehen Sie persönlich zu den Themen Lebensschutz und Präimplantationsdiagnostik (PID)?

Van der Bellen: Das sind ganz schwierige Themen. Ich habe da selbst keine klare Antwort für mich. Ich glaube aber dass die gesetzliche Lage so bleiben sollte wie sie im Moment ist.

julbing: Herr Hofer, Sie sind Mitglied der pennalen Burschenschaft Marko-Germania Pinkafeld. Eine Festschrift bezeichnet die Österreichische Nation als geschichtswidrige Fiktion.

Hofer: Ich habe das erst später gesehen. Ich bin erst vor drei Jahren als Ehrenmitglied beigetreten. Der Text ist schon um einiges älter und auch von jemandem, der nicht einmal Mitglied bei der Marko-Germania ist. Ich sage es wann immer ich kann: Österreich ist eine Nation.

julbing: Herr van der Bellen, Ihnen wird ja oft vorgeworfen kein Patriot zu sein. Wie definieren Sie Patriotismus und halten Sie sich für einen Patrioten?

Van der Bellen: Ja, sicher bin ich Patriot. Ich liebe meine Heimat, so definiere ich auch Patriotismus. Chauvinismus, der die eigene Nation über alle anderen stellt, lehne ich aber klar ab.

julbing: Wie geht es Ihnen dann mit Aktionen wie: Das Flaggerl für das Gackerl der jungen Grünen?

Van der Bellen: Einen Wutanfall habe ich gehabt. Das Flaggerl für das Gackerl war dumm und falsch.

julbing: Herr Hofer, sie haben gesagt, Österreich hat gezeigt dass es alleine überleben kann. Heißt das für Sie raus aus der EU, raus aus dem Euro?

Hofer: Wir sind keine Insel natürlich. Aber wir sind als Staat stark genug. Ich glaube wir sollten die EU nicht aufgeben. Sie hat auch viele Jahre für Frieden gesorgt. Aber die Fehlentwicklungen müssen beseitigt werden.

julbing: Herr Van der Bellen. Warum sehen Sie sich als unabhängiger Kandidat?

Van der Bellen: Meine letzte Funktion bei den Grünen ist über acht Jahre her, während mein Gegenkandidat nach wie vor Vizeparteiobmann ist. Und Norbert Hofer hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er alles tun wird, damit H.C. Strache der nächste Kanzler wird. Ich werde mich bemühen, das Amt überparteilich auszuüben.

julbing: Herr Hofer, wenn ich Sie wähle, bekomme ich dann automatisch H.C. als Kanzler?

Hofer: Nein. Ich werde den Obmann der stimmenstärksten Partei damit betrauen Regierungsverhandlungen zu führen. Ich akzeptiere Mehrheiten im Parlament. Das kann ja, wie unter Schüssel, auch anders ausgehen.

julbing: Und wann werden Sie die Regierung entlassen?

Hofer: Das brauche ich nicht. Das macht sie selbst. Am 21. Mai.2017 ist der Termin für die Neuwahl.

julbing: Wow, sicher?

Hofer: Sicher. Norbert Hofer denkt kurz nach und ergänzt: In der Politik weiß man nie genau was passiert, aber die Wahrscheinlichkeit für diesen Wahltermin ist extrem hoch.

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baur peter

baur peter bewertete diesen Eintrag 02.12.2016 08:49:26

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