Grenzdebatte: Grenzen sind nicht mehr was sie einmal waren. Und ich sage jetzt mal, das ist gut so.

Landkarten sind mittlerweile Bilder geworden, die aus Gewohnheit an der Wand hängen oder als Schulatlas im Bücherregal stehen. Gleichzeitig kennen wir alle dieses Zeitraffer-Video der Grenzen Europas, die nach allen Windrichtungen mäandern. Robert Menasse schrieb einmal von einem engmaschigen Netz, das fast schon einer geschlossenen Fläche gleichkommt, würde man auf einer Europakarte alle politischen Grenzen, die es im Lauf der geschriebenen Geschichte je gegeben hat, vermerken. Das Spiel der (Staats-)Mächte hat Grenzen meist durch die Faktoren Heirat und Krieg verschoben. Um Letzteres für immer zu verhindern, gründete man die Europäische Union. Und doch: Gehäuft werden auch in jüngster Zeit Grenzen und Staatsgefüge diskutiert, ökonomische Verbindungen in Frage gestellt und Sanktionen verhängt. Wie sehen Neuordnungen innerhalb und außerhalb der Grenzen Europas aus? Das fragte man sich auch bei der Sonntagsserie „Europa im Diskurs - Debating Europe“ im ausverkauften Burgtheater. “Grenzen sind nicht mehr was sie einmal waren.”, sagt da Ivan Krastev. Präsident des Zentrums für liberale Strategien in Sofia und IWM-Fellow. Worauf Fyodor Lukyanov, Chefredakteur des Magazins Russia in Global Affairs, Präsident des Rates für Außen- und Sicherheitspolitik einwirft, wie man Nation und Identität dann bilden könne? Sowohl die Ukraine als auch Russland, sind dabei, ihre Identität zu finden und Nationen zu bilden: Das funktioniert nicht ohne Grenzen.

Diese Frage nach Nationenbildung und Identität stellt sich für einen europäisch denkenden Menschen nicht (mehr). “Make borders less relevant!” schmettert Carl Bildt, der ehemalige Außenminister Schwedens. Es ist ein Merksatz gegen all die blutgetränkten Konflikte im Europa der letzten Jahrhunderte, vermutlich der Menschheitsgeschichte und somit auch eine Art utopische Idee, die am Anfang der Europäischen Union stand und noch im Reifen begriffen ist. Auch Kriege sind nur eine Sache des Blickwinkels könnte man glauben, wenn Fyodor Lukyanov zur Krimkrise einwirft: „Ihr nennt es Annexion, in Russland sagen wir Wiedervereinigung“. Putin war überzeugt, dass Proteste wie jene auf dem Maidan von Außen gezündet wurden. Er erwartet jetzt vom Westen, dass es keinen Protest mehr in den Straßen gibt. Die russische Führung fürchtet sich zunehmend vom Volk im eigenen Land, vor der Demokratisierung. Das beste Gegenmittel ist eine starke Europäische Union und das bedeutet eine Union ohne nationalistische Grenzgitter. Gerade wenn die Frage nicht mehr lautet, wer kommt dazu, sondern wer geht weg? Wie wird es mit Großbritannien weitergehen? Wie entscheidet Griechenland? Der Freundeskreis rund um die EU wurde zu einem Feuerring, dessen Weiterverbreitung man verhindern muss, appelliert Carl Bildt. Jedenfalls wird 2015 den Konflikt bewegen, gibt sich Ivan Krastev sicher. Russland wird in seiner eigenen Identitätssuche mit einer sich ändernden EU konfrontiert. Im Kleinen: ein ausverkauftes Burgtheater zur Europa-Matinèe. Im Großen: ein gemeinsames europäisches Aufstehen für Meinungsfreiheit wie es dieser Tage in Paris und vielen anderen europäischen Metropolen passiert. - Das sind positive Zeichen dafür, dass die Grenzen innerhalb der EU verblassen. Möge dies richtungsweisend für 2015 sein!

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Silvia Jelincic

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