Der frisch gezählte Bundespräsident

Ich habe gestern mein Debüt als Wahlbeisitzer gegeben, bin heute um einiges schlauer und ziemlich ernüchtert. Ein paar Impressionen..

Im Standardforum las ich am Samstag noch ein Posting eines Linken, der sich über die widerlichen FPÖ Wahlhelfer ausließ. Das seien ganz furchtbare Leute die nur kämen um das Geld (50 Euro Entschädigung) abzusitzen usw..

Ich traf im betreffenden Wahlsprengel jedenfalls auf insgesamt drei parteiische Wahlbeisitzende, die die Vorgänge im Sinne VdBs beäugten. Sie achteten penibel darauf ihre 5 Stunden abzusitzen - und nicht mehr, um bloß ja nicht ihren "Stundenlohn" zu drücken. Eine beklagte sich sogar, dass sie nun nicht mehr weggehen könne, weil sie sonst nicht auf ihre 5 Stunden käme.

Ich vermag leider nicht zu sagen welchen Parteien diese Beisitzer zuzurechnen waren, da sie mir neben dem Handschlag auch noch das Gespräch verwehrten. Feine Leute jedenfalls..

Unerfahren wie ich war, ließ ich den Prozess der Stimmenzählung einfach mal auf mich zukommen, und da ich ja schon zeitig in der Früh angetreten war, war ich um 16h, als der Sprengel schloss, ziemlich durch den Wind und müde. Ich ließ mich jedenfalls durch die Vorsitzende führen, die ganz offenbar mit den übrigen Wahlbeisitzern bestens bekannt war.

Gezählt wurde dann so: Jeder nahm sich einen Zehnerpack Kuverts und ordnete für sich die Stimmen nach Hofer/VdB bzw. übergab ungültige Stimmzettel der Wahlleiterin. Das artete schnell in einen Wettbewerb aus, bei dem man sich möglichst rasch das nächste Zehnerpack schnappte. Zwei der Wahlhelfer zählten denn überhaupt mit dem Rücken zu mir aus, wobei ich, da selbst ja mit zählen beschäftigt, ohnehin nichts hätte kontrollieren können.

Nachdem ich etwa 50 Stimmen gezählt hatte, war mein "Hofer Stapel" deutlich dicker und schwerer als jener für VdB. Das Verhältnis war etwa 60:40, was auch der Wahrnehmung während meiner Auszählung entsprach. Nun erwartete ich natürlich die anderen Stimmen zählen bzw. kontrollieren zu können. Stattdessen wurden aber vorerst alle Stapel zusammengefügt und von zwei Wahlbeisitzern durchgezählt. Das Ergebnis: 145 Hofer, 127 VdB, 4 Ungültige, bzw. 53,3% zu 46,7%.

Also würden jetzt für alle nachvollziehbar diese beiden Stapel gesichtet? Nein, die Vorsitzende schrieb das Ergebnis nieder und begann die beiden Stapel in die dafür vorgesehenen Bogen zu stecken. Ich wollte dann zumindest die Stimmen für VdB doch mal nachkontrollieren. Dazu musste ich der Vorsitzenden diesen Pack aber nahezu entreißen, und konnte, unter verbalen Protest der übrigen 5, gerade mal Daumenkino spielen. Dabei stach mir ein offenbar leerer Stimmzettel im Vorbeifliegen ins Auge.

Den wollte ich natürlich aussortieren, fand ihn aber nicht gleich und beugte mich schließlich dem Druck und den verbalen Äußerungen meiner Kollegen. Asche über mein Haupt! 15 Minuten dauerte der Zählvorgang am Ende.

Ja .. wäre ich nicht so naiv gewesen, hätte ich nicht unter Schlafentzug gelitten (was vor allem deshalb ein Problem ist, weil ich körperlich nicht ganz fit bin), wäre ich standhaft geblieben, dann.. hätte VdB am Ende vielleicht 2, 3 Stimmen weniger. Sonst wäre gar nichts passiert.

Denn: all das hat überhaupt keine Konsequenzen. Es geht nicht darum ob man Stimmen richtig zählen kann, es geht nicht um die Theorie, es geht am Ende des Tages um Ellbogentechnik. Sie glauben zur Wahl zu gehen, Ihre Stimme abzugeben und auf die Bürokratie zu vertrauen reicht aus? Diese sei um (formelle) Korrektheit bemüht? Wahlbetrug sei eine unvorstellbare Verschwörungstheorie?

Es ist viel, viel einfacher. Die meisten Stimmen werden von einer einzigen(!) Person gesichtet, die in der Regel auch noch höchst parteiisch ist. Aufgrund der Mitgliederzahlen (FPÖ <50.000, SPÖ ~300.000, ÖVP >500.000) bleiben viele Wahrsprengel personell unterbesetzt, bzw. im Sinne der FPÖ gar nicht kontrolliert.

Und so ist der eine oder andere falsch gezählte Stimmzettel halt keine Verschwörung, oder gar ein Verbrechen, sondern allenfalls ein gänzlich entschuldbares Versehen eines fehlbaren Menschen, wenn es denn nachgewiesen wird. Und wie heißt es so schön: Gelegenheit macht Diebe.

Bleibt die spannende Frage, was wenn man die Stimmen nachzählen würde, zumindest zur Stichprobe? Aber das wird nicht passieren, nicht in Österreich.

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