Bei der Wasserlwirtin

Wenn man nur alle heiligen Zeiten seiner Heimatgemeinde einen Besuch abstattet, muss auch der Weg ins Dorfwirtshaus gefunden werden. Wo sonst (außer möglicherweise beim Friseur) wird man auf einen Sitz mit jenen notwendigen Informationen versehen, was die Menschen hier in der Gemeinde so in den letzten Monaten bewegt hat.

Natürlich kommen private Schicksale nicht zu kurz, denn durch die Erinnerung an das jahrzehntelange Plauscherl über den Gartenzaun bedrückt es wohl, dass die 102jährige Reithbäuerin so unvermutet dahin gegangen ist. Als echauffierenswert hingegen gilt mit Recht die Erhöhung der Müllsackerlgebühr, wobei man diese dem Bürgermeister nur zum Teil anlastet, weil er sowieso nur das verordnen darf, was die Großkopferten aus der Landeshauptstadt oder gar aus Wean befehlen.

Doch: Und das ist die Qualität eines Dorfwirtshauses…, mit einem unvorsichtig formulierten Nebensatz befindet man sich gleich dort, wo die wirklichen Probleme zuhause sind…, nämlich in der Hohen Politik!

Gewiss gäbe es sicher den einen oder die andre mit individuellen Unannehmlichkeiten. Nur der Schankraum gilt hierbei nicht als Idealort, weil man mit den üblichen Lebenswidrigkeiten höchstens seine Familie oder die engsten Freunde konfrontiert. Dieser öffentlich zu betretende Ort freilich dient dazu, das wirkliche…, ja das eigentliche Leben, welches alle Menschen angeht, zu betrachten. Denn ob dem Huberbauern sein Traktor streikt, ist für das Weltgefüge oder wenigstens für Österreich ein Lercherlschaß, über den es müßig wäre zu diskutieren.

Aber wenn ein Verteidigungsminister sich auf Steuerkosten privat durch halb Europa chauffieren lässt oder wenn man verbieten möchte, dass man den Hohlmeter Brennholz mit Bargeld bezahlt, dann muss einem gerechtfertigterweise die Galle hochgehen, besonders wenn man in absehbarer Zeit bei diesem Sauwetter seine Zigarette vor der Gasthaustüre rauchen soll.

Natürlich weiß man, dass die Frau Doktor am hinteren Tisch die lautstarken Ausführungen punkto Rauchfreiheit wohl vernommen hat. Nur besitzt man davon Kenntnis, dass sie ebenso wie die Gesundheitsministerin vor kurzem noch dieser Sucht mit Begeisterung anhänglich war. Der Unterschied ist allerdings, dass die Gemeindeärztin die Sorgen und Wehwehchen ihrer Patienten persönlich kennt und der Überzeugung ist, dass die Gesundheit eines Menschen nicht allein davon abhängt, sich alles Ungesunde zu verbieten, sondern viele Faktoren für ein glückliches Leben verantwortlich sind. (So säße sie womöglich selber nicht bei einem Glaserl Rotwein da!)

Gewiss kursieren hunderte Studien über die Schädlichkeit des Rauchens und wahrscheinlich noch viel mehr über die epidemischen Auswirkungen des Passivrauchs, aber es stellt sich selbst bei gewöhnlichen Bürgern, welche keine Parteiakademie absolviert haben, die komische Frage: Wenn Tabak genauso schädlich ist, wie das Crack, welches ein durch den Rost gefallener armer Kerl mit Migrationshintergrund verkaufen muss, wieso dürfen dann Tschick immer noch in staatlichen Verkaufsstellen verscherbelt werden? Stellt sich da der Staat nicht selbst in die Stirnreihe schäbiger Drogendealer, den es einzig um den Reibach, aber sicher nicht um die Gesundheit seiner Konsumenten geht?

Dass eine Schankstube nicht unbedingt mit glasklarer Bergluft glänzen muss, wird hier seltsamerweise mit einer stoischen Toleranz hingenommen, zumal man draußen vorm Gasthaus durchaus mit einer solchen aufwarten kann. Da kann es schon vorkommen, dass jemand den berechtigten Diskussionseinwurf bringt: Werden Leute, welche Tabakrauch partout nicht ertragen, gezwungen, sich den Nebelschwaden der hemmungslos rauchenden Zechbrüder/schwestern auszusetzen?

„Wo soll i denn sonst hingeh´n?“ Räsoniert die Waldnerbäuerin, die ihr Lebtag diese Teufelsdroge wie die Pest mied und trotzdem seit sechzig Jahren jeden Freitagabend ihre Lungen mit dem Feinstaub ihrer uneinsichtigen Ortsmitbewohner traktieren ließ. (Und außerdem stinkt das G´wand am nächsten Tag wie ein Misthaufen…) Dennoch kam sie bislang nie auf die Idee den Mannern den Tobak zu verbieten…, solange diese und ihr eigener dieses Kraut nicht in ihrer Küche pofeln. Möglicherweise, weil sie, obwohl leider ungebildet, instinktiv spürt, dass ein Wirtshausbesuch mit netten Gesprächen etwas mit positiver Lebensqualität zu tun hat. Und las sie da nicht letzthin im Frisiersalon einen Artikel über psychische Gesundheit?

Außerdem hat hier in der guten Gaststube immer noch die Wasserlwirtin beinah das Sagen. Denn vor einigen Jahren kam schon einmal eine Bundesregierung mit der Auflage einher, dass sie den größeren Speiseraum für die zwei, drei radikalen Nichtraucher (denen es persönlich nicht zumutbar ist, mit Rauchern zusammenzusitzen) reservieren muss. Aber jetzt lehnt sich da mitten im Regierungsteam jemand heraus, der sich so um ihre Wirtinnengesundheit kümmert, dass sie bald jeden Raucher ins Freie schicken muss, der es nur wagt einen Glimmstängel anzuzünden. (Und nicht nur das, auch der technisch versierte Sohn vom Bichlbauern, der so einen elektronischen Kugelschreiber, aus dem es wasserdampft und wo es vorne leuchtet, zwischen den Mundwinkeln hält, müsste dann Fersengeld geben.)

Weiß denn dieser politische Vize-Mann, der sogar Wirtschaft studiert haben soll, nicht, dass die meisten ihrer (auch sehr alten) Stammgäste rauchen? (…sie hat gar keine anderen, denn die Touristenströme verschlug es noch nie in dieses Seitental hinter den sieben Bergen…) Und wenn die das bei ihr nicht mehr dürfen, werden diese Sturköpfe sicher nicht brav ihre Tschickpackerln im Sack lassen und das Bier trotzdem hier trinken! (…oder alle fünf Minuten rausgehen…) Die Logik einer Frau, die nur eine achtjährige Volksschule besucht hat, gibt leider zu bedenken, dass sie dann ihre Bude schließen kann, wenn ihre Gäste nach einem langen Fabriksarbeitstag in die Gemeinde zurückpendeln und nicht den Herrgott einen guten Mann sein lassen dürfen. Wenn man schon am Fließband nicht rauchen darf, es im Haus vor den Kindern nicht tut, dann böte sich doch das Wirtshaus an, ein bisschen unter Freunden die Seele streicheln zu lassen… und wenn dann Zigaretten im Spiel sind…, was geht´s den Herrn Minister/ die Frau Ministerin tatsächlich an?

Leider kommt irgendwie der Verdacht auf, dass viele dieser Persönlichkeiten, die täglich aus der Zeitung herauslachen, weil sie sich für den Staat verantwortlich fühlen, ziemlich schwerhörig scheinen, wenn es um die Stimme des Volkes geht. Diese Hohen Damen und Herren aus dem Parlament in Wien sollten doch nur einmal an einem beliebigen Abend hier ins Gasthaus kommen…, ja…, sie müssten sich nicht einmal anstrengen und bräuchten gar keine Reden schwingen…, sie könnten doch sozusagen einmal ganz privat sein…, vielleicht ein oder drei Bier trinken…, ein gutes Schnitzerl gibt’s immer…, das einzige, was sie tun müssten, wär´ doch einmal nur zuzuhören, was Menschen, die vielleicht nicht so g´scheit und weltgewandt wie sie sind, denken!

Aber das Problem wird sein, dass nach der G´schicht mit dem Verteidigungsminister niemand seinen Chauffeur beauftragen wird, hier in diese Einschicht hineinzufahren. Und dass Menschen, die vom einfachen Volk gewählt worden sind, einfach den Postbus nehmen, kann sich nichteinmal die Wasserlwirtin vorstellen!

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Herbert Erregger

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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