Politische Macht in Österreich: Willkür statt Demokratie

Mit einer kritischen Zivilgesellschaft tut man sich nicht leicht in Österreich. Die ersten Ansätze zur Demokratie wurden zunächst in den Jakobinerprozessen ab 1796, dann im Neoabsolutismus nach der Revolution 1848 und schließlich mit dem Austrofaschismus 1933 im Keim erstickt. In der Nachkriegszeit gab es Proporz und Sozialpartnerschaft statt Mitbestimmung durch die BürgerInnen. Diejenigen, die mit ihren Politapparaten an den Schalthebeln der Macht saßen, wollten sich nicht vom niederen Volk dreinreden lassen. Erst die Anti-AKW Bewegung Ende der 1970er Jahre und dann die Besetzung der Hainburger Au im Jahr 1984 brachten dieses etablierte System etwa aus der Fassung. Gibt es heute also die Art von Mitbestimmung, die eine Demokratie erst lebendig macht?

Nein. Als die Tierschutzbewegung seit Ende der 1990er Jahre durch massive Kampagnen und gewaltigen öffentlichen Druck erste Fortschritte im Tierschutzgesetz erzwang, wie z.B. ein Pelzfarmverbot und ein Ende von Legebatterien, reagierte man mit Demonstrationsverboten und Diffamierung. Bis der Verfassungsgerichtshof einschritt, gab es 2007 in der Steiermark ein landesweites Verbot für Versammlungen zu jedem Tierschutzthema. Und in Wien untersagte die Bundespolizeidirektion jede Demo vor pelzführenden Geschäften. Der damalige Innenminister Platter bezeichnete den VGT öffentlich als gewalttätig und der damalige Finanzminister Pröll schickte dreimal innerhalb von 2 Jahren die Steuerfahndung in unsere Büroräume. Das Unterrichtsministerium warnte dazu noch sämtliche Schulen Österreichs vor dem subversiv-radikalen Einfluss unserer Vorträge.

Als uns das auch nicht stoppen konnte, wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Organisation eingeleitet, eine SOKO-Tierschutz mit 35 MitarbeiterInnen gegründet und eine Überwachung durchgeführt, die sämtliche Register, von großem Lauschangriff über mehrere eingeschleuste Spitzel bis zu monatelanger Observation, 11 Videokameras vor Hauseingängen, 33 Hausdurchsuchungen und GPS-Trackern an 2 Autos, zog. Schließlich kam es zu einem 14 monatigen Großprozess vor Gericht.

Seitdem auch der mit einem Freispruch geendet hat und unsere Kampagnen weiter rollen, versucht man nun eigene Gesetze zu schaffen, die endlich unsere Kriminalisierung ermöglichen. Da sind einmal die Flurschutzgesetze in NÖ und OÖ zu nennen, die über Nacht derart geändert wurden, dass plötzlich das Betreten von Tierfabriken durch TierschützerInnen, um darin zu filmen, verboten ist. Über Weihnachten und Neujahr war eine sogenannte „Schweinegesundheitsverordnung“ in Begutachtung, die das Filmen in Schweinefabriken bundesweit mit € 4500 Strafe belegt. Eine plötzlich notwendig gewordene Maßnahme, weil so viele Schweine aufgrund von Tierschutzbesuchen erkranken? Nein, wie das Tierschutzministerium zugeben muss. Vielmehr handelt es sich um eine langjährige Forderung der Tierfabriksindustrie, um die lästigen Filme von gequälten Tieren, die die KonsumentInnen empören, endlich los zu werden.

In der Steiermark wurde eine Treibjagd von öffentlicher Straße aus gefilmt und wegen Gesetzesübertretungen angezeigt. Daraufhin verfassten drei Jäger im dortigen Landtag eine Reform des Jagdgesetzes, die das Filmen von Treibjagden auf öffentlichen Straßen verbietet. So einfach geht das. Und dazu wurde sogenannten Jagdschutzorganen das Recht eingeräumt, Kameras von TierschützerInnen zu beschlagnahmen, ihre Autos zu durchsuchen und sie sogar festzunehmen.

Im Dezember 2013 hob das Landesverwaltungsgericht St. Pölten einen Strafbescheid gegen einen Tierschützer auf, der im Dunkelsteiner Wald von einer Forststraße aus, die sich in einem jagdlichen Sperrgebiet befunden hat, eine Treibjagd filmen wollte und dafür festgenommen worden war. Der Richter stellte fest, dass auch private Forststraßen für den Fußgängerverkehr als öffentliche Wege gelten, und diese darf man auch in jagdlichen Sperrgebieten benutzen. Oder besser: durfte man. Weil mir nichts Dir nichts haben die JägerInnen im nö Landtag über Nacht eine Reform des Jagdgesetzes geschrieben. Man ahnt es schon, und richtig: seit neuestem ist es auch von öffentlichen Wegen aus verboten, jagdliche Sperrgebiete zu betreten, um die Jagden zu filmen.

Was wir auch immer wir für legale Aktivitäten setzen, um die Bevölkerung zu informieren, sodass eine Bürgerbeteiligung in der Gesetzgebung möglich werden sollte, über Nacht werden die Gesetze still und heimlich geändert, um genau diese Aktivitäten zu kriminalisieren. Dabei will die große Mehrheit der Menschen weitreichende Änderungen im Tierschutzgesetz. Laut repräsentativen Umfragen wünscht man sich z.B. ein absolutes Verbot von Tierversuchen an Hunden, Katzen und Primaten, stattdessen hat Wissenschaftsminister Mitterlehner in einer Verordnung, die zu Weihnachten erlassen wurde (bei Tierschutzverordnungen, die lauten Widerstand erwarten lassen, wählt man immer Urlaubszeiten), die Unterscheidung zwischen Tierarten bei der Bewertung des Schadens von Tierversuchen aufgehoben. 80 % der Bevölkerung wollen eine Verbesserung der Haltung der Mastputen, stattdessen arbeitete man eine massive Verschlechterung aus. Und die Jagd auf ausgesetzte Zuchtfasane und auf Tiere im eingezäunten Jagdgatter wollen Dreiviertel der Bevölkerung abschaffen, aber die zuständigen Landesräte in NÖ und der Steiermark, beide selbst Jäger, verweigern jedes Gespräch.

Die Mächtigen wollen also beim Umgang mit Tieren ganz andere Standards, als die tierschutzaffine Bevölkerung. Entsprechend sollen Tierschutzorganisationen ins Gefängnis gebracht und ihre Aufdeckungsarbeit verhindert werden. Willkürlich ändert man dazu klammheimlich und ohne Zustimmung der BürgerInnen Gesetze, um unsere Kriminalisierung zu ermöglichen. Was vorher legal war, wird plötzlich und ohne vernünftigen, mehrheitsfähigen Grund illegal. Das ist der Zustand unserer Demokratie heute.

Shutterstock/arturasker

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