Es bahnt sich der nächste Grund an, für den man Russland sanktionieren könnte: Putin setzt seine Truppen auf der Seite von Assad im syrischen Krieg ein, macht ihn damit endgültig zum Stellvertreterkrieg. Dass der IS ohne finanzielle Hilfe, Waffenlieferungen, logistische Hilfe und konstante Munitionslieferungen* längst Geschichte wäre, lässt den Schluss zu, dass der IS nicht unbedeutende Hilfe von Außen erhält - ja, wir haben also einen waschechten Stellvertreterkrieg vorliegen. Da es sich dabei nicht um Russland handeln kann, und auch andere BRICS-Staaten dafür nicht in Frage kommen, wirft sich die Frage auf, inwiefern westliche Kräfte an einem Erstarken des IS interessiert sein könnten, zumal sie die Einzigen sind, die (aus mehreren Gründen) konstant in der Lage sind, diese administrative und logistische Totgeburt eines Staates am Leben zu erhalten. Putin ist jedenfalls nicht daran interessiert. Erdogan ist es zumindest, solange der IS auch Kurden bekämpft -wer im Zusammenhang mit der Bombardierung von Kurden durch die Türkei an einen puren Zufall glaubt möge selig werden-. Doch mit Erdogan haben wir auch schon wieder einen (zumindest nominell) Verbündeten des Westens, der NATO. Mit der NATO haben wir den ganzen Cluster aus Europa, den USA, dem Commonwealth, Israel, Saudi-Arabien, Kuwaiit, die VAE, Katar, Jordanien, Japan und Südkorea - sie alle würden ein Ab des Präsidenten Assad begrüßen und sind aus diesem Interesse mehr oder weniger im Konflikt involviert. Auf der anderen Seite stehen starke Verbündete Assads - neben Russland der Iran, China und damit tendeziell die BRICS, sowie eine Litanei von Sympathisanten wie Venezuela, Bolivien oder dem Libanon. So wenig Gerüchte in einem solchen Kontext angebracht sind, muss ich doch erwähnen, dass Putin folgende Aussage nachgesagt wird: "Syrien wird zu einem großen Stalingrad".

*Wer Militärstrategisch bewandert ist, weiß, dass eine Offensive UNMENGEN an Munition kostet - es macht einen fundamentalen Unterschied für die Munitionsversorgung, ob eine Truppe sich verteidigen oder angreifen soll. Die anhaltenden Offensiven des IS werfen in diesem Zusammenhang große Fragezeichen auf: Woher kommt die Munition? Aus Lagerbeständen? Immer noch? So viel? Oder aber aus welcher Munitionsfabrik stammt sie? Gibt es eine solche Fabrik überhaupt im Einflussgebiet des IS, geschweige denn im Nahen Osten? [Wohl eher nicht - wer würde die Fertigungskomponenten in eine solche Gegend transportieren?] Wer macht den Gewinn? Und wieso sind die Menschenmassen in unseren Breiten so weltfremd, nicht laut wegen einem solchen himmelschreiend ominösen Umstand zu fragen? Kriegslogistik im Rahmen einer Offensive ist schließlich so komplex, dass sie sogar westliche Armeen immer wieder vor Herausforderungen stellt, auch wenn sie von Außenstehenden [die bloß Schlachtfelder, eines wie das andere, zu erkennen vermögen] oftmals für selbstverständlich gehalten wird. Aber für so selbstverständlich hält man heutzutage auch die hochkomplexe Warenlogistik, die für unsere Lebensversorgung garantiert...

Was würde aber eine Offensive russischer Truppen ändern, sofern sie denn gelingt? Was wahrscheinlich ist - denn wer sich Videos der Kampfpraktiken des IS zu Gemüte führt, wird mit ein wenig Kenntnis feststellen, dass diese Kämpfer taktisch miserabel agieren. Eine Kerntruppe von ein paar hundert Kampferprobten mag zwar bestehen, aber als überragender Faktor für die Erfolge des IS lässt sich rein die Ausrüstung anführen. Das koordinierte Vorgehen im Kampf, sofern man überhaupt davon sprechen kann, ist es jedenfalls nicht. Reguläre Streitkräfte wie die russische Armee dürften also schon nach kurzer Zeit Erfolge feiern.

Zunächst würden damit Gebiete erobert, in denen man anschließend für Stabilität sorgen kann. Wenn das schon nicht bewirkt, dass Syrer auf Kriegsflucht wieder zurück nach Hause kommen können, so bewirkt es immerhin, dass weniger neue Flüchtlinge aus diesen Gebieten hervorgehen. Kommt es im Zuge dessen zu einer vollständigen Rückeroberung der (vormals) multiethischen Gebiete Syriens, kann man von Assad gerne gewisse Dinge verlangen: Etwa, dass er den Kurden ihre Gebiete überlässt - ein wichtiger Schritt in Richtung Kurdistan, einem Staat, der in meinen Augen überfälliger als ein Staat Palästina wäre. Der Einzige, der sich in der Sache querlegen würde, wäre Erdogan. Aber nichteinmal jemand, der Facebook und Twitter sperren lässt, reihenweise Journalisten inhaftiert, friedliche Demonstranten erschießen lässt und den Tod von Bergarbeitern flapsig bis pietätlos kommentiert (ohne damit einen Volksaufschrei nach sich zu ziehen!) kann dem Druck einer internationalen Staatengemeinschaft standhalten, die soetwas fordert. Auch kann man Assad vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag laden um dort einen Prozess wegen der Verwendung von geächteten Waffen zu führen. Dagegen würde wohl nicht einmal Putin agieren, wohl in der begründeten Vermutung, dass Assad in dieser Causa unschuldig ist. [Ein Staatsmann, der nur wenige Tage nach einer ausdrücklichen Warnung der größten Militärmacht des Planeten erstmals geächtete Waffen einsetzen würde, könnte ja in zusammenhängendem Denken nichteinmal einem Kindergartenkind das Wasser reichen - eine solche Anlastung vorbehaltslos zu glauben entspräche einem ähnlichen Vermögen. Speziell wo doch deren Einsatz in keinster Weise zu einem Vorteil auf dem Schlachtfeld geführt hat, und sogar Assad selbst davon sprach, diese Waffen höchstens im Falle einer äußersten Bedrohung durch Kämpfer einzusetzen. Also wenn Damaskus fallen würde. Assad hat übrigens in London studiert.]

Jedenfalls aber würde eine militärische Intervention aufseiten der Assad'schen Truppen gegen den IS wieder für ein stabiles Syrien ohne Machtvakuum sorgen - die einzige Lösung, die wir im von Wellen von Asylsuchenden gebeutelten Europa erhoffen sollten; sind wir doch letztlendlich Leidtragende an einer chaotischen Entwicklung in Syrien. Die USA, die uns elegant jede echte Hilfe im Flüchtlingsproblem ausgeschlagen haben (die für die Destabilisierung der ganzen Region aber Hauptverantwortlich sind!), haben ja bereits mehr als angedeutet, eher verschärfend (gegen Assad) in den Konflikt eingreifen zu wollen. Wer mir glaubhaft erklären kann, dass die USA von den derzeitigen Entwicklungen NICHT profitieren [abgesehen in -wieder einmal- der öffentlichen Wahrnehmung], solle vortreten. Wieder einmal wäre es für Europa kontraproduktiv, sich dem Willen der USA zu beugen. Einen Frieden zwischen den Juden, Christen, Atheisten, Jesiden, Drusen, Schiiten und Aleviten, so wie es ihn unter Assad IMMER gegeben hat [es waren ausschließlich radikale Sunniten, die das Land vorgeblich ins Chaos zu stürzen trachteten - sie waren es auch, die sich als einzige vom Häretiker Assad unterdrückt fühlten] wird es im Falle eines gewaltsamen Sturzes Assads -wenn nicht gar seiner Ermordung- bestimmt nicht geben - damit also bloß wieder mehr Flüchtlinge, mehr Elend und Leid, schwierigere Umstände für Europa.

So wenig ich persönlich auch die viel restriktiveren Diktatoren wie Mubarak oder Gaddafi mochte, so sehr stürzten auch ihre Abgänge Libyen und Ägypten ins Chaos. Gegen diese Gestalten war ein Baath-Partei-Angehöriger wie Saddam Hussein quasi ehrlich am Wohle seines Volkes interessiert - was seither aus dem Irak geworden ist sieht man ja. [Und nur um es an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung zu rufen: Angefangen hat es, nachdem Kuwaiit mithilfe damals neuer Schrägbohrtechnik unter der Grenze hindurch irakische Ölfelder anzapfte, und eine kuwaiiter Krankenschwester nach dem folgenden Einmarsch der irakischen Truppen die Mär von den aus dem Brutkasten gerissenen Babies verbreitete. Eine solch emotionale Geschichte steigerte die Kriegsbefürwortung des US-Volkes selbstredend ins Unermeßliche. Der Rest ist bekannt.] Alleinig Erdogans Abgang würde seinem Land zu einer besseren Zukunft verhelfen, als es sich unter ihm erwarten kann - doch Erdogan hat NATO-Sanktus, ihm lastet man nicht einmal indirekte Hilfe für den IS an. Sanktionen gegen die Türkei? Nicht einmal in Gedanken. Auch den Bevölkerungen der einzigen Länder, die vom "arabischen Frühling" nicht betroffen waren, nämlich den (Ur-)Arabischen, würde der eine oder andere Umsturz nicht schlecht tun. Soviel zu meinem Wunschdenken.

Und Putin? Er beweist in der syrischen Frage eine ebensolche Weitsicht, wie damals, als er den Iranern einen friedlichen Kompromiss im Atomstreit vorschlug - und damit den Grundstein für erfolgreiche Verhandlungen und eine friedliche Lösung legte. Israel kalkulierte zu diesem Zeitpunkt bereits offen mit Luftangriffen gegen den Iran. So wenig man es ihm von gewissen Stellen zutrauen würde, so sehr setzt er sich in Konflikten um Schadensbegrenzung für die Bevölkerung ein. Hinter der Krim lagen zwar mit absoluter Sicherheit strategische, tiefrussische Interessen, die sich im für Russland vitalen Hafen von Sewastopol begründen; ohne einem derartig forschen (und beinahe völlig unblutigen) Vorgehen wäre die Krim aber auch zu einem neuen ewigen Brandherd geworden, in dem täglich Zivilisten sterben würden und neuer Hass die Mühlen des Chaos füttern würde - so aber beschränkt sich dieses grausliche Szenario auf den Donbass und eben Syrien. (Eine Kraft die Instabilität schürt wo immer es ihr möglich ist und -nicht nur- in beiden Schauplätzen im Hintergrund werkelt, reibt sich dabei wohl die Hände. Man möge mir das Unterstellen dieser Bestrebungen anhand von Tatsachen widerlegen.) Ja, Putin tut, was Europa schon längst tun hätte sollen - ob er es nun in unserem Sinne tut oder nicht, mehr als jeder Jean-Claude Juncker, Obama oder Faymann ist er in diesem Schauplatz der Mann unserer Interessen, UNSER Mann!

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:13

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