„Wir sind das Volk!“ Ja, und dieses Volk macht jetzt mir Angst.

Ich fühle mich davon wesentlich bedrohter als von den Zuwanderern!

Es ist so, dass ich Großveranstaltungen schon immer gemieden und auch versucht habe, größeren Menschenansammlungen andernorts aus dem Weg zu gehen. Weil ich mich dort nie sicher fühlte. Und da war noch lange keine Rede von Flüchtlingen und Asylwerbern. Ich bin, als ich jung war, einmal in einer überfüllten Straßenbahn – also unter den Blicken Vieler – äußerst unangenehm begrapscht worden. Nicht, dass mir das nun starke Ängste beschert hätte. Ich steckte das eher weg, zumindest glaubte ich das. Auch das Vorbeigehen an Baustellen, oder sonstigen Männeransammlungen, war immer ein Spießrutenlauf zu dieser Zeit und was ich mir da anhören musste, das habe ich auch lieber verdrängt. Die Gemeinschaftsräume meiner damaligen Arbeitsstätte suchten wir Mädchen auch lieber nicht allein auf. Das war damals eben so und so habe ich es in mein Leben mitgenommen.

Ich war auch lange Zeit in Wien als Single unterwegs und mehr als zwei Männern in der Dunkelheit auf der Straße zu begegnen, war immer mit Mulmigkeit verbunden. Oder in Unterführungen oder an sonstigen unübersichtlichen Plätzen. Auch wenn ich Wien als wirklich sichere Stadt empfand, in der ich mich als Frau an sich nicht generell gefährdet sah. Also, da hat sich nicht grundlegend etwas für mich geändert.

Andererseits hat mir der direkte Kontakt mit den Asylwerbern noch keinen einzigen Mann beschert, der in mir irgendwelche Ängste hochkommen ließ. Gut, heute bin ich eine alte Frau und es sind fast durchwegs wesentlich jüngere Burschen, mit denen ich in den Flüchtlingsunterkünften in meiner Nähe zu tun habe. Doch schützt mein Alter mich nach wie vor nicht vor blöden Sprüchen heimischer Männer. Unsere Asylis aber sind alles höfliche junge Männer, die mich äußerst korrekt, ja zuvorkommend, behandeln. Die ihrer Freude mich zu sehen, auch Ausdruck geben können, ohne sie mit anzüglichen Bemerkungen oder Blicken zu garnieren.

Also sah ich bisher keinen Grund für verstärkte Angst, die sich aus dem Ankommen der Flüchtlinge für mich ergeben hätte. Aber dieses Aufschäumen des Hasses, dieser Mangel an Empathie, die Erbarmungslosigkeit mit Notleidenden, die sogar im direkten Umgang mit Kindern Ausdruck findet, die Brutalität meines Kulturkreises, das alles war bisher nicht Bestandteil meines Daseins. Das kannte ich nur aus Erzählungen und aus der Beschäftigung mit der Geschichte.

Dass es kriminelle Elemente in unserer Gesellschaft gibt, war mir bewusst. Doch bisher war es so, dass mein persönliches Umfeld und mein Bekanntenkreis nicht von solchen Leuten durchsetzt schien. Nun ist alles anders. Die Gutbürgerlichen demaskieren sich scharenweise. Mehrmals täglich sehe ich mich Personen ausgesetzt, die Hass und Brutalität in meinen Alltag tragen, und zwar Nachbarn oder Bekannte. Kaum treten ein paar fremdartig aussehende Männer auf, beginnen rundherum die Räder in den Gehirnen der Anwesenden sichtbar zu laufen. Die Einen gehen in Deckung und die Anderen bringen sich in Stellung.

Es bilden sich selbsternannte Bürgerwehren und es wird aufgerüstet.

Verstärkt muss die Polzei ausrücken. Zu den Asylantenheimen, das stimmt. Aber nicht, weil das Verhalten der Zuwanderer Einsätze erfordert, sondern weil die Einheimischen vor den Unterkünften randalieren. Es wurde auch bei unseren Burschen bereits versucht, in ihre Unterkunft einzubrechen und wie es andernorts zugeht, könnte man ja nachlesen, wenn sich die Leute nicht lieber auf die Nachrichten konzentrieren würden, wo gerade mal ein dunkelhäutigerer Mann eine Frau „angetanzt“ hat, wie das neue Modewort lautet.

Ich lebe in einer Weingegend. Hier wird gern getrunken und was die Besoffenen so von sich geben, unterscheidet sich gewaltig von dem, was sie früher grölten. Ich fühle mich unter meinen Mitbürgern nicht mehr sicher. Denn was sie zeigen, ist nicht von der Art, dass es Hoffnung auf Frieden bringt. Im Gegenteil, ich fürchte mich, weil ich andersdenkend bin. Das war ich auch früher, aber da hat sich das in Diskussionen erschöpft. Manchmal mit der typischen Handbewegung geendet, mit der sich die Anderen verbündeten und die ausdrücken sollte "spinnertes Weib".

Aber nun ist es gefährlich geworden, andersdenkend zu sein. Und gar danach zu handeln. Denn es wird nicht mehr nur diskutiert, sondern es müssen Taten gesetzt werden. Das erfordert angeblich die Lage. Und dass ich in dieser Lage ebenfalls ein Opfer sein könnte, scheint mir logisch geworden. Ist doch die Beschimpfung derer, die sich nicht gegen Flüchtlinge wenden, bereits an der Tagesordnung. Wurden bereits auch hier Autos und Hauswände solcher Einheimischer beschmiert.

Das macht mir Angst. Das war in meinem Leben bisher so nicht absehbar. Niemals hätte ich gedacht, dass es so weit kommen könnte. Wo wir doch auf einen höchst eindrücklichen Geschichtsverlauf zurückblicken können, aus dem sich so klar abzeichnet, dass der Weg, den Europa derzeit beschreitet, niemals den Frieden bewahren können wird. Für den unsere Vorfahren gestorben sind ...

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