Die Psychologie kennt ein Phänomen, das für viele Probleme und auch Krankheiten Auslöser ist: Das Opferdenken. Und gerade nach dem gestrigen Tag ist es wieder sehr in den Vordergrund getreten. Aus allen möglichen Medien trieft es nur so heraus.

Viel zu viele Menschen fühlen sich als Opfer von irgendetwas oder irgendjemandem. Doch die meisten sind Opfer ihrer selbst.

Weil sie die richtige Perspektive nie gefunden haben: Die Perspektive, was sie selbst für sich tun können – und eigentlich auch müssten. Der Fokus der meisten liegt darauf, was "die Anderen" nicht für sie tun. Wie "die Anderen" die Welt herrichten, so dass sie selbst darin nicht störungsfrei leben können. Wie "die Anderen" Plätze einnehmen, die sie selber einnehmen wollen. Wie "die Anderen" sie in Schubladen stecken. Wie "die Anderen" den eigenen Genius nicht erkennen. Usw.

Sie erkennen nicht, dass das die Projektion ihrer eigenen Sicht ist. Dass es genau das ist, was sie selbst tun. Andere machen vielleicht etwas ganz anderes, aber das erkennen sie gar nicht, weil sie alles in ihre eigenen Schubladen stopfen.

Die meisten Leute glauben, sie haben als Einzige den Durchblick, was für 8 Milliarden Menschen das Richtige wäre und alle, die nicht dieser Meinung sind, sehen sie als Feinde an.

Einfaches Beispiel, über das man vielleicht sogar schmunzeln kann: Jeder weiß am besten, was für die Fußballnationalmannschaft das Beste wäre, nur nicht der Trainer.

Und dieses Schmunzeln könnte man natürlich auch auf andere Bereiche ausweiten, wenn man die Schwächen der Menschen eben als zu ihnen zugehörig anerkennen kann.

Doch in manchen Bereichen ist das Opferdenken eine höchst gefährliche Sache. Nicht nur für die eigene Gesundheit, sondern eben auch für die Gemeinschaft.

Nach dem Prinzip "Masse und Macht" wird ein Volk, das zum Opfer hochstilisiert wird, die Gabe zur Differenzierung verlieren. Es wird blindwütig zur Verteidigung ansetzen. Auch wenn durch die mangelnde Differenzierung gar nicht klar ist, wogegen diese Verteidigung angesetzt werden müsste. Der Schwarm greift das nächstliegende Objekt an.

Die mangelnde Differenzierung schafft das besondere Phänomen der Gegenwart: Die Opferumkehr.

Wir werden von einer großen Gruppe unserer Mitbürger derzeit zu Opfern abgestempelt. Wir sind die Opfer der Zuwanderung.

Unsere Opfer sind angeblich enorm. Bei uns in Österreich herrscht ja sogar Notstandsgefahr.

Und wir wehren uns gegen die Menschen, die wird dafür verantwortlich machen.

Doch diese Menschen tragen gar nicht die Verantwortung. Denn sie sind selber Opfer. Und zwar wirkliche Opfer.

Doch wir projizieren Schuld auf sie. Weil an ihnen all das klar sichtbar ist, was ein Opfer ausmacht und es viel einfacher ist, einen Schuldigen für das eigene Scheitern außen zu suchen, als in sich selbst.

Denn wer sich als Opfer fühlt, der kann vieles zu seiner Entschuldigung einsetzen. Er kann sein Mütlein an seinen Ängsten kühlen, kann das, wovor er wirklich Angst haben müsste, klein machen, indem er sich etwas unüberwindlich großes hinstellt, muss deshalb dann nicht hinaustreten und handeln, sondern kann aus dem Hinterhalt zur Verteidigung blasen. Er kann das eigene Nicht-Handeln verschleiern, und sein Scheitern deshalb auf Andere abwälzen.

Wie schon öfter geschrieben, sehe ich persönlich die Schuld nicht bei den Zuwanderern.

Ich sehe sie in der Abkehr von der menschlichen Gesinnung. Was unsere Gesellschaft bitter benötigen würde, wären Empathie und Validation. Beide empfehlen, wenigstens ein paar Schritte in Schuhen Anderer zu gehen – sofern diese überhaupt noch welche haben. Wenn nicht, könnte es ebenfalls sehr heilsam für die eigene Menschlichkeit sein, barfuß auf den offenen Fußwunden von Opfern zu hatschen.

Aber wer sich selbst als Opfer ansieht, wird seine bequem eingelatschten Böcke nicht gegen umbequemere tauschen wollen.

Mir geht es nicht um rechts oder links, mir geht es darum, dass wir die Opfer in den Anderen nicht sehen, nicht ihre Wunden, nicht ihre Narben, sondern nur unsere eigenen Wehleidigkeiten bepinseln.

Wir schaukeln uns zu Opfern auf, die weder Wunden noch Narben vorweisen können. Sondern in der Verteidigung abstrakter Werte verharren, deren eigentliches Opfer wir sind.

Das sehe ich immer wieder daran, dass Leute ihr Opferdenken damit kultivieren, indem sie sich endlos darüber aufregen, dass sie rechts oder links, oder sonstwo eingeordnet werden.

Wie kann man denn nur mit so etwas seine kostbare Energie vergeuden?

Mir persönlich ist es zum Beispiel vollkommen egal, ob mich einer Nazi oder Gutmensch nennt. Ich weiß wer ich bin, ich weiß wie ich handle und ob ein Anderer das erkennt oder nicht, ist mir einfach wurscht. Da ich ihn nicht überzeugen werde können, verschwende ich meine Energie gleich gar nicht darauf.

Ich gebe meine Verantwortung nicht an öffentliche Meinungen ab.

Die einzige Lösung, um diesen Planeten zu retten ist und bleibt für mich: Zu schauen, was wir selbst FÜR ihn tun können und nicht was die Anderen NICHT für ihn tun. Und anstatt sich darüber zu beklagen, dass uns die Anderen andauernd Prügel vor die Füße werfen, sich endlich an die Beseitigung derselben zu machen und nicht nach größeren und dickeren zu suchen, die wir den Anderen vor die Füße knallen.

Wir müssen endlich aus der Opferrolle heraustreten!

Lasst uns handeln! Jeder einzelne für sich. Nicht von Anderen fordern, dass diese handeln. Und schon gar nicht mehr die Politiker. Denn die haben uns zu Opfern degradiert.

Wenn wir aufstehen und handeln, dann sehen das unsere MitMENSCHEN und können wesentlich leichter dem aufgezeigten Ziel folgen, als wenn wir raunzen und anklagen, aber auf unseren breitgesessenen Allerwertesten sitzen bleiben.

Daraus entsteht nichts! Wir verpuffen nur Energie damit.

Wir sind keine Opfer! Wir sind – immer noch – freie mündige Bürger in einer Demokratie!

Und nur wenn wir endlich diese Rolle einnehmen, werden wir sie retten können.

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