Den Gedanken an den Tod tauscht man viel lieber sofort mit Gedanken an die Schönheit des Lebens aus, auch wenn wir uns das Leben oft unnötig gegenseitig schwer machen. Steinalt werden und dann morgens nicht mehr aufwachen, das ist die Idealvorstellung von unserem Abschied von dieser Erde und unseren Lieben. Leider eher unwahrscheinlich, dass es so kommt.

Ein schauriges Gefühl, wenn man den Sensenmann im Gang spürt und keiner genau weiß, in welches Zimmer er zuerst kommt.

Plötzlich im Hospiz

In die Sache bin ich hineingeschlittert wie es mir schon so oft passiert ist. Wie kam ich aber mit dem Hospiz bei uns in einer Kleistadt in Berührung, wo ich noch ein wenig im Rathaus mein berufliches Wissen anwenden kann?

Vor einiger Zeit sprach mich ein Musiker an, der seine Gage sinnvoll spenden wollte. Wie überall wird auch in diesem Business konzentriert abgesahnt. Also war die Gage des Hobbymusikers keine riesen Summe. Er sprach mich an und fragte mich, was ich meinen würde, wem man das Geld auf lokaler Ebene geben könnte. Mein erster Gedanke war die DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei), zumal ich selbst schon Knochenmark gespendet habe und wir vor Jahren für einen kleinen erkrankten Jungen gerockt und die Einnahmen gespendet haben. Aber zum Glück ist bei uns kein Fall aktuell.

Begleitend dachte ich bereits an unser Hospiz. Kannst du mir das einfädeln, meinte der Musiker. Gesagt, getan. Den Vorsitzenden des Hospizvereins kenne ich noch aus meiner Zeit in der Kommunalpolitik.

Irgendwie im Gespräch kamen wir auf meine Leidenschaft als Musiker zu sprechen. Plötzlich war nebenbei der Gedanke geboren, ein Rockkonzert für die Gäste des Hospizes, wie sie respektvoll genannt werden, und ihre Angehörigen zu veranstalten.

Es kam anders mit dem Rockkonzert

Die Überlegung mit dem Rockkonzert im Garten des Hospizes wurde verworfen, da vielleicht dadurch die Nachbarn gestört werden. Die Nachbarschaft, kein Problem ich hakte nicht weiter nach, ich akzeptiere inzwischen viel, obwohl es mir nicht immer in den Kopf will.

Ein wirklich sympathischer Vorsitzender, der mit seiner Mannschaft alles für die Gäste im Hospiz gibt. Ein neuer Gedanke war geboren bei dem ich etwas mitgeholfen habe. Ich bin ja nicht nur als Musiker, sondern auch mit dem Motorrad auf Tour. Ich habe über die Touren in Europa eine Multimedia-Show, die ich als Sound der Freiheit bezeichne. Denn wenn ich mein Motorrad starte und den Motorensound genieße, vor allem wenn es wieder losgeht, erfasst mich gleich ein Gefühl des Abenteuers und der Freiheit.

Ich kann ja die Gäste visuell auf eine dieser Reisen mitnehmen. Super Idee, die Hospizleiterin wird sich mit mir in Verbindung

setzen.

Multimedia Show - Sound der Freiheit

Oberhalb Gardasee

Motorrad-European-Tour im Hospiz

Die Hospizleiterin, etwa in meinem Alter, nahm die Sache dann in die Hand. Ich merke sofort, wenn jemand etwas anstandshalber oder gar lustlos macht. Hier begegnete mir das absolute Gegenteil, was mich motivierte.

Kommen Sie doch mal vorbei, lud mich die Hospizleiterin ein. Alles klar, das mache ich gern. Es wurde alles vorbereite und ich erklärte ein wenig was die Gäste erwartet.

Allerdings wissen wir nicht wieviel Gäste und Angehörige teilnehmen können. Vom Personal werden auch Teilnehmer dabei sein.

Wir waren uns sofort einig, es ist doch egal, wenn wir nur einen Menschen von seinem Schicksal ablenken und für den Abend glücklich machen, haben wir zu 1000% gewonnen. Genauso ist es.

Kurze Zeit später wurde Interesse signalisiert. Sehr gut, besser kann es nicht sein.

Es ist wie verhext. Die Sache war in trockenen Tüchern als mein jüngster Sohn Paddy kam und voller Freude mit mir zu einem Autorennen auf den Hockenheimring wollte. Ich habe Freikarten. Die letzte Zeit erzählte mir mein Sohn über einen millionenschweren Unternehmer, wo porschetechnisch Kontakte bestehen sollen. Im Freundeskreis meines Sohnes ist ein Porscherestaurator dabei. Über ihn kamen wohl mit diese Kontakte zum spendablen Millionär zustande. Wir können in das Fahrerlager, das wird bestimmt spannend. Wir bleiben übers Wochenende. Super, das machen wir. Wann ist denn der Termin?, wollte ich wissen.

Die Abfahrt war natürlich genau an dem Tag, wo der Vortrag im Hospiz geplant war. Mein Sohn hatte Verständnis, dass ich diesen Termin nicht absagen wollte, komme was wolle. Es musste nicht sein, hätte aber sein können, dass sich ein Gast auf den Vortrag freut. Wer weiß, wenn ich den Termin verschoben hätte, wäre es dem oder den Gästen die sich gefreut haben nicht mehr möglich gewesen diesen Abend zu genießen.

Ich hätte keine Ruhe mehr gehabt und mich hätte dieser Gedanke gequält, dass ich einen Menschen, den ich zwar noch nicht kannte, der oder die Gäste einem schweren Schicksal gegenüber stehen enttäuscht hätte.

Paddy schickte mir schöne Bilder vom Hockenheimring. Ich bin stolz auf meine Söhne, die zwar hart in der Sache, notfalls auch mit dem Kopf durch die Wand, aber verständnis- und gefühlvoll für eine gute Sache sein können. Wahrscheinlich haben sie diesen Gendefekt von mir geerbt. Meine Frau sagte oft schmunzelnd in vielen Dingen, sie wären eine Kopie von mir. Na, dann bin ich beruhigt.

Gavia Pass - Sütirol

Es kann losgehen

Mehr als liebevoll hat die Hospizleiterin den Aufenthaltsraum eingerichtet. Es war unschwer zu erkennen, wer die Gäste waren. Gegenüber steht ein Personal das man sich überall nur wünschen kann. Einfühlsam und keine Mühen sind zu viel. Es war eine schöne Wohnzimmeratmosphäre. Die Gäste waren, als ich kam, noch beim Essen.

Ich unterhielt mich noch ein wenig mit dem Personal. Ja, vielleicht ein etwas ungewohntes Gefühl, meinte eine Mitarbeiterin. Was den Tod anbelangt, habe ich als Leiter einer Dienstgruppe bei der Polizei eigentlich in dieser Hinsicht schon alles erlebt, erklärte ich. Trotzdem, ich wollte keine Minute mehr zurück in den Streifendienst. Von mir aus müsste der Tod nicht sein, wenn schon dann zumindest so wie ich eingangs erwähnt habe.

Plötzlich schaute mich eine Ärztin, die noch kurz zu einem betreuenden Gast beziehungsweise Patienten vorbei kam, verwundert an. Was machen Sie denn hier. Sie kennt mich sehr gut und war auch schon bei Auftritten unserer Band. Machen Sie hier ein Rockkonzert wollte sie schmunzelnd wissen. Fast wäre es so weit gekommen. Warum nicht, meinte die Ärztin mit voller Unterstützung der Hospizleiterin. An mir soll es nicht liegen, antwortete ich. Ich kann mit Band oder auch mit einem Soloprogramm aufwarten. So ganz scheint dieser Gedanke doch noch nicht verfolgen zu sein.

Das sei doch eine tolle Sache, meinte die Ärztin. Eine Ärztin, die mit ihrem Mann eine Praxis betreibt und den Beruf aus voller Leidenschaft betreibt. Sie wusste bestimmt ganz genau, dass es der Psyche der Gäste gut tut.

Noch kurz eine Einführung dann geht die Tour los

Ich stellte mich kurz vor und erzählte etwas über meine Leidenschaft und wohin die Tour geht. Sie werden Charlie Chaplins Villa sehen, die französischen Seealpen und Montreux am Genfer See kennen lernen. Weiter geht es nach Nizza und Monaco, wo ein Anlegeplatz für die Superyachten an bestimmten Plätzen 1200 €/Nacht kosten soll. Wieviel, wurde staunend nachgefragt. Ja, im Monat ist das dann ca. ein Jahresgehalt eines Facharbeiters. An einem Formel 1 Wochenende kostet der Spaß fast 100.000 € habe ich gehört. Das Eis war schnell gebrochen. Als ich noch ein wenig erzählte sah ich die freudestrahlenden und interessierten Augen einer Dame, deren Alter nicht genau geschätzt werden konnte. Nebenbei bemerkte ich einen Angehörigen, der seine sehr geschwächte Ehefrau, die er wahrscheinlich nicht mehr lange haben darf, liebevoll in den Arm nahm.

Daneben saß ein Gast, der als sehr nett und zuvorkommend beschrieben wurde, aber ein wenig aussah wie Queequeg, der tatöwierte Harpunier aus dem Filmklassiker Moby Dick. Ach ja das Aussehen.

Drei Teile hat meine Mulitmeda Show. Wenn es zu viel wird, können wir ein Teil weglassen, erklärte ich. Nein, nur zu wurde ich motiviert.

Es war wunderschön, alles passte. Ich spürte, dass der Abend ein Erfolg wird und durch nichts zu ersetzen ist, auch nicht durch den Hockenheimring.

Ich muss zugeben, dass ich zeitweise meine Tränen unterdrücken musste, sowieso als ich sah wie liebevoll der gut im Rentenalter befindliche Ehemann sich um seine Frau umsorgte. Oder die nette Dame, wo ich spürte wie sie sich auf den Abend gefreut hat. Die Bilder und Clips sind alle mit Musik unterlegt, natürlich mit meiner Musik, wie zum Beispiel das Schweifen um den Karersee mit Pink Floyd oder an der Küste von Istrien mit Steppenwolf.

Der Besuch von Montreux wird natürlich mit Queen verziert. Unverkennbar die Pose von Freddie Mercury, merkte eine Mitarbeiterin an, die in durch eine Staute am Ufer des Genfer Sees für immer verewigt wurde.

Ufer Genfer See Montreux

Vevey bei Montreux - Villa von Charlie Chaplin

In den französischen Seealpen wurden wir ein Stückweit von Tony Christie musikalisch begleitet. Das sind die Colorados kommentierte die nette Dame, die sich so auf den Abend gefreut hat, den Part. Die Colorados, das war eine Coverband aus der Zeit als ihr Leben noch vor ihr stand und die aus unserer Region stammte.

Man hätte losheulen können, doch das Gefühl bestärkte mich, dass ich, wenn auch unbewusst, alte Erinnerungen hervorholen konnte und dass sich das überschaubare Publikum sichtlich wohl fühlte.

Auch Kärnten und Slowenien wirkten beindruckend auf die Gäste. War schon jemand in Kitzbühel, wo Hansi Hinterseer und Reiche und Schöne, wie vielleicht die Gaissens, sich treffen? Nein, keiner war dort. Gut, dann gehen wir gemeinsam hin, sogar mit dem Motorrad und auch in die Alpen von Kitzbühel. Wo ist denn das, so wunderschön? Das ist in Kärnten, Hermagor beim Pressegger See. Oder die Julischen Alpen in Slowenien. Julische Alpen? Interessant, das haben wir nicht gekannt.

Kitzbühel Casino - für ein Eis reichte es noch

Es geht in die französischen Seealpen - Karl (69) rechts sein Bruder Josef (68)

Daluis Schlucht Frankreich - beeindruckenesrotes Gestein

Slowenien -Julische Alpen

Als ich so in die tapferen Gesicherter der Gäste schaute, hätte ich sie am liebsten auf die nächste Tour mitgenommen.

Wenigstens war dies noch ein kleines Stück dieser schönen Erde, das sie an diesem Abend miterleben durften.

Beim Abschied musste ich um Fassung ringen als die nette Dame, die an ihre Zeit mit den Colorados erinnert wurde mir mit den Worten dankte, dass sie nun doch noch einmal in Frankreich war. Fährt Ihre Frau auch mit, wollte sie noch wissen. Ja, wir mögen Tirol oder Südtirol. Schön meinte sie, also ob sie sagen wollte, dass würde ich auch gern einmal erleben.

Die warmen und angenehmen Blicke sagen oft mehr als alle Worte. Der bewundernswerte Ehemann, wollte noch wissen ob ich trotz des Unfalls meines Begleiters Karl, von dem ich erzählte als wir dieses Jahr in Turin waren, noch Motorrad fahren würde. Ja, wahrscheinlich komme ich von dieser Sucht nicht mehr los. Also, dann wünsche ich Ihnen immer dass Sie gesund nach Hause kommen. Danke, einen schönen Abend noch.

Es war ein wunderschöner Abend mit den Gästen, Angehörigen und dem Personal im Hospiz. Nichts erinnerte an das Sterben und den Sensenmann, den wir heute gemeinsam hinausgetrieben haben. Am liebsten würde ich dem Sensenmann drohen, wenn er sich wagen würde nur einen der Gäste aufsuchen zu wollen hetze ich ihm alle MCs auf den Hals und dabei bin ich mir sicher, dort wären sich alle einig, wenn es darum geht ihn dorthin zu schicken wo er keinen Schaden anrichten kann. Ich hoffe diese wirren Gedanken zum Schluss werden mir nachgesehen.

Queequeg hat mich auch irgendwie ohne Worte beeindruckt. Er strahlte in seiner ruhigen Art eine ungeahnte Sympathie aus. Tapfer stellt er sich seinem Schicksal. Ich wünsche allen alles Gute und noch viele schöne Tage, an denen sie ihr Schicksal vergessen können.

Mein letzter Gedanke dazu gehört dem Personal. Ich bewundere diese Leute, die sich für ihre Mitmenschen in ihrem letzten schweren Lebensabschnitt begleiten und betreuen.

Monaco

Kärnten - Hermagor - Karl wurde übermütig

Barcis See - Italien

Alle Fotos - Norbert Zerr

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