Festtagsbraten zu Pfingsten? Warum ein ganzes Huhn besser schmeckt und besser ist als seine Teile

Zu meinem 10. Geburtstag musste ein Junghahn sein Leben lassen. Ein Hahn vom Nachbarbauern, das war das Besondere. Ganze Hühner als Sonntagsbraten, das gab es nämlich bei uns fast jede Woche. Es war mein absolutes Lieblingsessen. Warum läuft das Huhn als Sonntagsbraten heute Gefahr schön langsam aus der Mode zu kommen?

Ein Hahn zum 10. Geburtstag - eine Kindheitserinnerung

Die Nachbarbäuerin hatte ihn am Vortag vom Misthaufen, wo er stolz seinen Harem überwachte, runter geholt, geschlachtet und gerupft. Auf meinen Wunsch hin überließ sie mir die Federn. Es existiert ein Foto – ich weiß nicht in welchem Album –, das mich vor der Geburtstagstafel im Kreis meiner vier Schwestern zeigt. Auf meinem Kopf ein Filzhut. Auf diesem die Hahnenfedern. Meine Mutter hat den ganzen Vogel plus einem zweiten aus dem „Supermarkt“ dann im Ofen gebraten. Kindheitserinnerungen sind Kindheitserinnerungen. Sie prägen oft mehr, als man meint. Ich steh mich immer noch absolut auf das sonntägliche Brathuhn. Und nicht ich allein. Meine Familie auch - bis auf meine vegetarische Tochter. Die fährt dafür total auf die mitgebratenen Beilagen ab. Die kleine Kontamination mit Huhn scheint sie nicht zu stören.

Das Huhn als Ganzes in der modernen Küche

Jamie Oliver ist ein großer Fan von Brat- oder Grillhuhn. In immer neuen Varianten findet es Eingang in seine Kochshows und -bücher. Einmal die Woche mindestens, so Oliver, komme es bei ihm auf den Tisch (Am Ende des Beitrags findest du eines der Hähnchenrezepte des Starkochs auf Video). Johann Lafer setzt ein Hendl kurzerhand auf eine Bierdose und kreiert einen neuen Klassiker, das „besoffene Grillhendl“. Das Huhn im Ganzen scheint immer noch ein Küchenhit. Aber ist das so? Sieht man genauer hin, so ist dieser Klassiker auf dem Rückzug. Das ganze Huhn ist auf dem Weg ein Exot zu werden, eine Seltenheit, ein nostalgisches Element. Einzig diverse Feste und die zahlreichen mobilen Grillstationen bieten heute (halben) Grillhähnchen Bühnen im großen Stil.

Die Brust, das überschätzte Teil – geschmacksarm und nicht nachhaltig

Ein Masthuhn wird heute sofort nach dem Schlachten zum überwiegenden Teil fein säuberlich zerlegt. In den wenigen großen Schlachthöfen wird es dann auch häufig schon gewürzt und/oder weiter „veredelt“. Alles steht im Zeichen der Convenience. Der unangefochtene Star unter den Schlachtteilen ist die Brust. Simpel zuzubereiten, eiweißreich, fettarm. Nur Vorteile. Nur Vorteile? Fragen wir doch mal ein bisschen nach, sehen wir uns die Sache genauer an.

Nachteil Nummer 1 – Was tun mit dem „Rest“?

Nachteil Nummer 2 – Ausländisches Brustfleisch muss importiert werden

Nachteil Nummer 3 – „the rest would be the best!“

Den ersten Nachteil wird mir jeder zugeben.

Die „Restlverwertung“ ist – nicht nur beim Huhn – global gesehen ein riesiges Problem. Ein ganzes Huhn besteht nun mal nicht aus Brustfleisch allein. Obwohl „moderne Zuchtlinien“ Hühner hervor gebracht haben, deren Brust überdimensional schwillt, konnte das bein- und flügellose Huhn noch nicht gezüchtet werden. Auch die „lästigen“ Knochen, Knorpel, Innereien usw. stören beim Verwerten des Huhns. Österreichische Schlachthöfe haben insbesondere Mühe, ihre Keulen loszuwerden. Eigentlich die geschmacklich besten Teile des Huhns, weil etwas fetter. Aber eben nicht zeitgeistig low-fat und high-protein. Weil dermaßen viel Brustfilet nachgefragt wird, etwa auch in der Schule machenden Gastronomie – man denke nur an den „Wellness-Salat mit Hühnerbruststreifen“ -, werden immer mehr Hühner produziert. Deren hochwertige Keulen, Flügel, Rückenteile etc. landen in der Wurst, im Tierfutter oder bestenfalls im heimischen Kebab. Selten nur in privaten oder Groß-Küchen. Einiges davon geht wohl auch in den Export. Gute Preise sind dabei für den Mäster und Verarbeiter nicht zu erzielen. Damit sich das Huhn im Ganzen rechnet, muss er im Gegenzug die hoch begehrte Brust umso teurer ansetzen. Würden alle Teile des Huhnes gleichermaßen Wert geschätzt – das klassische Beispiel liefert hier der Sonntagsbraten – müssten also weit weniger Hühner im Eilzugstempo in den Produktionskreislauf geschickt werden. Und überteuertes Brustfilet und „Dumpingkeule“ könnten sich im ganzen Huhn auf einen vernünftigen Preis einigen

Vergleiche doch nächstens mal den Kilopreis von Brustfilet mit jenem von Keulen – falls du überhaupt welche findest im Supermarkt – und vom ganzen Huhn.

2. Ausländische Hühnerbrust aus weniger artgerechter Haltung...

muss den österreichischen „Brust-Bedarf“ stillen helfen. Österreich hat EU-weit die tierfreundlichsten Auflagen im Bereich der Hühnermast. Vor allem hinsichtlich der so genannten Besatzdichte, die festlegt, wie viele Tiere bzw. Kilogramm auf einem Quadratmeter gehalten werden dürfen. Unsere EU-Nachbarn hinken hier in Sachen Platzangebot pro Tier teils beträchtlich hinterher. Können aber aus diesem Grund billiger produzieren. Die hohe Nachfrage nach der Brust und die etwas günstigeren Preise im Geschäft lassen viele Konsumenten nach importierter Hühnerbrust greifen. Sie wissen oft nicht, dass dieses „billigere“ Fleisch mit erhöhtem Tierleid und Krankheitsdruck teuer erkauft ist. Gerade auch hinsichtlich potentiell multiresistenter Keime aufgrund von erhöhtem Antibiotikaeinsatz.

Die begehrte Brust, das überschätzte Teil

3. Das Ganze ist (schmeckt) mehr als seine Teile

Ich behaupte, dass das Brathuhn als Ganzes kulinarisch weit über das langweilige Filet zu stellen ist. Hühnerbrust schmeckt fantastisch, wenn sie nicht von ihrer „natürlichen Umgebung“ getrennt wird: sprich dem ganzen Rest vom Huhn. Im „Zusammenhang“ trocknet sie nicht so leicht aus und nimmt Geschmacksaromen auf, die sie alleine beim besten Willen nicht zu Stande bringt. Sicher: das Brustfilet ist schnell zubereitet. Das ist sein entscheidender Vorteil. In Sachen Nachhaltigkeit, Geschmacksvielfalt und Preis-Leistungsverhältnis hinkt es aber weit hinter dem ganzen Brathuhn hinterher.

Eine Renaissance des Brathuhns am Sonntagstisch?

Als Kind gab‘s für mich nichts Besseres. Meine Mutter briet uns ganze Hühner im Ofen, später im damals gerade modernen Römertopf. Meistens mit Reis oder Kartoffeln, etwas Gemüse – da hielt ich mich nobel zurück – und Salat der Saison. Wir Kinder freuten uns regelmäßig darauf. Schwierig war nur die „gerechte“ Verteilung der Keulen. Davon hatten die beiden Hühner zusammen eben nur vier und auch meine vier Schwestern wollten das beste Stück. Irgendwie wird unser Vater das Verteilungsproblem schon gelöst haben. Ich kann mich nicht mehr erinnern wie. Heute wiederholt sich die Sache mit vertauschten Rollen. Wenn ich meine Kinder frage, was ich kochen soll, dann kommt unisono: „Huhn a la Papa!“ Ich hab mir nämlich ein todelsicheres, aber dennoch raffiniertes Jamie-Oliver-Rezept zu eigen gemacht und meinen Kinder als meine Kreation verkauft. Schließlich will der Koch doch bestaunt sein, wenn er sich schon „die Mühe“ eines Sonntagsbratens macht…

mehr über das Huhn und wie es in Österreich produziert wird

auf www.landschafftleben.at

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baur peter

baur peter bewertete diesen Eintrag 13.05.2016 13:37:36

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