Vom (weiblichen) Orgasmus, guten Liebhabern und warum das alles zum Vergessen ist...

Aufgeschnappt irgendwann in irgendeiner Bar...

Er: "Ich verrat dir jetzt mal ein kleines Männer-Geheimnis. Hab da eine Umfrage gemacht in meinem Freundeskreis. Der Fall, dass ich einer Frau vorschlage, etwas Trinken zu gehen, ohne zumindest ganz leise mit der Möglichkeit zu spekulieren, dass ich etwas mehr wollen könnte von der Frau, dass sich das ergeben könnte in weiterer Folge, den Fall gibt es so gut wie nicht. Also von alten Freundinnen, Bekannten, Verwandten vielleicht noch Arbeitskolleginnen abgesehen. Und wenn dich ein dir noch ziemlich unbekannter Mann gar ins Kino einlädt, meine Liebe, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass er etwas will von dir so ungefähr bei hundert Prozent. Das ist doch interessant, nicht? Und die gleiche Umfrage unter Frauen hat etwas ziemlich anderes ergeben. Also entweder sind Männlein und Weiblein da tatsächlich sehr verschieden, oder Frauen gestehen sich das weniger ein, verbergen das besser vor sich und dem anderen? Das kann ja auch noch sein vielleicht? Aus strategischen Gründen sozusagen. Wir wissen ja nun beide, dass Frauen in diesen Dingen die unendlich besseren Strategen sind, nicht wahr?“

Sie: „Da ist er wieder der arrogante Fatzke. Nein, mein Lieber, wir beide wissen das nicht. Ich weiß überhaupt viel weniger als du. Ich kann halt auch nicht auf derlei fundierte Umfragen zurückgreifen. Apropos: hast du dir schon die Frage gestellt, ob die Befragten deiner Umfrage repräsentativ sind? Dein Freundeskreis hast du gesagt. Gleich und gleich gesellt sich gern, sag ich da nur.“

Er: „Ok, na schön. Eins zu Null für dich. Geh du also weiterhin mit den blausten Augen der Welt ins Kino mit Hinz und Kunz solange sich gleich und gleich gerne gesellen.“

Sie: „Du angriffiger kleiner Besserwisser. Ich mag das irgendwie an dir. Das ist ein lustiges Spiel. Aber mit Hinz und Kunz ins Kino geh ich sowieso nicht. Und warum ich mit dir schon beim ersten Mal ins Bett gegangen bin, das hat die Strategin vorher überhaupt nicht gewusst. Nachher dafür weiß die das ganz genau. Ich hab dir ja schon gebeichtet, dass diese Nacht etwas gemacht hat mit mir... Du bist ein guter Liebhaber.“

Er: „Es gibt keine guten Liebhaber. Das ist ein Mythos mit dem ein für allemal aufgeräumt werden muss. Das sagt die Bachmann in Malina, so ähnlich halt. Und ich bin irgendwie ganz bei ihr. Weißt du, ich glaub, ab einem bestimmten Punkt ist das wirklich absolut nicht die Frage. Ab diesem Punkt ist alles ein Glück, ein Geschenk, etwas, das man nur empfangen kann, aber niemals machen. Die Idee vom guten Liebhaber ist doch, wie so vieles, ein Versuch des Menschen, den äußersten Dingen mit der Technik beizukommen. Das haut nicht hin. Wenn du als Mann nicht irgendwann ganz einfach vergisst, dass du ein guter Liebhaber sein willst, dann wirst du nicht zu den letzten Geheimnissen zugelassen.“

Sie: „Heißt das im Umkehrschluss, dass es auch keine schlechten Liebhaber gibt?“

Er: „Nein, das heißt‘s nicht. Vielleicht ist jeder Mann zunächst ein schlechter Liebhaber. Also ich war‘s bestimmt. Und jeder Mann hat hier bei den Frauen in die Lehre zu gehen. Was wiederum nicht heißt, dass jede Frau jederzeit zur Lehrerin taugt. Das heißt auch nicht, dass man irgendwann einmal ausgelernt hat oder so. Jedenfalls muss sich der Mann tunlichst um technische Fertigkeiten bemühen. Jede große Kultur hat das gewusst und entsprechende Lehrgebäude aufgestellt. Außer der christlichen, muss man sagen. Die hat das Thema entweder ins Mystische sublimiert oder in die Hölle geworfen. Eros hat sich das aber natürlich nicht gefallen lassen und sich zum Beispiel in die katholische Ikonographie eingeschlichen, wo es nur ging... Ich hab da eine büßende Magdalena von Tizian im Kopf grad, mit unglaublich schönen, schwellenden Brüsten über die ihr offenes, rotes büßendes Haar fällt. Pure Erotik! ... Im Osten sind die das direkter angegangen. Denk nur an Tantra zum Beispiel, das ja eine Form des Yoga ist. Da geht’s sehr viel um Fragen der Technik, der Atmung, der Kontrolle usw. Total wichtig, dass der Mann sich da selbst und auch das fremde Wesen Frau kennen lernt. Für mich jedenfalls war das fundamental. Als mir Susi irgendwann nach ein paar Monaten durch die Blume gesteckt hat, dass sie nicht zum Orgasmus kommt, ich schwör dir, da war bei mir Feuer am Dach! Danach hab ich alles, was nach Erkenntnis in dieser Hinsicht roch, was Hilfe versprach, gefressen. Natürlich war ich bald einmal mit einem Tantra-Lehrbuch bei Susi aufgekreuzt. Ich weiß noch, wie sie abgewunken hat, wie sie gemeint hat, dass eh alles total super sei, dass ich ja nicht glauben soll, dass sie etwa unzufrieden wäre etc. Aber für Beschwichtigungen war’s bei mir zu spät. Die darauffolgenden zehn, fünfzehn Jahre kann ich glaub ich ohne Übertreibung sagen, war mir nichts so wichtig, wie der selbst erteilte Auftrag, ein guter Liebhaber zu werden. Ich hab Bücher und Frauen verschlungen mit dem einen Ziel. Bis mir die große Eitelkeit, die da drin steckt, langsam aufgegangen ist. … Jetzt möchte ich oft gern vergessen können, dass ich ein 'guter Liebhaber' geworden bin... Ich möchte lernen, das zu vergessen, ja.“

lange Pause...

Sie „Darf ich dich noch was dazu fragen?“

Er: „Nur zu!“

Sie: „Wie willst du das anstellen, zu vergessen, dass du ein guter Liebhaber geworden bist? Die Frauen werden dir nicht gerne helfen dabei.“

Sie lacht laut auf

Er: „Ja, da wirst du recht haben. Vielleicht muss ich ins Kloster dazu und es dort langsam vergessen. Diese Mönchssehnsucht, die trag ich eh schon lang in mir rum.“

Sie: „Das schieben wir noch ein bisschen auf, nicht wahr? Aber im Ernst jetzt, das sagst du doch nur so daher, oder?“

Er: „Nein, überhaupt nicht. Diese Sehnsucht gibt’s wirklich. Aber ist mir eigentlich unangenehm darüber zu reden. Das mach ich irgendwann und dann red ich auch gern davon. So läuft‘s doch auf reine Koketterie hinaus. Der Mann, der sich interessant macht, weil er sich vorstellen kann auf die Weiber zu verzichten. Das ist doch abgeschmackt.“

Sie: „So siehst du das.“

Er: „Ja, so seh ich das. ... Aber mir ist mittlerweile was eingefallen zu deiner Bemerkung, dass mir die Frauen bei meinem Vorhaben nicht gerne helfen werden. Das hast du nämlich ganz gut gesagt, aber ich möcht‘s noch ein bisschen anders drehn. Selbst wenn sie’s nicht gern tun werden vielleicht, muss ich sie doch einladen, es mit mir gemeinsam zu tun, mir dabei zu helfen. Und dass sie’s nicht gern tun, hängt glaub ich wiederum mit mir zusammen, nämlich so, dass ich’s nicht gern vergesse. Da steckt von beiden Seiten viel Eitelkeit und Geschmeichelt-werden-Wollen drin, glaub ich. Vielleicht muss ich auf eine Frau treffen, die ihrerseits vergessen lernen will, dass sie einen guten Liebhaber im Bett haben möchte.“

Sie: „Ich muss jetzt eh nicht alles verstehen? Aber irgendwie ist mir plötzlich ein Wort eingefallen. Du sagst mir ob das hierher passt, ok? Orgasmusschwierigkeiten.“

Er: „Ach Gott, ja, der weibliche Orgasmus. Was der uns armen Schweinen nicht schon für unglaubliches Kopfzerbrechen bereitet hat. Also uns Männern jetzt versteht sich. Sicher den Frauen auch, aber ich glaub fast weniger. Du willst also jetzt von mir hören, was ich davon halte, weiß, in Erfahrung bringen konnte? ... Ja das passt wahrscheinlich schon ganz gut hier her.“

Sie: „Na also, leg los!“

Er: „Also, da bist du jetzt an den Experten geraten. Ich glaub in Mitteleuropa reicht mir da keiner das Wasser. Ich weiß alles. ... Ich weiß nichts. Du hast vollkommen recht, irgendwie ist da ein ganz, ganz enger Zusammenhang. Ich könnt‘s so formulieren: damit, dass ich vergessen will, ein guter Liebhaber geworden zu sein, geht Hand in Hand die Erkenntnis, dass ich immer weniger sagen kann, sagen will zum großen Thema O... . Ich bin noch lange nicht so weit, aber mit all dem, was ich mir da an Wissen darüber, an Erfahrungen, an Lügen, an Wahrheiten, an intimsten Geständnissen von Frauen, mit denen ich intim gewesen bin angehäuft habe, möchte ich die ganze Frage nach dem O... am liebsten im Ozean des Vergessens versenken. ... Das müsste ungefähr so sein wie die höchste Stufe im Yoga. In der äußersten Konzentration auf das Ziel der Erleuchtung noch dieses Ziel als Ziel vergessen. Ich sag nur so viel. Dass da ein Wort ist, das nach physiologischen Kriterien etwas als zweifelsfrei feststellbar beschreibt und benennt, was dann als Ziel, als Notwendigkeit, als zu erbringende Leistung, quasi als sexuelle Doktrin ausgegeben und geglaubt, angestrebt wird, ist eigentlich eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes. Es gibt nicht vieles auf dieser schönen Erde mit dem so viel Missbrauch, Schindluder betrieben wird. Wir darunter Leidenden müssten her gehen und das Wort verbieten! Zurück gehen, ich weiß nicht wohin, in selige vorsexuelle Zeiten, wo es noch 1000 und ein Wort dafür gegeben hat und also keins. Als Mann könnte man anfangen sich vorzunehmen, dass einem der O... der Frau und der eigene total am Arsch vorbei gehn. ... Aber ich bin natürlich ganz und gar ungerecht jetzt meinen eigenen und fremden, mir mitgeteilten Gedanken und Erfahrungen gegenüber. Die waren schon schwer notwendig dafür, dass ich jetzt so über den Orgasmus denke. Zu früh darfst den nicht vergessen wollen.“

Sie: „Dafür, dass du dir vorgenommen hast, immer weniger darüber zu reden, bist jetzt ganz schön in Feuer geraten, mein Lieber! Der hat dich offenbar wirklich schon ziemlich intensiv beschäftigt, sag mal! Und wenn ich nicht schon mit dir geschlafen hätte, dann müsste ich schwer annehmen, dass du ein ordentliches Orgasmusproblem hast, so viele schöne, heiße und kluge Worte, wie du darauf verwendest, ihn abschaffen zu wollen.

Die Frau lacht...

Aber sag mir noch, was das für ‚vorsexuelle Zeiten‘ sein sollen, denen du nachweinst? Sex, hätt ich jetzt gemeint, hat‘s doch immer schon gegeben seit Adam und Eva. Also die Zeit vor dem Sex kannst du nicht gut meinen, was aber dann?“

Er: „Den Begriff Sexualität und was alles damit einhergeht, den gibt’s noch gar nicht so lang. Das ist was Neuzeitliches. Und erst seit damals hat sozusagen die Vermessung dieses weiten Landes begonnen. Die Griechen, die Römer, von mir aus die Westgoten, hatten alle noch keine Sexualität. Primitive Völker sind bis heute unbehelligt davon.“

Sie: „Wie meinst du das, ‚die Griechen hatten keine Sexualität‘? Also soviel ich weiß, ging’s da ziemlich rund. Die Mythen sind jedenfalls voll davon. Nicht zuletzt dein Freud greift darauf zurück und mitten ins volle, wie mir scheint. “

Er: „Es ist ein für uns Sexualgeschädigte kaum mehr begreiflich zu machender Unterschied, ob ich Sex habe oder ob der Gott Eros mich hat, über mich kommt. Da ist nicht nur ein Wort für ein anderes eingesetzt worden.“

Sie: „Ich beginne zu begreifen, wovon du redest. Das passt irgendwie zu deinen schrägen Ansichten zur Verhütungsfrage. Und es passt irgendwie zu deiner Art zu vögeln, wenn ich mir das Kompliment erlauben darf. Wobei ich jetzt wahrscheinlich nicht mehr vögeln sagen darf sondern ... überschatten oder so.“

Die Frau lacht laut auf ...

Sie: „Jetzt, wo ich weiß, dass mir mit dir Gott Eros ins Bett kommt, kann ich gern auf den guten Liebhaber verzichten.“

Er: „Ja, aber pass auf du, vielleicht bin ich ja nur ein bocksbeiniger Satyr, der Philosophie studiert hat und Rhetorik, damit er unvorsichtigen Göttinnen an die Wäsche kann. Denk nur an meine starke Körperbehaarung! Hast du schon einmal einen Amor mit Brustbart gesehen?“

Der Satyr und die Göttin sahen sich tief in die Augen und lächelten beide unverschämt dabei.

6
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Margaretha G

Margaretha G bewertete diesen Eintrag 24.04.2018 06:54:55

Fischer Horst

Fischer Horst bewertete diesen Eintrag 23.04.2018 23:46:19

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 23.04.2018 23:43:50

Petra vom Frankenwald

Petra vom Frankenwald bewertete diesen Eintrag 23.04.2018 21:20:17

Tourix

Tourix bewertete diesen Eintrag 23.04.2018 20:13:48

Zaungast_01

Zaungast_01 bewertete diesen Eintrag 23.04.2018 16:13:58

9 Kommentare

Mehr von Peter Fuchs