Das Imperium der Märkte schlägt zurück

Es war die Reaktion auf pure Budgetnöte und nicht der geplante, längst überfällige Bruch mit der Übermacht der Finanzmärkte, dass Finanzminister Schelling wenigstens Teile des Milliardenschadens aus der Pleite der Hypo Alpe Adria (HAA) den Anlegern statt den Steuerzahlern umhängte.

Jetzt schlägt das Imperium der Märkte zurück. Deutsche Politiker und Medien erklären Österreich in einer Propaganda-Offensive zur „Bananenrepublik“ oder zum „Mini-Griechenland in den Alpen“. Das konservative Magazin „Focus“ sieht gar „das Finanzsystem im Wanken“, weil die Anleger nicht mehr an Staatsgarantien glaubten.

Tatsächlich, ins Gerede kommt die risikobefreite aber hochprofitable Spekulation der Märkte, die im Bedarfsfall zulasten der Steuerzahler abgewickelt wird. Ins Wanken kommt die uneingeschränkte Macht der Finanzindustrie, vor der selbst die deutsche Kanzlerin Merkel mit der schrecklichen Formel von der „marktgerechten Demokratie“ kapitulierte.

Im Kleinen ist die HAA-Pleite ein Lehrbeispiel für die kecke private Spekulation auf Kosten der Allgemeinheit.

Kein Anleihezeichner konnte den Irrsinn übersehen, mit dem die HAA ihre Bilanzsumme binnen 8 Jahren mehr als Verdreifachte. Niemand in der Finanzwelt konnte ernsthaft glauben, dass das kleine Bundesland Kärnten Haftungen für die HAA in zwölffacher Höhe des Landesbudgets je stemmen könnte. Und dennoch haben sie mit ordentlichen Risikoaufschlägen belastete Milliarden Anleihen gezeichnet und Kredite gegeben. In der Sicherheit, dass am Ende halt der österreichische Steuerzahler für den Kärntner Größenwahn gerade stehen würde.

Dass diese Rechnung jetzt im vergleichsweisen Mini-Fall HAA beziehungsweise ihrer Abwicklungsgesellschaft HETA nicht aufgeht, rüttelt tatsächlich am globalen Geschäftsmodell der Privatisierung der Gewinne und der Sozialisierung der Verluste.

Die HAA ist ja kein Einzelfall. Im ungleich größeren Maßstab haben die Märkte Staaten wie Griechenland mit teuren Krediten und Anleihen zugeschüttet, deren normale Refinanzierung kein ernsthafter Banker oder Anleger erwarten durfte. Mit hemmungsloser Spekulation ohne reale Basis haben sich globale Player der deregulierten Finanzindustrie zu Risiken verstiegen, die ab der Finanzkrise 2008 von den Staaten und ihren Bürgern abgefangen werden mussten. Weil der Zusammenbruch der Finanzmärkte sonst die Welt und ihre reale Wirtschaft in eine unabsehbare Krise gestürzt hätte.

Der turbokapitalistische Kreislauf ist atemberaubend und von geradezu unfassbarem Zynismus: Erst verdienen sich die Finanzkonzerne mit ihren Spekulationen - auch, aber nicht nur mit Staaten - dumm und dämlich. Dann lassen sie sich aus ihrer Krise von Staaten retten, die das dafür nötige Kapital erst wieder auf den Märkten ausborgen müssen. Jetzt setzen dieselben Märkte diese Staaten unter Druck, weil ihre Staatsschulden so gestiegen sind. Und ihre Herolde beklagen lauthals eine Staatsschuldenkrise, die wieder mit Sparprogrammen zulasten der Bürger zu lösen sei.

Noch ist viel zu wenig geschehen, um die Dominanz der Finanzmärkte zu brechen. Mit ihrer unbegrenzten Lobby-Kraft haben Finanzinstitute verhindert, dass die richtigen politischen Reformpläne von 2008/09 für  ihre Reduktion auf ein demokratieerträgliches Maß umgesetzt wurden. Im kapitalistischen Herzland USA hat sich die Finanzwelt über hunderte Millionen Wahlspenden die Politik im Senat und in der Administration regelrecht gekauft. Die weltweit größte Demokratie gleitet in eine Plutokratie, die Herrschaft des Geldes, ab.

So bleibt es Aufgabe der Europäer, endlich wieder für „demokratiegerechte Märkte“ zu sorgen. Dass Staaten nicht mehr grenzenlos für die Risiken der Märkte einstehen, ist ein wesentlicher Teil davon.

So gesehen ist Österreich mit seiner Lösung für die kleine HETA ein Vorreiter. Und ein ungeplanter Testfall für  eine neue Machtverteilung zwischen demokratischer Politik und kapitalistischen Märkten.

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Dieter Knoflach

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Bernhard Juranek

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