Man schreibt heutzutage kaum noch Briefe. Vor acht Jahren schrieben seine Vorgänger Gusenbauer und Faymann noch devot an den Herausgeber der Kronenzeitung und gelobten die von Dichand senior verlangten EU-Volksabstimmungen. Christian Kern korrespondiert mit dem Boulevard und dem jungen Dichand papierlos und kündigt eine Abstimmung der SPÖ-Basis über den von der Krone per Kampagne bekämpften Freihandelsvertrag CETA an.

Mag sein, dass der neue Parteichef damit auch Bewegung in seine verschlafene Partei bringen will. Mag sein, dass ihn auch ein persönlicher Hang zum Aktionismus treibt.

Entscheidender Fakt ist, dass Bundeskanzler Kern damit die unheilvolle Büchse des Populismus geöffnet hat.

Der gut 2.800 Seiten lange, höchst komplexe Freihandelsvertrag zwischen EU und Kanada ist nach allen bisherigen demokratiepolitischen Maßstäben geradezu ein idealer Beleg für die repräsentative Demokratie: Das Volk beauftragt per Wahl seine politischen Vertreter, politische Entscheidungen zu fällen. Je komplexer die Themenstellung, desto berechtigter diese Delegation der Entscheidungen.

Dass Kern die Entscheidung über das komplexe Thema CETA auf fünf banale Fragen mit sehr errechenbaren Antworten herunterbricht, macht den blanken Populismus nur noch deutlicher.

Die Folgen sind absehbar:

- Wie kann die Staatspartei SPÖ künftig noch irgendwie glaubhaft dem Populismus der FPÖ entgegnen, die für alles und jedes Volksabstimmungen verlangt, weil sie von permanenter Moblisierung profitieren und insgesamt die repräsentative Demokratie aushöhlen will?

- Wer soll dem Kanzler glauben, dass es ihm bloß um eine "Debatte über ein komplexes Thema" geht, wenn er gleichzeitig verkündet, dass man die Abstimmungsergebnisse nicht "kübeln" werde.

- Wie anders, denn als "Diktat der EU" werden es Kritiker und Gegner der Union empfinden und vernadern, wenn Kern mit dem Nein seiner Genossen in den Brüsseler Gremien mit Sicherheit abblitzt?

Wie immer man es dreht und wendet: Christian Kern hat mit dieser Idee sich und der Republik einen schlechten Dienst erwiesen.

Ein viel zu hoher Preis für das Wohlwollen des Boulevards.

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mike.thu

mike.thu bewertete diesen Eintrag 07.09.2016 03:08:48

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 05.09.2016 23:38:52

Stefan Schett

Stefan Schett bewertete diesen Eintrag 05.09.2016 16:46:10

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