Die Christbäume steckten im Schnee des Hinterhofes, damit sie frisch bleiben, sagten die Altvorderen, nicht gleich am Christtag wie ein Skelett dastehen. Ein kleiner toter Wald im beschneiten und dennoch tristen Hinterhof.

Unser Christbaum stand noch nicht dabei, irgendwer hatte meiner Mutter eingeredet, wenn sie am Heiligen Abend mittags um einen Baum ginge, wäre er weitaus billiger. Sie ging und kam mit einer Fichte zurück, die so aussah als hätte ihr der Verkäufer noch Geld fürs Mitnehmen gegeben, aber es war unser Christbaum.

Ich hatte schon die Schokoladestücke unter dem Bett hervorgeholt, den Glasschmuck vorbereitet. Dann kam das Kreuz mit dem Kreuz. Vergangene Weihnacht war es zu klein, der Baum wurde zugeschnitzt, diesmal war es zu groß, also Keile hinein, Keile schnell aus dem Unterzündholz zugerichtet und endlich hielt der Baum mit einer leichten Vorlage. Zur Sicherung bekam er eine bunte Schnur, die wiederum am Fensterriegel angebunden wurde. Die Hakerln waren vom Vorjahr und fest ineinander verstrickt und verheddert, eines herausziehen war in etwa so wie eine Glaskugel unter der Kredenz hervorzuholen, langwierig und langweilig. Inzwischen war das Feuer in dem kleinen Ofen herabgebrannt, bekam zwei Schaufeln Koks, ein paar Rüttler am Rost und natürlich war die Aschenlade voll.

Mutter ging, sie hatte keine Freude mehr am Christbaumschmücken, sie ging, nahm sich ein Glas Oggauer Stierblut und setzte sich in die Küche. Ich war emsig am Aufhängen der Christbaumstücke, oben die Guten und unten die Einfachen, überall dort hingen die Schokostücke, wohin mein Bruder greifen konnte, aber die gefüllten Stücke, die mit Nougat hängte ich hoch. Na ja fein war es nicht, aber ich hatte sie mir erarbeitet, etliche Säcke Koks getragen, die paar Schillinge für die Christbaumstücke ausgegeben. Eine Schokotrompete zerbrach, das war eine Gelegenheit die Schoko zu kosten und ich wusste schon, nach Weihnachten werden die Zähne schmerzen und ich muss wieder zum Dentisten und der wird auf mir lehnen und bohren. Die Schoko schmeckte nicht besonders, war es die Rezeptur oder die Aussicht auf den Dentisten, was wusste ich schon.

Ich beeilte mich, draußen war es schon dunkel und ich hatte es gerne, wenn alles so bald wie möglich stattfand. Dann kam das alte Tischtuch vor die Glasscheibe der Verbindungstür, das Christkind wollte nicht gesehen werden, auch gut, war ja elf Weihnachten so und ich wusste es wie alle anderen auch, es gibt kein Christkind. Selbst der fette Josef in meiner Klasse, der immer alle Reste fraß und unsäglich dumm war, selbst der wusste Bescheid.

Nach einer Stunde Schneeschaufeln, die Pflicht der Hausbesorgersöhne, bekam ich heißen Malzkaffee, ein kleines Brot und wartete auf meinen Bruder, auf das Christkind, auf die Frankfurter nach der Bescherung, genau in dieser Reihenfolge, und dann verschwand Mutter in das einzige Zimmer, das wir hatten.

Die Tür ging auf, die zur Wohnung und Tante Minna kam mit zwei Paketen herein. Für uns armen Kinder, gut reich waren wir nicht, aber dass sie sagte, und das hat das Christkind bei mir abgegeben, fand ich ziemlich kitschig. Mutter kam aus dem Zimmer, flüsterte mit ihr, trug dann die Pakete in das Zimmer, zwei Minuten später läutete die Glocke und das Christkind war wieder einmal davon geflogen, niemand wusste, wie das Christkind aussieht, vielleicht besser wenn man es nicht sieht.

Ich machte meine Pakete auf, dreimal Karl May, herrlich, am liebsten wäre ich ins Bett gekrochen, hätte die kleine Bakelitleselampe angemacht und geschmökert. Aber es waren ja noch die Würstel zu essen und weitere, genauer drei, Pakete aufzumachen. In einem war ein blauer Pulli, dasselbe Blau, welches meine verschollene Weste hatte, so kam sie wieder mit einem dunkelblauen Bündchen. Und das Christkind von der Tante hatte mir einen Anorak gebracht, nicht neu, nein, von einem anderen Neffen, dem er nicht mehr passte, egal, er war warm gefüttert, ließ kein Wasser durch, Second Hand, was soll’s, Hauptsache dienlich. Die Würstel waren wie immer, die Semmel zäh, der Abend schon wieder vorbei und mein Bruder lärmte mit seinen Spielzeugbus durch das Zimmer.

Oh du selige, was denn eigentlich?

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 22.12.2016 00:25:26

Mona Loga

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