Darf man Erdogan-Fans einfach abschieben?

shutterstock/thomas koch

Seit dem Putschversuch in der Türkei ist in Österreich und Deutschland die selbe Diskussion im Gange. Okay, nicht in ganz Österreich und Deutschland. Sie beherrscht nicht den medialen Diskurs. Aber sie beherrscht die Kommentarspalten, die Stammtische und auch die Parallelwelt auf Twitter. Nachdem in der Nacht des Putsches einige Austro- und Deutsch-Türken dem Ruf ihres Herrschers folgten und auf die Straßen gingen – auch, wenn das mitten in Wien oder Berlin wenig bewirken mag –, stellt sich die Frage: Was tun wir mit den Erdogan-Fans in unserem Land?

Dringend wird das erst, seit in Österreich am Samstag eine Veranstaltung der Linkswende total nach hinten losgegangen ist. Um Solidarität mit der Türkei zu zeigen, gingen mehrere Linke auf die Straße – und mehrere Türken marschierten mit. Das ist erstmal naheliegend und nichts Schlechtes, da sie und ihre Angehörigen ja betroffener sind als die meisten. Aber dass türkische Nationalisten hinter „Stoppt den Faschismus“-Schildern mitwandern dürfen, ist schon besonders absurd. Und das zeigte sich daran, dass die Türken ein Lokal in einer Einkaufsstraße angriffen – wegen eines kurdischen Besitzers. Das ist eindeutig ein Problem.

Und das beschäftigt natürlich auch Österreicher. Dass Menschen, die teilweise in zweiter oder dritter Generation hier sind, „Allahu Akbar“ rufen und ein Geschäft stürmen, ist Zeichen einer verfehlten Integration. Und dass sie das alles für Erdogan tun – einen demokratisch gewählten, aber zunehmend autoritären Herrscher – macht das Ganze nicht besser. Da rutscht so manchem schnell der Gedanke nach bequemer Abschiebung raus.

Rudi Fussi https://twitter.com/rudifussi/status/754786564836917250

Das wäre natürlich absolut falsch. Jemanden allein aufgrund seiner politischen oder religiösen Einstellung abzuschieben, verträgt sich nicht mit der Vorstellung einer liberalen Gesellschaft. Nicht mal mit der Demokratie: Diese basiert auf Pluralismus. Vielfalt der Meinungen und die Freiheiten, diese auch zu äußern. Insofern ist es noch kein Problem, wenn man Erdogan gut findet. Man kann die Einstellung belächeln oder scheiße finden, man kann sie diskutieren, aber nicht verbieten. Genauso, wie wir es auch mit FPÖ- oder Grünwählern oder sonstigen persönlichen Feindbildern machen.

Außerdem liegt das Problem ja gar nicht bei der politischen Präferenz dieser Leute. Man kann Erdogan mögen, aber trotzdem friedlich mit anderen zusammenleben. Schlimm ist nur, wenn die Fans des türkischen Präsidenten sich in Österreich organisieren – und schon jungen Türken sagen, wer ihre Feinde sind. Wenn Teenager schon mitbekommen, dass „ihr“ Präsident eh so super und die Kurden, Gülen, Israel und die Terroristen das Böse sind, ist es nicht verwunderlich, dass sie dieses Aggressionspotential entwickeln.

Das legitimiert es nicht – aber das Problem kommt halt nicht von der politischen Einstellung, sondern von der Indoktrinierung. Und die kann auch schon durch türkischen Medienkonsum erfolgen. Eine Parallelgesellschaft setzt das noch gar nicht voraus.

Natürlich ist die Tendenz zu einem autokratischen Herrscher bedenklich. Aber sie liegt im Rahmen des Legalen. Solange die türkischen Erdogan-Fans in Österreich und sonst wo nicht daran arbeiten, hier die türkischen Zustände herbeizuführen, die Demokratie nicht aushöhlen wollen und nicht Kurden angreifen, weil sie Kurden sind, ist das nicht mehr als eine Marotte. Das hält eine Demokratie schon aus.

Genauso wenig, wie jeder FPÖ-Wähler ein Rechtsradikaler ist, der bei Demos die rechte Hand hebt und Flüchtlingsheime anzünden will, ist jeder Erdogan-Fan ein gewaltbereiter Mensch, der Kurden angreifen will. Es wäre absolut falsch, Erdogan-Anhänger einfach aufgrund ihrer politischen Ansicht abzuschieben. Ein solches Verhalten würde Österreich um nichts besser machen als andere Diktaturen.

Viel eher müssen wir das Integrationsproblem erkennen, das auch bei vielen jungen Türken immer noch da ist. Migranten sind am Arbeitsmarkt besonders benachteiligt - sei es wegen mangelnder Sprachkenntnisse oder wegen Rassismus. Wenn man keine Perspektiven oder Ansprechpartner abseits der "eigenen" Community hat, geht die Radikalisierung viel leichter. Vom Nichtstun kommt man auf blöde Gedanken.

Es muss also auch darum gehen, jungen Migranten die Chancengleichheit zu geben, die sie brauchen. Das wird nicht alles lösen - aber es wird dabei helfen, dass sie sich in die Gesellschaft einfügen können. Und respektieren, dass man nicht mitten in Wien auf andere losgeht, weil sie Kurden sind. Ob Erdogan-Anhänger oder nicht, macht dann gar keinen so großen Unterschied mehr.

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

11 Kommentare

Mehr von Stefan Schett