Sie nannten mich verrückt, geistesgestört und irre. Ich wurde beäugt, begutachtet und diagnostiziert. Sie gaben mir einen Stempel und nannten es Krisenintervention. Sie fütterten mich mit bunten Pillen und versicherten mir, dass bald alles wieder gut werden würde. Man sei hier, um mir zu helfen. Ich müsse mich mal ausschlafen. Mehr auf mich schauen. Lernen, nein zu sagen. Die Bilder, sie würden bald verschwinden … Bilder, die ich nicht sehen durfte. Es war alles eine Lüge. Sie alle haben mich nur angelogen.

Ja, verdammt … Heute. Ich kann mich erinnern. Mehr als das. Ich kann sehen. Ich sehe Bilder, die mir bislang verborgen blieben. Bilder, die ich nicht sehen durfte. Damals. Bilder, die ich jetzt sehen darf. Heute.

Danke. Vielen herzlichen Dank auch. Ich bin gesegnet. Amen und danket dem Herrn.

Ja, ich sehe sie: diese Kreaturen mit ihren hässlichen Fratzen. Sie verstecken sich hinter dichtem Nebel und schneiden Grimassen, als ob irgendetwas ihre grässlichen Gesichter verunstalten könnte. Ihre unförmigen Körper sind ekelerregend. Als scheinbar ungefährliche Schatten huschen sie im Regen umher. Sie berühren meine Schulter, pusten mir ins Ohr. Sie schubsen mich. Sie …

Weißt du, wovon ich rede? Was ich meine?

Du denkst, da ist ein Schatten? Du denkst, da bewegt sich etwas? Du kannst ihre Blicke spüren. Du drehst dich um. Doch da ist nichts.

»Reingelegt.«

Manchmal kommen sie mit nach Hause. Ja, auch zu dir. Und wenn es ihnen bei dir gefällt, bleiben sie. Sie nisten sich in den Ecken deines Zimmers ein. Du ahnst, dass irgendetwas nicht stimmt. Deine Augen sehen. Deine Ohren hören. Deine Seele weiß es. Doch Dein Gehirn sagt: »Nein.«

Sie sind schnell. Immer schneller als du. Wie schnell du dich auch umdrehst, sie haben sich schon längst versteckt. Unter deinem Bett, in deinem Kleiderschrank. Sie sind hinter dir. Was ist das für ein Fleck im Spiegel? Vielleicht stecken sie hinter dem Vorhang. Du starrst den Vorhang an. Ja, da bewegt sich etwas. Ich bin ganz sicher. Diesmal bin ich mir sicher. Nein, es ist ganz sicher der Wind. Es ist immer der Wind.

Es hört einfach nicht auf. Du wirkst gehetzt. Jemand verfolgt dich. Du versuchst, dich mit fadenscheinigen Gründen zu beruhigen. Suchst krampfhaft nach Gründen und Ausreden. Zu wenig Schlaf. Zu viel Schlaf. Stress. Probleme. Überforderung. Schimpfst dich einen Narren. Du denkst, deine Gedanken spielen dir einen Streich. Nein, nicht deine Gedanken wollen spielen. Sondern SIE.

Sie, die Kreaturen, die du aus der Schattenwelt mitgenommen hast. Unbemerkt. Ohne es zu ahnen. Still und heimlich haben sie sich an deine Fersen geheftet.

Damals, …

Mit Bild von der wundervollen Bianca Maria Samer http://bibi.ougenpeyn.de/

1
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Erkrath

Erkrath bewertete diesen Eintrag 05.04.2016 07:09:46

2 Kommentare

Mehr von Svea Kerling