Das Nibelungenlied aber - merkt auf! - beginnt so:

Uns ist in alten mæren wunders vil geseit

von helden lobebæren, von grôzer arebeit,

(Uns wird in alten Erzählungen viel Wunderbares berichtet

von berühmten Helden, großer Mühsal,)

Ich muß gestehen, daß ich keinen grünen Daumen habe, noch nicht mal zwei linke. Blumen verwelken mir im Topf, obwohl ich sie gieße, vielleicht zu selten, vielleicht zu oft, Kakteen etwa und sogar gelegentlich dünge, vielleicht zu selten.

Seit einigen Jahren wohne ich in einer Etagenwohnung und der Garten ist für mich kein Problem mehr, um den kümmert sich der Hausmeister. Pflanzen in der Wohnung habe ich keine, ich bin so sensibel, ich will keiner Pflanze meine Pflege [1] zumuten.

Dann aber, es ist inzwischen auch schon wieder 1 Weile her, kam mein Sohn auf die Idee, mir eine Palme zu schenken. Eine Palme genau dieser Art hatten wir seinerzeit in Italien in einer größeren Variante vor dem Haus stehen.

Die Palme vor dem Haus war bereits die Bonsai-Variante einer dieser Palmen, die man in Süditalien überall herumstehen sieht, nun also die Bonsai-Variante dieser Bonsai-Palme. Im Prinzip bereitete mir die Palme kaum Ungemach, ich stellte sie auf den Balkon, ab und zu ein bisserl gießen und im Frühjahr die alten Zweige abschneiden, mehr brauchte es nicht. Ach so, ja, im Winter muß ich auf das Thermometer schauen, wenn Frost droht nehme ich die Palme rein in's Zimmer.

In diesem Frühjahr aber wollen die Zweige nicht und nicht größer werden, so richtig grün sind sie auch nicht. Die Diagnose ist klar: Der Blumentopf ist zu klein geworden und ein bisserl Dünger wär wahrscheinlich auch nicht schlecht. Wochenlang schiebe ich die Aktion vor mich her, mir graust es vor der Arbeit. Dann aber bin ich im Waschsalon und hab nur einen Fünfziger einstecken, den der Automat aber nicht annimmt. Im Laden rechts neben dem Waschsalon weigert man sich, mir den Schein zu wechseln, links daneben ist ein Blumenladen- Ich also rein und geschaut, welche Kleinigkeit ich kaufen könnte. Eine Pflanze im Topf will ich auf keinen Fall nehmen, noch eine Pflanze, das hätte mir gefehlt. Ich frage nach einem Blumentopf und bekomme ihn, dann noch ein bisserl Blumenerde. Und Dünger, Dünger natürlich auch.

Mit sauberer Wäsche wieder zuhause tue ich zunächst gar nichts. Tagelang. Mir graust es immer noch vor der Arbeit. Dann aber spricht die Palme mit verröchelnder Stimme zu mir, ihr sei es zu eng und sie lechze nach Dünger. So grausam will ich denn doch nicht sein, ich fasse mir also ein Herz und topfe die Palme um. Auf der Packung mit den Düngestäbchen steht, man solle umgetopfte Pflanzen erst nach drei Wochen düngen. Der Termin steht in meinem Kalender.

Nein, das wird keine Liebesgeschichte zwischen mir und der Palme. Aber es ist das Heldenepos von einem, der in die Abgründe menschlicher Existenz hinabgestiegen ist, um eine Palme zu retten. Und nächstes Jahr rette ich dann den Tropischen Regenwald, falls ich bis dahin ausreichend Blumentöpfe und Düngestäbchen finde.

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[1] Für die nördlicheren Mitleser: "...ich will keiner Flanze meine Fleje zumuten".

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