Von Brandenburgern und anderen Toren

Ich habe der Corona-Pandemie viel zu verdanken. Von ihr kam der Lockdown und von diesem wiederum die Videokonferenz. Zuvor hatte ich zweimal im Jahr von Regensburg aus nach Berlin zur Fortbildung fahren müssen. Nötig wäre das zwar nicht gewesen, das bißchen Neues Wissen, das noch in mein Hirn reingeht, hätte man mir auch in einer SMS mitteilen können. Aber ohne die brav abgesessenen 16 Fortbildungspunkte hätte die Bundesanstalt für Straßenwesen in Bergisch Gladbach meine Akkreditierung als Kursmoderator für verkehrspsychologische Seminare mit Rechtswirkung nicht jedes Jahr verlängert. Dann kam - wie gesagt - Corona und die Fortbildung lief online. Heute ist sie eine sogenannte Hybride Veranstaltung, ein paar Freaks kommen direkt aus Brandenburg geradelt, der Rest sitzt zuhause und läßt es sich wohlsein.

Damals aber mußte ich regelmäßig in diese merkwürdige Ortschaft zwischen Potzdamm und Polen fahren, meist mit dem ICE, zweimal auch mit dem Flix-Bus, Gott sei's geklagt. Jedes Mal, wenn ich dort war fühlte ich mich bedroht, ich konnte die Hand nicht von meiner Smith & Wesson lassen.

Die stete Bedrohung machte mich aggressiv, die aggressive Grundstimmung führte dazu, daß ich mich des öfteren an einem Berliner vergriff.

Mein Partner Jerry Kottan meinte, diese Aggressivität sei nicht gut für meine psychische Gesundheit. Ich sollte mir, so riet er, bei jedem Berlin-Besuch etwas Gutes und Friedsames gönnen. Was aber - jetzt wird's schwierig - hat Berlin schon zu bieten?

Das Brandenburger Tor, richtig, das hatte ich zuvor noch nie in echt gesehen. Das heißt, gesehen hatte ich es schon, aber damals stand noch die Mauer davor.

Ich also rininne S-Bahn und rausausse S-Bahn (1), dann stand ich davor.

"Oh, mein Gott", flüsterte ich entsetzt. "Ist das Ding mickrig." Und dieser sechszinkige Kamm ist nun das Wahrzeichen Deutschlands!

Wie war ich da froh, daß ich zwar Paßdeutscher, eigentlich jedoch Bio-Österreicher bin. Ich mein, da ist ja selbst der Großglockner noch größer (und glöckner, nota bene).

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(1) In mühsamem Selbststudium hatte ich die eigentümlich gurgelnde Sprache der Eingeborenen erlernt.

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