Nachbetrachtung der Silvesternacht: Was wir jetzt tun müssen

Wir müssen jetzt wirklich einmal Klartext reden. Wir müssen über verfehlte Integration sprechen, über Parallelgesellschaften, wir müssen sagen: es reicht. Wir kommen in die Redaktionen, klappen unsere Rechner auf, schreiben von Schande und stellen fest, dass die Lehrer zu lasch sind, die Richter zu milde und die Politiker blind, zumindest wenn es um den Umgang mit denen geht, die in allen Belangen nicht so sind wie wir. Es sollen aber trotzdem nicht alle über einen Kamm geschert werden, unsere Kinder sind ja ganz anders, die kommen in der Schule aber auch gut mit und die machen so etwas auch nicht. Oder jedenfalls lassen sie sich nicht erwischen, und wenn sie sich doch erwischen lassen, kann man in der Regel etwas deichseln. Aber darum soll es hier nicht gehen. Wir wollen keine Menetekel, wir wollen über die Täter nicht schweigen, denn davon profitiert doch nur die AfD. Wir wollen aber auch eklatante Missstände nicht nur mit Samthandschuhen anfassen. Oder unter den Teppich kehren. Wir müssen über den Hintergrund reden, die Herkunftskultur und natürlich über die Religion, über die besonders, denn dieser Hintergrund, diese Herkunftskultur, diese Religion sind unsere nicht und stehen der Integration bei uns sehr im Wege. Sehr.

Wir müssen sagen, was ist, denn die da sind nicht wie wir. Wir steigen vom Rad nach der täglichen Radtour, trinken Kaffee und essen Sahnetorte von unserem feinen Porzellan und fordern „Abschieben!“ für einen jungen Mann, den wir im Film bei etwas Verbotenem sehen. Und in den Redaktionen an den Laptops, die wir aufgeklappt haben, fordern wir, dass auch die abgeschoben werden, die wir auf den Filmen nicht bei etwas Verbotenem gesehen haben, die aber längst schon hätten abgeschoben werden müssen. Einfach, weil wir das meinen zu dürfen meinen und weil das auch der Polizeigewerkschaftler im Fernsehen fordert, genauso wie der andere, der blonde junge Polizeigewerkschaftler, der auch immer im Fernsehen auftaucht, während der Integrationsexperte davon spricht, dass die Integration derjenigen, die nicht so sind wie wir, gescheitert sei, was man ja erkennen kann, wenn man die Bilder sieht, die wir alle sehen, weswegen wir das auch alle erkennen. Und woran liegt das? Na, am Hintergrund, an der Herkunftskultur und an der Religion. Das wissen wir zwar längst, aber danke, dass Sie uns das bestätigen, Herr Integrationsexperte. Wir können Sie beruhigen: Sie werden nicht abgeschoben, zumindest im Augenblick nicht. Und in der Tür zum Studio steht schon der ehemalige Bezirksbürgermeister und Buchautor, der uns etwas über Parallelgesellschaften erzählen will. Wir sind schon ganz gespannt.

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