Warum Hunde anfälliger für Hitzschlag und Sonnenstich sind: Symptome und Maßnahmen

Ein ganz normaler heißer Tag in einer kleinen Stadt, die gerne Weltstadt wäre. Sommerliche dreißig Grad im Schatten, die Wettervorhersage (die sich meistens irrt) verspricht noch mehr. Alle freuen sich. Viele vergessen, dass sie Röcke oder Hosen im Kleiderschrank haben, und somit werden die Augen der wenigen, halbwegs artgerecht bekleideten Personen unerträglich strapaziert. Weiße Socken, Jesussandalen vom Discounter und schmerzhafte Einblicke in Dekolletees, die man niemals sehen möchte, oder auf krampfaderbedeckte blasse, stark behaarten Waden sind an der Tagesordnung.

Und dann die Hunde. Sie leiden. Sie leiden, weil man sie trotz Warnung durch die glühende Betonwüste zerrt. Zur heißesten Zeit. Neben dem Rad. Beim Joggen. Oder einfach nur so.

Nachdenken wird zu anstrengend. Liegt nicht nur an der Hitze.

Hundepfoten am heißen Asphalt verbrennen. Keinen interessiert‘s, die wenigsten bemerken es. Erst wenn der Hund humpelt. Manche ziehen die armen Tiere trotzdem unbarmherzig hinter sich her. Da müssen die eben durch!

dognet.de

Hunde, die in heißen Autos eingepfercht krepieren oder qualvoll dahinsiechen und in letzter Minute gerade noch gerettet werden können. Tierklinikaufenthalte, hohe Tierarztkosten. Darüber wird dann aber schon gerne gejammert. Das macht auch noch Scherereien, das doofe Vieh! Helfende Passanten, die für ihre Hilfestellung wüst beschimpft werden. Da kann man auch als Tierarzt daherkommen und aufklären, so oft man will, keine Chance! Beratungsresistente Hundehalter soweit das Auge blickt, erst „wenn er hin ist“, wird scheinheilig geweint. Dann kauft man sich halt einen neuen Hund. Oder ist ohnehin froh, dass man die lästige Plage endlich los ist. Weil jetzt kann man entspannt in den Urlaub fahren.

Hunde sind anfälliger als Menschen, wenn es um die Gefahr hoher und extrem hoher Temperaturen für den Körper geht.

Außerdem können sie sich nicht wehren. Schützendes Haarkleid wird ihnen oft abrasiert. Sie müssen nach draußen, ob sie wollen oder nicht. Weil der Mensch es so will und sein Wille ist Gesetz.

Hunde bekommen ganz leicht einen Hitzschlag oder einen Sonnenstich. Spielt aber offensichtlich keine Rolle.

Die sollen ruhig in der Mittagshitze rennen, die müssen gefälligst im Auto warten, wenn die Sonne unbarmherzig zuschlägt! Das härtet ab und Menschen ist doch auch heiß, oder?

Menschen können schwitzen, dazu haben sie ihr größtes Organ, die Haut.

Hunde schwitzen aber nicht über die Haut, sondern sie müssen hecheln, um ihre innere Körpertemperatur zu regulieren. Die paar Schweißdrüsen an den Pfotenballen werden zwar feucht, wenn sie stark unter der Hitze leiden oder sich aufregen, das allein reicht aber nicht aus.

Bindet man ihnen einen Maulkorb um, der sie daran hindert, ihre Zunge weit heraushängen zu lassen, zu hecheln oder ihr Maul überhaupt zu öffnen, können sie sich nicht abkühlen und sterben, wenn es heiß ist. (Sie sterben daran auch, wenn es nicht heiß ist, beispielsweise bei starker Aufregung.)

Was aber Tierbedarfshandelsketten überhaupt nicht im Geringsten daran hindert, das tierschutzwidrige und lebensgefährliche Ding, das den Namen Maulkorb nicht mal verdient, zu verscherbeln.

puprwear.com

Die erweiterte grausame Variante ist die Version mit der Nasenführung. Beides ist zwar laut Tierhaltegesetz verboten, weil "(5)...der Maulkorb der Größe und der Kopfform des Hundes angepasst und luftdurchlässig sein muss und dem Hund das Hecheln und die Wasseraufnahme ermöglichen muss."

Was den Verkäufern, gleich wie den Käufern, völlig schnuppe ist.

Schlimmer geht bekanntlich immer. So wird wenigstens auch gleich ein Genickbruch mit einkalkuliert.

Egal! Hitze! Hirn verloren!

Ist ja nicht der eigene Hals, der dabei gebrochen wird. Die großartige Liebe zum Tier endet meist, sobald sich herausstellt, dass es Ärger macht, nicht das tut, was Rex im Fernsehen eben so so tut, nicht das ewig anschmiegsame kuschelige handzahme Schoßhündchen ist, nicht mit Wurstsemmeln ernährt werden kann, sondern vielleicht ängstlich, zeitintensiv und laut ist. Und nebenbei auch noch eine Kleinigkeit kostet, vor allem, wenn man es mutwillig zerstört. Oder es etwas oder jemanden mutwillig zerstört.

Es gibt halt immer eine gute Ausrede für alles, was der Mensch macht. Man war nur eben fünf Minuten kurz auf der Toilette. Die zufällig im Freibad war? Der Hund dabei im glühenden Backofen Auto gefangen? Spielt keine Rolle! Kurz mal einkaufen beim Baumarkt? Auch egal! Oder der Hund bricht auf der Straße nieder und stirbt. Macht doch nichts! Man zerrt ihn hinterher! Und beschimpft die Helfer!

Hunde muss man hart rannehmen, womit auch die Verherrlichung von Millan & Co gerechtfertigt wird. Man darf sie, um sie zu beherrschen, züchtigen und drangsalieren, ihre Beschwichtigungssignale ignorieren (so man sie überhaupt als solche einordnen kann) und kann überhaupt mit ihnen tun und lassen, was man gerne möchte. Und die Welt schaut sprachlos zu.

Wie ensteht nun ein Hitzschlag beim Hund? Und was unterscheidet ihn vom Sonnenstich?

Ein Hitzschlag ensteht zum Beispiel, wenn der Hund im heissen Auto eingesperrt ist. Dazu reichen schon die berühmten fünf Minuten ab 20 Grad, auch wenn das Fenster einen Spalt breit oder halb offen ist. Bei Hunden mit Herzproblemen reichen schon weniger als 20 Grad aus. Die konstant vorherrschende hohe Temperatur überhitzt den ganzen Hundekörper, das Tier kann diese Überhitzung auch durch starkes Hecheln nicht mehr kompensieren, der Kreislauf versagt, der Hund stirbt. Das geht ganz schnell. Der Hitzschlag entsteht also durch sehr starke Erwärmung des gesamten Hundeorganismus. Dazu reicht ein Auto, das sich auch (im Schatten!) rasant auf 70 Grad aufheizt und für den darin eingesperrten Hund zur tödlichen Falle wird.

Der Unterschied zwischen Hitzschlag und Sonnenstich liegt am Ort der Hitzeeinwirkung.

Beim Sonnenstich wird nur das Gehirn überhitzt, wobei die Hitze direkt anhaltend auf den Kopf einwirkt, also beispielsweise bei einem Spaziergang mit dem Hund in der prallen Sonne. Ein Sonnenstich braucht, im Gegensatz zum Hitzschlag, auch oft gar nicht so hohe Umgebungstemperaturen, es reicht schon, wenn die Sonne direkt auf den Kopf und Nackenbereich des Hundes niederbrennen kann, um diesen auszulösen. Im Gehirn ensteht durch diese lokale Überhitzung schlimmstenfalls eine Gehirnblutung. Wenn Sie ein Fan von "Grey's Anatomy" sind, werden Sie sicher wissen, dass das den Tod für den Hund bedeutet, außer Sie haben McDreamy für Vierbeiner rechtzeitig bei der Hand, der das Drama abwenden könnte. Vielleicht. Was zudem sehr teuer wird, auch ohne Derek Shepherd und seine Crew. Weil ein Gehirn-CT kein Schnäppchen ist. Und Sie auch nicht so schnell eine Tierklinik finden werden, die so ein Gerät überhaupt hat.

Aber selbst Derek Shepherd könnte nichts mehr für Ihren geliebten Hund tun, wenn die oft vorkommende Kombination aus Hitzschlag und Sonnenstich eintritt. Nämlich wenn der Hund an einem heißen Sommertag auf glühend heissem Asphalt vor einem Geschäft in direkter Sonneneinstrahlung auf seinen geliebten Menschen warten muss, während der sich ein paar Bier zur Abkühlung holt. Oder ein Eis.

Todesfälle, die ganz leicht vermeidbar wären.

"Doch hier ist die Wahrheit über die Wahrheit: Sie tut weh. Also lügen wir."

Herzlichst Bela Wolf,

Tierarzt, Autor und Tiergesundheitsjournalist

https://tierarztwolfblog.wordpress.com

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