Diese dämliche direkte Demokratie. Diese komischen Niederländer. Lassen die doch einfach in einer Volksabstimmung das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine platzen. Ja sind die denn von allen guten Geistern verlassen! Vor allem, was soll nun werden? Bekommt der Westen, bekommt die EU jemals wieder die Chance, ein solch hoffnungsvolles Land, einen solchen Hort der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, ein Land mit einer derart prosperierenden Wirtschaft näher an sich zu binden?

Lag die Staatsverschuldung der Ukraine im Jahr 2012 noch bei 37,5 % des Bruttoinlandsprodukts, so ist sie inzwischen auf 94% des BIP gestiegen. Wenn das keine rasante Entwicklung ist. Beeindruckend ist auch die Steigerung des Militäretats des Landes. Lag dieser 2005 bei läppischen 680 Mio. $, so sind es zehn Jahre später schon 4,88 Mrd. $. Die haben wirklich erkannt, was wichtig ist für ihr Land, die Ukrainer.

Auch auf einem anderen Gebiet hat sich eine erstaunlich positive Entwicklung vollzogen. So beschloss das Parlament der Ukraine am 21. Mai 2015 einige grundlegende Menschenrechte bis auf weiteres außer Kraft zu setzen, so z. B. das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf Freiheit und Sicherheit und den Schutz des Familienlebens. Wenn das die Ukraine nicht geradezu prädestiniert, von Europa mit offenen Armen aufgenommen zu werden, was dann?

An der Spitze der Ukraine steht ein Präsident, der uns allem zum Vorbild gereicht. Ein erfolgreicher Unternehmen mit einem weit verzweigten Firmenimperium, das er aber sofort verkaufen wollte, als er Präsident wurde. Aufgrund seines permanenten Einsatzes für das Wohl der Ukraine und den Frieden sowohl im In- wie im Ausland ist er leider bislang nicht dazu gekommen, diesen Verkauf auch in die Tat umzusetzen, wofür wir vollstes Verständnis haben sollten.

Nein, der Poroschenko ist alles andere als ein Oligarch. Er ist ein weltgewandter Feingeist, was man auch daran erkennt, dass er eine Briefkastenfirma in Panama sein eigen nennt. Da kann ihm der böse Putin nicht das Wasser reichen, der so etwas leider nicht besitzt. Weil wir aber gnädig mit Putin sind und immerhin ein paar Bekannte von ihm in den Panama-Papers erwähnt werden, haben wir uns im Westen alle Mühe gegeben, auch den russischen Präsidenten damit in Verbindung zu bringen. Es wäre doch schade, wenn er allzu sehr von Poroschenko abstechen würde.

Nun gibt es böse Menschen, die behaupten, die Ukraine wäre pleite, seit sie Ende 2015 einen Kredit über 3 Mrd. $ nicht an Russland zurückzahlen konnte. Alles Lüge. Immerhin hat der IWF extra seine Regeln geändert, um der Ukraine trotz Zahlungsunfähigkeit weiter Kredite ausreichen zu können. Nun können auch aus Deutschland weiter Gelder in die Ukraine fließen. Nix da mit Pleite. Die Ukraine ist immer noch ein solides Investment. Zwar ging das Bruttoinlandsprodukt nach 2014 auch 2015 kräftig zurück und ist auf dem niedrigsten Stand seit mehr als zehn Jahren, aber das ist sozusagen nur eine Momentaufnahme.

Ist es eingedenk dieser Tatsachen nicht völlig unverständlich, dass die Niederländer gegen ein Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine gestimmt haben? Versteh einer die Holländer. Gut, dass die EU-Kommission schon verkündet hat, dass die mit der Ukraine getroffenen Vereinbarungen weiter in Kraft bleiben. Wo kämen wir auch hin, wenn wir jeder dämlichen Volksabstimmung zu Willen wären? Was sollen zudem unsere amerikanischen Freunde von uns denken? Denn das Geniale am Abkommen ist doch, dass es die Ukraine vor die Wahl stellt: Entweder Assoziierung mit der EU oder Freihandel mit Russland. Beides zugleich gestehen wir den Ukrainern nicht zu. Wenn das kein guter Beitrag ist, Brücken zwischen West und Ost zu bauen.

So sollten wir uns auch nicht allzu viele Gedanken machen über die Abstimmung in den Niederlanden. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass sich die niederländische Regierung über das Votum ihrer Bürger hinwegsetzt. Denn dieses ist für sie nicht bindend. Ratifiziert sie das Abkommen jedoch nicht, ändern wir in der EU einfach die Spielregeln, wonach alle EU-Partner dem Abkommen zustimmen müssten. Und schon ist uns die Ukraine wieder sicher. Ein Hoch auf unsere Demokratie und unsere Werte. Sie sind der Welt ein glorreiches Beispiel. (Trotzdem gut, dass es bei uns solche dämlichen Volksabstimmungen zur EU nicht gibt, oder?)

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