Ich weiß, dass ich recht viele Blicke ernte und Menschen verunsichere. Sie sind sich nicht sicher – Mann... oder doch eine Frau? Die meisten gucken nur, überlegen kurz und widmen sich dann wieder ihrem Handy zu. Klar würden sie mich gerne einfach fragen, aber „das macht man ja nicht.“. Also geben sie sich mit ihrer Unwissenheit zufrieden.

KINDER hingegen ist es völlig lattens, ob dir ihre Fragen unangenehm sind, wenn sie sich über etwas wundern, dann muss das sofort mitgeteilt werden.

„Bist du ein Junge oder ein Mädchen?“ fragt mich einer aus der Traube Grundschüler, die gerade meinen Hund belagern. Klar, irgendwie unangenehm die Frage und ich könnte sie einfach übergehen. Die kleine Mischlingsdame schaut mich mit ihren großen Kulleraugen an, ihr Blick hat etwas vorwurfsvolles, aber sie lässt das Theater tapfer über sich ergehen. Dann krieg ich das auch hin, denke ich mir und antworte wahrheitsgetreu:

„Ich bin ein Junge.“

„Aber du hast eine Mädchenstimme!“ erwidert der kleine 8-Jährige, der seinen Stimmbruch erst noch vor sich hat. So wie ich halt.

„Tja...ja. Es gibt halt auch Jungs mit Mädchenstimme. Sind trotzdem Jungs.“

Die Antwort scheint ihm zu genügen und er wendet seine Anwesenheit wieder dem Hund zu. Das gibt heut Abend extra Hundekuchen!

Solche Begegnungen mit Kindern habe ich ständig. In der Bahn, beim Spazieren gehen, im Supermarkt. Fast genauso häufig sprechen mich aber emotional und/oder kognitiv nicht ganz auf der Höhe stehende Menschen an. Ähnlich wie bei den Kindern ist es auch ihnen völlig Schnuppe, was man von ihnen denken könnten und wie die andere Person sich dabei fühlt.

„Bist du Mann oder Frau?“

Gerade habe ich mich entspannt auf die Wartebank niedergelassen, als diese Entspannung auch sofort wieder nachlässt.

„Ich bin ein Transmann.“

„Also noch ein Mädchen? Du bist doch ein Mädchen, oder? Wie heißt du?“ Ich seufze. Diskutieren wird da nicht viel bringen, aber ich möchte nicht einfach aufstehen und gehen, also lasse ich mich auf ein Gespräch ein.

„Ich bin der Alex, hi. Und du?“

„Von AlexanDRA?“

„Nein. Von AlexanDER.“

„Und wie heißt du wirklich? Hast du schon einen Penis?“

Die Person neben mir wäre nach hinten übergekippt, hätte die Glasscheibe sie nicht davon abgehalten. Als Mann über Penisse zu reden – vollkommen alltäglich. Als Transmann? Noch viel alltäglicher. Schließlich ist das DIE Frage, die sich niemand traut zu stellen. Außer... na ja, meine neue Freundin hier.

„Erstmal Testosteron, dann Schritt für Schritt. Und ich heiße wirklich Alex.“

„Okay Alex. Ich bin Jessica.“

„Hallo Jessica.“

Das war jetzt AN der Bahn. IN der Bahn die Woche zuvor: Freundin und ich abends auf dem Weg nachhause, verwirrte Frau steigt ein, belustigt Fahrgäste, legt sich mit vermeintlichem Moslem an, der die Situation filmte („Was willst du hier in Deutschland? Hab Respekt vor Christen!“ warf sie ihm mit russischem Akzent an den Kopf) und als sich dieser mit einem „Womit habe ich das verdient?“ ins andere Wagenabteil abhetzte, kam sie auf uns zu.

„Bist du Junge oder Mädchen?“ Ganz ehrlich – womit habe ich das verdient??

Wir kommen ins Gespräch. Sie versucht mich, so wie gute Christen das nun mal gern tun, zu missionieren ein Mädchen „zu bleiben“. Ich sei verwirrt und doch eine hübsche Frau – und das trotz Negernase! Meiner Freundin, die das 20te mal versucht der Dame mein Personalpronomen näher zu bringen („Ja aber bei ihr..“ „Ihm.“ „Sie hat da besti...“ „ER!“), wird noch versichert, dass wenn sie ihre Tochter wäre dann... bäm.

Und natürlich steigt sie bei uns aus und ruft uns nach. Wir entfernen uns schnellen Schrittes. Zum Glück ist sie noch ein Zombie der alten Schule, einer der langsamen, die deswegen aber nicht weniger gruselig sind.

„Wie war dieses Sprichtwort nochmal? Kinder und...“

„... Betrunkene sagen immer die Wahrheit.“

Kinder und Bekloppte trifft es vielleicht eher.

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Jessi

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Daniela Noitz

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fischundfleisch

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