Fate la legge, troviamo l'inganno

Die Flüchtlingsproblematik und viele andere (europäischen) Probleme sind noch nicht gelöst, da steht der EU die nächste Herausforderung ins Haus.

Die Regierung in Rom will mit einem geplanten Budgetdefizit von 2,4 Prozent des BIPs die Schulden deutlich erhöhen, anstatt sie wie von der EU verlangt zu senken. Dabei würde Rom alle gültigen Fiskalregeln der EU über Bord werfen.

Kurz beteuert: Wir zahlen nicht für Italiens Schulden!

So und ähnlich lauten die Mitteilungen der letzten Tage.

Das Budget entspräche nicht den Regeln, die sich die Mitglieder der EU in Maastricht gaben.

Kanzler Kurz glaubt darauf hinweisen zu müssen, dass „wir“ nicht für die Schulden anderer Länder aufkommen werden.

Die Hilfspakete für Griechenland, Portugal, Spanien u.a. sind offensichtlich bereits in Vergessenheit geraten. Natürlich werden „wir“ auch für Italien zur Kasse gebeten werden, wenn es darauf ankommt, den Euro zu retten.

Warum aber sollten sich ausgerechnet die Italiener an die Maastricht Vorgaben halten? Diese Vorgaben sind in der Vergangenheit ohnehin von fast allen EU-Mitgliedern vorsätzlich missachtet worden. Ihre Einhaltung gerade von den Italienern zu verlangen, die es gewohnt sind, auf Schwierigkeiten „flexibel“ zu reagieren, scheint abstrus.

Italienische Regierungen sind es seit Jahrzehnten gewohnt, eine flexible Budgetpolitik zu betreiben. Sie sind bisher immer gut gefahren damit. Wenn Not am Mann war, wurde die Währung je nach Bedarf ab- oder aufgewertet. Diese Möglichkeit ging mit der „gemeinsamen Währung“ verloren, auch die Möglichkeiten des defizit spending wurden durch Maastricht massiv eingeschränkt, dennoch stieg die Staatsverschuldung zwischen 2008 und 2017 von 1.671,4 Mrd auf 2.283,54 Mrd.

Es zeigt sich wieder einmal eine der Schwachstellen der Europäischen Union. Man kann nicht alles über einen Kamm scheren. Zu unterschiedlich sind die Verhältnisse. Und vielleicht sollten sie auch so unterschiedlich bleiben?

Italien „deutsche Verhältnisse“ in der Politik und in der Finanzwirtschaft aufdrängen zu wollen, könnte das Land endgültig ruinieren.

Man darf aber Italiens Zahlen vielleicht auch gar nicht so ernst nehmen. Das zumindest sollten wir aus der Griechenlandkrise gelernt haben.

Ein Blick auf die Arbeitslosenstatistik des Landessüdens zeigt eine Jugendarbeitslosigkeit von etwa 70%. Wer durch Palermo schlendert, wird davon wenig bemerken. Was wieder daran liegen könnte, dass viele dieser „Arbeitslosen“ tatsächlich einer Arbeit – wenn auch einer unangemeldeten - nachgehen. Nicht immer ist der Beschäftigungsgeber die Mafia, wenngleich sie die Firma ist, die immer offene Stellen und einen ansehnlichen Verdienst für Jugendliche anzubieten hat.

In diesem Zusammenhang sei auch auf eine Aktion des ehemaligen Finanzministers Vincenzo Visco (PDS) hingewiesen, der im Jahr 2000 eine Legalisierungsaktion von Schwarzarbeitern ins Leben rief. Binnen 15 Monaten verschwanden aus den offiziellen Statistiken 59.000 Arbeitslose, die zwar offiziell arbeitslos gemeldet, inoffiziell aber doch angestellt gewesen waren.

Es sind eben unterschiedliche Kulturen, die der europäische Kontinent beherbergt. Diese auf einen „einheitlichen Nenner“ bringen zu wollen, ist nicht nur in der Frage der Flüchtlingsaufnahme eine Sysiphusaufgabe.

Italien tickt anders:

„Fate la legge, troviamo l'inganno! (Macht ruhig Gesetze, wir wissen sie zu umgehen!)

Diesem Wahlspruch folgen Italiener erfolgreich seit Menschengedenken. Warum sollte es plötzlich anders sein?

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Aron Sperber

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Margaretha G

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Markus Andel

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