Der FC Bayern unter (politischem) Druck

Erst gab es nur vereinzelt Kritik, doch mit jedem Tag wurde der Wind, der dem FC Bayern München wegen seiner Tour nach Katar und Saudi-Arabien ins Gesicht blies, immer stärker. In Blogs, Fan-Foren und den sozialen Netzwerken kritisierten die eigenen Fans den Trip zum Persischen Golf, Politiker rügten die Reise, und auch viele etablierte Medien widmeten sich dem Thema in teilweise scharf formulierten Kommentaren: Ein „Frauen-Feindschaftsspiel“ nannte die FAZ die Partie der Bayern in Saudi-Arabien, „Luxus schlägt Skrupel“, konstatierte Spiegel Online, und die Süddeutsche Zeitung schrieb, bislang habe es „das Bild von einem toleranten Verein“ gegeben, „von einem Verein, der trotz seiner Wirtschaftskraft, trotz seiner Größe weiter nah dran ist an den Gedanken und Gefühlen seiner Anhänger, von einem Verein, der sich seiner Geschichte bewusst ist“. Nun jedoch habe sich der Klub „von seinem eigenen Idealbild entfernt“.

Tagelang saß der FC Bayern die Kritik einfach aus, bis gestern sein Vorstandvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge doch noch mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit trat. Der Verein verurteile „jede Form von grausamer Bestrafung, die nicht im Einklang mit den Menschenrechten steht, wie im aktuellen Fall mit dem islamkritischen Blogger Raif Badawi“, versicherte Rummenigge in etwas holprigem Deutsch (welche grausame Bestrafung steht schon im Einklang mit den Menschenrechten?). „Es wäre besser gewesen, das im Rahmen unseres Spieles in Saudi-Arabien deutlich anzusprechen.“ Allerdings habe „die Politik grundsätzlich in diesen Fragen die Richtlinienkompetenz“, und es reisten ja „auch deutsche Spitzenpolitiker demnächst nach Saudi-Arabien“.

„Wir sind ein Fußballverein und keine politischen Entscheidungsträger“, ergänzte Rummenigge, „aber natürlich tragen am Ende alle, also auch wir, dafür Verantwortung, dass Menschenrechte eingehalten werden“. Er wolle deshalb „im Namen des FC Bayern München dazu erneut klarstellen: Gerade unser Klub hat sich immer gegen jegliche Diskriminierung, gegen Gewalt und gegen Rassismus bekannt.“ Man mache sich „stets für Toleranz stark“. Fußball sei „immer auch im Dienste der Völkerverständigung unterwegs“, Menschenrechte seien „darin ein integrierter Wert“.

In den Social Media löste das Statement bei den Bayern-Anhängern unterschiedliche Reaktionen aus. „Danke, damit lässt sich arbeiten. Lektion gelernt, nehme ich an“, schrieb Stefen Niemeyer, der als FCBlogin bloggt und twittert. NaptoFCB vom Club Nr. 12, einer Dachorganisation von Bayern-Fans und -Fanklubs, befand: „Für Bayernverhältnisse ist die Stellungnahme eine Kapitulation. Der Text von Karl-Heinz Rummenigge zeigt genau, dass man die Schuld eingesteht.“ Ähnlich sah es Stadtneurotiker in seinem Blog: „Das ist für FCB-Verhältnisse schon verdammt viel. Fühlte sich der Verein absolut sicher, hätte die ‚Abteilung Attacke‘ diese Pressemitteilung mit knackigen Vorwürfen an die Kritiker garniert formuliert. Doch damit hielt sich Rummenigge zurück. Daraus kann man ableiten, dass der FC Bayern in nächster Zeit nicht mehr in Saudi-Arabien spielen wird.“ Agitpopblog hingegen, der mit seinem viel beachteten offenen Brief an den Klubvorstand die Welle der Kritik ins Rollen gebracht hatte, kündigte an, aus dem Verein auszutreten und seinen Jahresbeitrag stattdessen einer Menschenrechtsorganisation zu spenden.

Auffällig ist, dass Karl-Heinz Rummenigge ausschließlich zum Testspiel in Saudi-Arabien Stellung nahm und Katar mit keinem Wort erwähnte, obwohl sich die öffentliche Kritik durchweg auch auf das dortige Trainingslager bezog. Man darf also annehmen, dass künftige Reisen in diese Hochburg der Islamisten alles andere als ausgeschlossen sind, während man den deutschen Rekordmeister in Saudi-Arabien wohl tatsächlich so bald nicht mehr sehen wird. Reichlich trotzig mutet Rummenigges Verweis auf die Richtlinienkompetenz der Politik an, widersprüchlich ist er ohnehin. Zwar haben Waffenexporte nach Saudi-Arabien und die diplomatischen Beziehungen zum Regime in Riad zweifellos eine erheblich größere Dimension als ein Fußballspiel. Doch mit dem schlichten Argument, bloß ein Fußballverein zu sein und kein politischer Entscheidungsträger, ließe sich auch jede andere Forderung nach sozialem und gesellschaftlichem Engagement zurückweisen.

Genau dieses Engagement aber ist dem FC Bayern, dem Aushängeschild des deutschen Fußballs, nach eigenem Bekunden wichtig – sein Vorstandsvorsitzender selbst zählt ja den Einsatz des Klubs „gegen jegliche Diskriminierung, gegen Gewalt und gegen Rassismus“ sowie „für Toleranz und Völkerverständigung“ auf. Wenn das nicht nur ein Lippenbekenntnis oder ein Marketinggag sein soll, müssen Taten folgen – und dazu gehört es auch, in Zukunft auf Kooperationen mit Ländern wie Katar und Saudi-Arabien zu verzichten. In dieser Hinsicht dürfen sich die Münchner ausnahmsweise ein Beispiel an ihrem Ligakonkurrenten Borussia Dortmund nehmen. Der ließ, auf den jüngsten Trip der Bayern angesprochen, ausrichten: „Wir haben schon vor Jahren beschlossen, dass wir grundsätzlich kein Spiel in einem Land absolvieren werden, das breite Schichten der Bevölkerung diskriminiert, ihnen das Stadionerlebnis verbietet und sich einem Dialog über das Thema Menschenrechte kategorisch verschließt.“

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Silvia Jelincic

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