Weihnachten, da ist für jede arme Seele immer was dabei...

Gleich zu Beginn: Für muslimische arme Seelen ist zu Weihnachten nichts dabei. Das ist weder böse noch herablassend gemeint, es ist einfach so. Das macht aber auch nichts, weil ihnen Weihnachten sowieso am Arsch vorbeigeht. Andererseits, wenn man nach Amerika, dem Himmelreich der Weihnachtswahnsinnigen, blickt, erkennt man sofort, was Weihnachten wirklich ist: Stress, Verlorenheit, Missgunst, natürlich auch Verlogenheit, Sehnsucht nach Liebe, die nie naht, Streit in der Familie – und wie immer: Geschenke, Geschenke, Geschenke ...

Es gibt kein Haus, keinen Garten, keine Straße, keine Stadt und keinen Christbaum, der sich nicht unter dem Gewicht von Christbaumkugeln, Lametta, einem Lichtermeer und herabhängenden Zuckerstangen ächzend biegen würde. Die Amerikaner sind heute so weit, dass sie sogar die Grashalme in ihren Gärten schmücken. Es herrscht ein regelrechter nachbarschaftlicher Wettbewerb darum, wer mehr Lichtkugeln, Weihnachtsschmuck, Lichterketten und Lampions auf seinem Haus und in seinem Garten verstreuen kann. Dafür gibt es auch ein Wort, das alles erklärt: KRANK.

Aber zurück nach Europa und zurück nach Wien. Gegen Mitternacht stampfe ich durch die verschneiten Straßen von Wien. Ich beobachte, wie die Schneeflocken, vom Wind bewegt, im Schein der Straßenlaternen wundersam vor mir tanzen und spiralförmige Bewegungen vollführen, bevor sie in mein Gesicht landen. Gut, das war gelogen, um Mitternacht liege ich bereits im Bett und träume den Schlaf der Gerechten. Egal, es ist jedenfalls kalt. Ich ziehe den Mantel enger an mich, in der Hoffnung, keine Körperwärme zu verlieren. Das war allerdings auch eine Lüge, denn bei uns ist es gerade nicht kalt, wir haben keinen Schnee und ich habe keinen Mantel an.

Nichtsdestotrotz lasse ich mich von meinem Vorhaben nicht beirren und überquere den Wiener Ring in Höhe der Oper. Ich weiß, dass dort die Kärntnerstraße beginnt und stadteinwärts bis zum Stephansplatz gute Punschstände stehen, an denen ich mir genüsslich den einen oder anderen Orangen- oder Beerenpunsch einverleiben werde. Das ist allerdings auch eine Lüge, denn die meisten Punschstände schließen schon um 22 Uhr. Aber das ist auch egal, denn ich bin gar nicht dort, sondern liege in meinem Bett und drücke die Polster, sodass meine arme Seele Frieden findet.

Jeder, der Weihnachten in seiner Kindheit zu Hause oder bei Freunden erlebt hat, weiß, dass Weihnachten einen großen Einfluss auf unsere Seele ausübt. Man muss nicht christlich sein, keiner Religion angehören oder irgendwelchen wirtschaftsbezogenen Festen der Amerikaner folgen, um diese Erfahrung der Seelenreinigung zu machen. Ganz im Gegenteil, all das hat nichts mit unserer Seele zu tun.

Dabei stellt sich auch die Frage: Was ist unsere Seele? Wo in uns befindet sie sich? Wie spürt man sie, wenn überhaupt? Einfach ausgedrückt wächst sie mit unserer Hoffnung und unserer inneren Freude oder ist Ausdruck dieser. Sie kann sogar bei inniger Liebe zwischen zwei Menschen in beiden wohnen. In diesem Fall empfinden wir uns mit unserem Partner als eins oder als seelenverwandt. Die Seele verbindet uns, lässt uns Größeres erkennen, Größeres empfinden und manchmal wahre Wunder vollbringen, wenn alles dem Untergang geweiht ist.

Und dennoch, wenn man ihren Ort in uns beschreiben müsste, wäre es weder das Herz noch der Kopf oder eine Stelle in unserer Brust. Für jene, die blind sind, ist sie nirgendwo, für jene, die Freude empfinden, ist sie überall: nicht nur in Menschen, sondern auch in Tieren, Sachen, Autos, Bäumen, der Natur und allem, was lebt und wächst.

Und von wem wird sie am meisten begehrt? Von dem Teufel selbst, weil er keine besitzt, wie wir aus Märchen und Geschichten kennen. Wenn sie einmal an den Höchstbietenden verkauft wurde oder wenn wir jegliche Freude und Hoffnung verloren haben, die sie nährt, naht auch unser Ende, denn offenbar kann nichts ohne ihre Seele existieren.

Und damit zurück zu Weihnachten, einer Zeit, die Freude und Hoffnung ausstrahlt und in uns zu erwecken weiß. In diesen dunklen Tagen teilen wir Freude mit unseren Familien, Freunden, Liebenden, Verwandten und manchmal auch mit den Nachbarn. Auch wenn ihre Lichter im Garten heller strahlen und ihre Christbäume höher und prächtiger geschmückt sind, können wir ihnen die Hand reichen und sie umarmen. Eine Umarmung ist mehr – sie ist auch ein Ausdruck der Hoffnung, dass alles, ganz gleich wie schlimm es war - gut wird...

Weihnachten ist deshalb heilig, weil es unserer Seele guttut. Wenn auch nur an ein paar Tagen im Jahr, an denen wir wahre Freude und Hoffnung spüren, es ist für jeden was dabei …

In diesem Sinne wünsche ich allen hier ein gesegnetes Fest und frohe Weihnacht...

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