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Kein Handy-Empfang, kein Internet. Und wer fernsehen möchte, kann das in einer Extra-Stube tun. Ganz hinten im Rauriser Endtal macht die digitale Zivilisation Pause – ein perfekter Zufluchtsort unter dem Gipfel des Hohen Sonnblicks, dem vor allem Hermann Maislinger, der Wirt des Naturfreunde Hauses, in den vergangenen Jahren seinen persönlichen Stempel aufgedrückt hat.

Früher waren die wenigen Häuser am Ende des Tals eher ein Campingplatz mit festem Dach, ein Refugium für Hardcore-Bergfexe und – ich gebe es zu – als Kind für mich das Straflager, in das mit Vater und Großvater verschleppten.

Kolm-Saigurn revisited. Nach der Mautstraße versperrt ein automatischer Schranken die letzten Kilometer, ein Durchkommen gibt’s nur mit Magnetkarte für jene, die ganz hinten im Tal nächtigen. Der unberührte Wald am Rand des Nationalparks Hohe Tauern gibt erst spät den Blick auf die Dreitausender frei, auf unzählige Wasserfälle und Bäche, die von den ganzjährigen Schneefeldern und dem Gletscher gespeist werden.

Fünf-Sterne-Zimmer darf man sich hier nicht erwarten – im Naturfreundehaus gibt es eine Handvoll „regulärer“ Zimmer mit Dusche und WC, in den „Bergsteigerzimmern“ oder im Matratzenlager teilt man sich die sanitären Einrichtungen. Doch die Indoor-Aufenthalte sind sowieso die Ausnahme, denn nicht nur das sanfte Dauerrauschen der Wasserfälle lockt ständig ins Freie: Hüttenwirt Maislinger hat seine „Sonnblickbasis“, die noch vor einem Jahrzehnt ein verschlafenes und verstaubtes Schutzhaus war, in eine Berg-Oase für alle Altersgruppen ausgebaut. Meine Tochter stürzte sich – wie alle Kinder – auf die Tiere: Ein paar Schweine, Ziegen, Schafe, Pferde (können auch geritten werden) und natürlich Hofhund Luna, die manchmal Gäste bis zum Gletscher begleitet. Sie landen – im Gegensatz zu den Forellen im Hausteich, der als Kneippanlage oder zur Abkühlung nach der Sauna dient – nicht im Kochtopf. Der liebevoll gestaltete und großzügige Spielplatz mit Trampolin ist vermutlich von Maislingers Tochter inspiriert.

Maislingers neuester Coup – neben dem Eiskletterturm für die Wintersaison – ist ein aufwändig gestalteter Rundweg zu den Wasserfällen rund ums Naturfreundehaus, geeignet für Kinder als auch für Senioren: Eiskalte Sprühregen aus den wilden Gletscherbächen machen Lust auf mehr Berg. Davon gibt’s genug, und lange kann man dem Ruf des Sonnblicks – auch wenn man sich im Tal bereits auf knapp 1600 Metern Seehöhe befindet – nicht widerstehen.

Maislinger privat; Haide Media

Hüttenwirt Hermann Maislinger

Auf die Einschätzung des Hüttenwirts vertrauend, dass der Sonnblick-Gipfel (3100 Meter) nicht besonders schwierig zu erreichen wäre, wagten wir den Aufstieg. Der erste Teil des Weges, der für alle Altersgruppen problemlos zu bewältigen ist, führt zwei Stunden (okay, wir brauchten drei) zum Schutzhaus Neubau. Bis zu den letzten Gletscherresten und den historischen Goldgräberanlagen ist es von dort aus nur ein Katzensprung – es sind beliebte Ausflugsziele, wenn man nicht ganz hinauf möchte. Das Haus Neubau wird übrigens auch von den Naturfreunden betrieben, es kann – wie auf allen Schutzhütten – gut gegessen und übernachtet werden.

Der nächste – und letzte – Zivilisationspunkt ist die Rojacher Hütte auf 2700 Metern. Bereits der Weg dorthin lässt ahnen, wie es danach weitergeht: Erste Schneefelder sind zu überqueren – spätestens hier geben Halbschuhtouristen auf. In der kleinsten Hütte des Alpenvereins gibt’s die letzte Stärkung vor dem Gipfel, Schmalzbrot mit Bier bzw. Kakao, und eine Warnung mit auf den Weg: Höhenangst sollte man jetzt kein haben!

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Es wurden für uns weitere drei anstrengende Stunden. Weder meine Tochter noch ich sind ausdauernde Wanderer oder geübte Klettere, die uns immer wieder überholten – und an manchen Stellen dachte ich ernsthaft über das Aufgeben nach. So grandios und immer weiter der Blick über die Tauern wurde, desto schmaler wurden die Steige, rechts und links würde jeder Fehltritt mit einem hunderte Meter tiefen Absturz bestraft. Zwei heikle Passagen machen den Aufstieg vor allem mit Kind schwer: Die Kletterhilfen im Fels sind für Griff- und Schrittlänge von Erwachsenen ausgelegt, was vor allem beim Abstieg knifflig wurde…

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Wofür „offiziell“ sechs Stunden angesetzt werden – geübte Bergwanderer und Einheimische schaffen den Weg zum Gipfel in weniger als drei Stunden – brauchten wir knapp zehn. Die Rechnung für Jahrzehntelanges Rauchen bekam ich am letzten Schneefeld, das Kittelhaus und die Wetterwarte am Sonnblick-Gipfel vor Augen: Zehn Schritte, dann ein, zwei Minuten Pause. Die Ansage „Schnaufen“ wurde für uns zum ständigen Begleiter, die letzten Meter für mich zur Qual. Meine Tochter steckte den Aufstieg zu meiner Verwunderung weg wie einen längeren Spaziergang.

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Die sorgfältige Planung hatte sich ausgezahlt: Wir „erwischten“ den perfekten Gipfeltag mit wolkenlosem Blick ohne Grenzen, der Großglockner schien zum Greifen nahe, der Dachstein – unendliche Weiten, die von den letzten Sonnenstrahlen in magisches Licht getaucht wurden. Doch Hunger lässt auch den schönsten Ausblick zweiranging werden, der war dank guter traditioneller Küche auch am Sonnblickgipfel bald gestillt. Die Nacht in Stockbetten, in Decken und den Hüttenschlafsack (kann ausgeborgt werden) gehüllt, war kuschelig und kurz. Reges Treiben am Frühstücksbuffet ließ uns beinahe vergessen, dass der Abstieg bevorstand.

Zuvor sorgte Meteorologe Hermann für ein weiteres Highlight: Mit einer Privatführung durch die älteste, ständig besetzte Wetterstation Europas. Mehr als die beängstigende Technik – Hermann zeigte mir anhand der Luftmessung, wann ich meine Morgenzigarette geraucht hatte – beeindruckte mich der Einsatz der Wissenschaftler. Sie verbringen gut die Hälfte des Jahres am Gipfel, zwei Wochen Dienst folgen jeweils einige freie Tage. Und die Schönwettertage, an denen es von Besuchern im Kittelhaus (ist übrigens wie die Rojacher Hütte ein Objekt des Alpenvereins) wimmelt, sind rar. Sonst ist es ein einsamer Job im Ewigen Eis – das „moderne Heldentum“ Hermanns wird nur durch die Materialseilbahn ein Wenig versüßt, die Mitarbeitern den regelmäßigen, mühsamen Aufstieg erspart. Nun: Die Seilbahn ist eigentlich bloß ein Transportkorb, in dem maximal zwei Personen irgendwie liegend Platz finden und die nur an ruhigen Tagen funktioniert. Bei Wind gibt’s weder Nachschub an Material, Essen oder Manpower, manchmal mehrere Tage lang…

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Vor dem Abstieg ist ein Blick auf die aktuelle Wettervorhersage wieder ein absolutes Muss: Um aufziehenden Wolken und möglichen Gewittern am Nachmittag zu entgehen, drückten wir aufs Tempo. Allerdings nicht ohne weitere Pflicht-Jausenstopps, auf die meine Tochter bestand. Also wieder Schmalzbrot auf 2700 Metern, einen Kakao auf 2100.

Doch – ganz ehrlich – neben der erstaunlichen Leistung meiner Tochter gab es für mich noch ein Highlight: Noch nie hat mir ein Schweinsbraten so ausgezeichnet geschmeckt wie an diesem Abend…

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www.sonnblickbasis.at

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Petra vom Frankenwald

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