In ein paar Wochen feiert die gesamte Christenheit ihr bedeutendstes Fest, ein Geburtstagsfest. So erfreulich dieser Umstand für die Gläubigen ist, so unerquicklich waren die Geschehnisse rundum die Geburt und die ersten Monate des Jubilars. Seine Mutter brachte ihn in einem Stall zur Welt, da ihr und ihrem Mann allerorts das Quartier verweigert wurde. Anschließend war die Familie auf der Flucht, weil ein rasender Despot das Neugeborene mit dem Tode bedrohte. Seit damals wiederholt sich diese beschämende Geschichte Tag für Tag in Nuancen. Wobei zuweilen den Hilfesuchenden und unschuldig in Not Geratenen nicht einmal ein Stall als Unterschlupf zur Verfügung gestellt wird.

Selbst wenn in unserem Land der christliche Wertekatalog nicht schon seit Jahrhunderten tradiert wäre, so müsste uns doch die eigene Geschichte, ganz besonders die jüngere, gelehrt haben, dass es kein friedvolles und erfülltes Leben ohne Empathie und Nächstenliebe geben kann. Dass man heute die erbarmungslosen Einwohner Bethlehems, die einer Hochschwangeren ein anständiges Dach über dem Kopf untersagten, mit Abscheu betrachtet, ist verständlich. Aber gegen diese nimmt sich das Verhalten einiger Mitbürger, die nicht nur gleichgültig gegenüber der Not anderer sind, sondern auch noch aggressiv gegen jene auftreten, bedeutend ekelhafter und menschenverachtender aus. Den verunsicherten und aufgehetzten einfachen Leuten sollte man jetzt nicht allzu gram sein, den an niedrigste Instinkte appellierenden Politikern allerdings umso mehr.Österreich ist das zweitreichste Land Europas, das achtreichste der Welt, und wir lavieren und zittern in diesen Belangen herum wie ein Espenblatt im Herbststurm. Das erzeugt auch nachhaltig Scham. In den Herzen der uns nachfolgenden Generationen. Und weil unser allseits geschätzter Außenminister gerade eine Kampagne ins Laufen brachte, die uns Österreicher auffordert, darüber nachzusinnen, worauf wir stolz sein können: Auf jene Österreicher zum Beispiel, die Nächstenliebe fühlten und Menschlichkeit zeigten, als diese ab dem Jahr 1938 mit dem Tode bestraft wurden. Jene, die Menschen vor dem Zugriff der Barbarei versteckten, ohne Rücksicht auf ihr eigenes Fortkommen. Um wie vieles leichter haben wir es heute, wenn nur das bisschen Geld und die nicht einmal schmerzliche Erfahrung anderer Kulturen uns abverlangt werden. Oder um es mit Konstantin Wecker zu sagen: »Lass die foin in irgendan Arm, und moch d‘Arm auf wenn irgendwer foid.« Es gibt heute Regionen in der Welt, die auf Generationen vergiftet sind, weil auch die Kinder nur den Konflikt, den Krieg, die Rache kennen. Österreich gehört nicht dazu. Österreich hat niemanden zum Feind. Nur manchmal sich selbst.

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Silvia Jelincic

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