(Blog-Bild ist dieses Mal ein Selbstporträt von mir aus dem Jahr 2012, mit Adobe Photoshop bearbeitet ...)

Geradezu grotesk ...

Also ich weiß ja nicht wie es euch damit geht, aber ich finde die Lage unserer Gesellschaft rund um den Erdball ist schon verdammt absurd und megatraurig: Laut dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) leiden rund 870 Millionen Menschen weltweit an Hunger, also etwa jeder achte (12%). An den Folgen von Hunger und Unterernährung sterben mehr Menschen als an HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose zusammen. Jedes Jahr sterben etwa 8,8 Millionen Menschen an Hunger, was einem Todesfall von rund alle drei Sekunden entspricht (Stand 2007 wohlgemerkt - seit 2013 anscheinend leicht zurückgegangen - allerdings wirklich nur sehr minimal, es sind nämlich nach wie vor 12%). Häufig sind Kinder betroffen, jedes vierte ist in Entwicklungsländern untergewichtig. Laut UNICEF müssen jede Nacht rund 300 Millionen Kinder hungrig zu Bett gehen und jeden Tag sterben bis zu 8.000 Kinder, die unter fünf Jahre alt sind, an Unterernährung. (Quelle: Wikipedia)

In Anbetracht dieser Tatsache erscheint es mir wirklich vollkommen bizarr, wenn ich zum Beispiel einen Supermarkt betrete, dessen Überfluss mich wahrlich umhaut (also jetzt im metamophorischen Sinne - will ja nicht den Boden beschmutzen). Die Diversität an Lebensmitteln und solche, die es sein wollen, verblüfft mich immer und immer wieder. Welche leuchtenden Augen wohl eines jener der hungernden Kinder haben würde, bei sooo vielen Produkten? Es zerreißt mir das Herz, alleine darüber nachzudenken.

"Du bist, was du isst"? Ist Essen die beste Medizin? Oder macht die Dosis das Gift?

Ich beschäftige mich nun schon sehr, sehr lange mit dem hitzigen Thema und der leidigen Frage nach der "gesunden Ernährung" (was ja ein irre großes Privileg ist in unserer Kultur, wenn man an all die vorhin erwähnten, unzählig vielen Hungernden und Armen denkt). Warum? Tja, das frage ich mich selber immer öfter. Man denkt immer, man will seinen Körper halt was Gutes tun, Krankheiten vorbeugen, eben "ideal" leben usw. - na ja. Doch wenn ich ehrlich bin - über all die Jahre, wo ich nach der "perfekte Ernährungsweise" gesucht habe, bin ich nur noch verwirrter geworden als vorher. Weil jeder etwas anderes sagt. JEDER. Eine Studie widerspricht der anderen. Mal heißt es, moderater Alkoholkonsum würde die Gesundheit positiv beeinflussen können, dann heißt es wieder selbst kleine Mengen wären ein Zellgift und würden dem Körper im Endeffekt nur schaden. Mal heißt es, Kaffee wäre voll gut, dann heißt es wieder nein, Kaffee ist voll schlecht. Es gibt sogar Studien, die behaupten, Pizza sei besser als ihr Ruf (sie würde z.B. Herzkreislaufkrankheiten vorbeugen können, siehe hier - es gibt sogar unvorstellbarer Weise einen Typen namens Dan Janssen, der sich seit über 25 Jahren ausschließlich von Pizza ernährt, siehe hier) und dann wieder solche, die das widerlegen, weil einseitges Junk-Food-Essen ja auf Dauer das Leben verkürzen soll usw. und so fort. Vegetarier und Veganer debattieren mit Fleischessern; über Milch und Soja wird gestritten, über Gluten, Kohlenhydrate und Kalorien, über Zucker und Süßungsmittel, über Diäten (mal heißt es "Es kommt nicht darauf an, wie viel du isst, sondern was du isst", dann wieder "du kannst und sollst alles essen, was du willst - nur die Menge macht's" etc.)- und es gibt immer Vertreter sowohl der einen als auch der anderen Seite. Doch wer hat recht? Ich weiß es nicht. Und es gibt vielleicht auch keine eindeutige Antwort, weil ja jeder Mensch einen anderes Immunsystem hat, jeder Körper ist anders - der eine ist allergisch gegen gewisse Sachen, der andere verträgt davon viel, dem einen schmeckt was besser und dem anderen wieder nicht.

All das erinnert mich irgendwie an Religion oder Politik. Da ist es ja auch so, es gibt die unterschiedlichsten Standpunkte und niemand kann eindeutig sagen, was denn nun der Wahrheit entspricht, zumindest was die Frage der Gesundheit betrifft. Und die Wogen gehen oft sehr hoch, es gibt hitzige Diskussionen über das, was wir glauben sollen und was nicht. Und es gibt die Atheisten, die an allem zweifeln: Lebensmittelchemiker Udo Pollmer, Dr. Werner Bartens oder Dr. Gunter Frank zum Beispiel vertreten die (für viele provokante) These "Esst doch einfach, was ihr wollt" - sie warnen vor Orthorexia nervosa - eine Essstörung, bei der die Betroffenen ein auffallend ausgeprägtes Verlangen danach haben, sich möglichst „gesund“ zu ernähren. Die Existenz eines solchen Krankheitsbildes wird vielfach bestritten und ist in der wissenschaftlichen Medizin zwar nicht anerkannt, aber laut Meinung jener Herren führt der Wahn nach optimaler Gesundheit oft selbst zur Krankheit.

Dann gibt es auch quasi die Fundamentalisten oder Dogmatiker: Brigitte Rondholz (eine meiner Meinung nach äußerst fragwürdige Person, siehe hier) ist Urköstlerin - das bedeutet, sie ernährt sich ausschließlich von veganer Rohkost - frisches Obst, Gemüse, Nüsse, Samen und essbares Wildgrün wie Salate und Kräuter - das war's. (Extremer sind nur noch die Frutarier ...) Alles ungekocht und unverarbeitet, denn das wäre die natürlichste und beste Ernährungsweise für den Menschen, so Rondholz. Und es würde das Klopapier ersparen, weil die Ausscheidungen dann eine ganz tolle und wunderbar duftende Konsistenz haben - aha. Auch Annette Larkins, Mimi Kirk und Ani Phyo schwören auf Rohkost und sehen ihr (für ihr bereits fortgeschrittenes Alter) jugendliches Aussehen und ihre stabile Gesundheit als Beweis dafür, dass es die einzig sinnvolle Ernährung wäre und funktioniert. Doch es gibt auch "Austreter": Kristen Suzanne - früher eiserne Vertreterin der ungekochten Kost in geradezu sektenähnlichem Ausmaße - hatte, nachdem sie sich und ihre Kinder (!!!) lange Zeit rohköstlich ernährte, fatale gesundheitliche Probleme und warnt nun auf ihrem Blog regelmäßig vor den Gefahren, die eine solch' einseitge Ernährung auf Dauer mit sich bringen könnte.

Es gäbe noch so viele Kuriositäten, von denen man berichten könnte, aber ich will nicht zu viel schreiben. Okay, einer geht noch: Dr. Ray Kurzweil zum Beispiel schluckt 250 Pillen pro Tag - er schwört auf Nahrungsergänzungsmittel, weil er glaubt, dadurch seine Gesundheit zu verbessern und damit sein Leben verlängern zu können - andere Wissenschaftler wiederum warnen vor Multivitamintabletten, Alternativmedizin und Co. - eine Wirkung gäbe es nicht - im schlimmsten Fall würden solche Präparate sogar mehr schaden als nutzen...

Aber nun endlich zum Wesentlichen:

Hilfe, ich bin total im Zwiespalt ... Zwischen Genuss und schlechtem Gewissen

All das erweckt auf mich den Eindruck, dass wir dem Essen (und den Getränken) viel zu viel Gehalt und Bedeutung schenken - einserseits. Andererseits empfinde ich dann aber auch wieder das genaue Gegenteil: Ich sehe mir die (auf mich sehr verlogen wirkende) Lebensmittelindustrie an, ich beobachte die Menschen, wie unbedacht sie oft alles in sich hineinstopfen - Fertigprodukte mit Geschmacksverstärker und künstlichen Aromen ohne jeglichen Nährwert, hohe Maßen an Fett, Zucker und Salz - Verpackungen, auf denen nicht drin ist, was drauf steht usw. - gibt es vielleicht doch einen Zusammenhang zwischen Zivilisationskrankheiten wie Krebs oder Diabetes und dem Konsumwahn unserer Wegwerf-Gesellschaft? Ist selber kochen und anbauen wirklich immer besser? Alles sehr schwierig.

Und dann ist da noch die Frage nach Ethik und Moral beim Einkauf: Fairtrade, Bio, Gütesiegel, Recycling. Viele Bauern und Farmer verdienen fast NICHTS mehr, ich habe Bekannte die Landwirte sind - die bekommen so verdammt wenig Geld für ihre Leistung und ihre Produkte von den Konzernen, dabei sind sie doch eigentlich am wichtigsten für die Lebensmittel. Saisonal und regional - besser als Regenwald-Abholzungen und lange Importe mit viel CO2-Ausstoß? Andererseits geht's den ArbeiterInnen da drüben ja zum Teil noch viel schlechter, man will sie ja irgendwie unterstützen - und dann heißt es wieder, dass der Handel und die Wirtschaft für Österreich konstant bleiben sollen usw. - schwierig, schwierig.

Auch Dokumentationen wie beispielsweise Earthlings, Food Inc. und We Feed The World haben mir die Augen geöffnet und mich durch und durch schockiert - ich empfehle jedem, sich diese und andere Dokumentarfilme einmal anzusehen, auch wenn man am liebsten die Augen schließen und die Ohren zumachen würde, etwa beim Anblick von absolut grausamer Massentierhaltung und dem ganzen unnötigem Leid, Berge von weggeworfenem Brot in Wien (mit dem man ganz Graz einschließlich Bettler füttern könnte) und den korrupten Machenschaften, die sich in der Industrie tummeln.

*** Wie seht ihr das alles? Ich freue mich über eure Kommentare! ***

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Veronika Fischer

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