Wer jetzt an Sex denkt, sollte sich im Kino „Fifty Shades of Grey“ ansehen. Alle anderen sollten sich den Forderungen des Frauenvolksbegehrens zuwenden. Es hat am Dienstag bei den Unterstützungserklärungen schon jene 100.000 Unterschriften erreicht, die ihm eine Behandlung im Parlament und den direkten Weg in die Schublade garantieren, gleich wie viele Unterstützer in der Eintragungswoche noch hinzu kommen. Als schwacher Trost: Dort liegen schon 38 der 39 Volksbegehren der Zweiten Republik. Einzig dem Rundfunkvolksbegehren des Jahres 1964 wurde danach von der ÖVP-Alleinregierung per Gesetz Rechnung getragen.

Das sollte die Initiatorinnen nicht weiter entmutigen. Auch nicht die Tatsache, dass sie dieser Tage mit einer österreichspezifischen Skurrilität zu kämpfen haben: Ausgerechnet das „Don’t Smoke“-Volksbegehren gegen die Aufhebung des Rauchverbots ab 1.Mai stielt den Frauenanliegen derzeit die Show. Es wird mehr über den blauen Dunst geredet und geschrieben als über die rosa-blauen Stereotypen, die eine Gleichbehandlung oder gar Gleichstellung von Männer und Frauen in gesellschaftspolitischer, sozialer und ökonomischer Hinsicht, verhindern.

Es sollte sie auch nicht weiter entmutigen, dass sich bei der SPÖ nur die Frauenorganisation zur ausdrücklichen Unterstützung bereit erklärt hat, von den Männern nichts zu hören war; ÖVP und FPÖ und sogar die Vertreterin der Neos, Beate Meinl-Reisinger, im merkwürdigen Gleichklang der Argumente von überzogenen Forderungen sprechen. Aber um Parteipolitik soll es ja nicht gehen, sondern darum, dass das meiste des ersten Frauenvolksbegehrens 1997 („Alles was Recht ist“) und immerhin von 644.665 Österreicher und Österreicherinnen gut geheißen wurde, jetzt wiederbelebt werden muss – weil „Es Zeit ist“?

Ist es? Ist es nicht eher so, dass die Lebenswirklichkeit der Frauen in den letzten 21 Jahren um so viel vielfältiger geworden ist? Ende der neunziger Jahre hatte man noch mit elf Forderungen das Auslangen gefunden, heute sind es 30. Diese Fülle an Begehren macht es den Kritikern natürlich leicht, von Illusionen und Utopien zu sprechen und für viele Forderungen ein Gegenargument parat zu haben. Keine Liste der Begehrlichkeiten kann die unterschiedlichen Lebensentwürfe und Realitäten von Frauen wirklich abbilden.

Im gewissen Sinn waren die knapperen Forderungen des Jahres 1997 eher nachzuvollziehen als jene des Frauenvolksbegehrens 2.0. :

Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit (der Unterschied ist heute noch 25 Prozent)

Sozial- und arbeitsrechtliche Gleichstellung von Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung mit Vollzeitbeschäftigung

Öffentliche Aufträge nur für Firmen mit entsprechender Frauenquote

Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Betreuungseinrichtungen, Tagesmütter)

Gesetzlicher Anspruch auf Teilzeitarbeit bis zum Schuleintritt des Kindes und Rückkehrrecht

Längere Behaltefrist nach der Karenzzeit

Recht auf eine Grundpension unter Anrechnung von Kindererziehung und Pflegearbeit

Kein höheres Pensionsantrittsalter für Frauen bis in allen Bereichen Gleichberechtigung hergestellt ist.

Die Arbeitswelt ist seither um einiges komplizierter geworden, die Einstellung vieler Frauen aber hat sich auch geändert. Das spiegelt sich in der Liste der Forderungen jetzt nicht wirklich wider. Allein schon deshalb können selbst unterstützungswillige Frauen nicht mit allen Punkten einverstanden sein. Das sollte jedoch kein Grund sein, es nicht auf den parlamentarischen Weg zu bringen. Wenn man mindestens drei Punkte findet, für die es sich einzusetzen lohnt, dann hat das Volksbegehren schon einen ganz individuellen Wert. Dann kann man zum Beispiel die Forderung nach einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich oder die 50 Prozent Quote für Frauen auf allen politischen Ebenen und in der Wirtschaft negieren. Oder den kostenlosen Schwangerschaftsabbruch in allen öffentlichen Spitälern.

Frauen, die sich überlegen, das Volksbegehren in der Eintragungswoche doch zu unterstützen, täten gut daran, sich über ihre eigenen Prioritäten und Motive im Klaren zu sein. Es wäre verwunderlich, würden sie nicht den einen oder anderen Punkt finden, der für sie eine Verbesserung versprechen könnte.

https://frauenvolksbegehren.at/forderungen-frauenvolksbegehren

Wenn dem Volksbegehren ein Vorbehalt entgegen zu bringen ist, dann dieser: Es baut zu sehr auf der Erzählung von den Frauen als Opfer in einer Männerwelt auf, die sie an ihrer Selbstbestimmtheit in wirtschaftlicher Unabhängigkeit hindert. Das stimmt aber so nicht mehr, jedenfalls nicht mehr für alle. Oft haben Frauen eben andere Prioritäten als jene, die sich die Initiatorinnen für sie wünschen. Am Beispiel der Teilzeitarbeit lässt sich das leicht erkennen: Es gibt nicht wenige Frauen auch in gut bezahlten Berufen, die freiwillig ihre Arbeitszeit reduzieren, weil sie mehr Zeit – nicht nur für die Familie, wie man glauben möchte – für ihre individuelle Priorität, sei es ein Hobby, sei es schlicht und einfach mehr Freizeit, zur Verfügung haben möchten. Die Konsequenzen wie geringere Altersversorgung etc. sollten klar sein. Mit anderen Worten: Es fehlt die Differenzierung.

Diese aber ist von einem politischen Vorhaben wie einem Volksbegehren wahrscheinlich auch gar nicht zu leisten. So kann es nur um einen neuen Anlauf zur Schaffung eines Problembewusstseins gehen. Er müsste nur nachhaltiger sein als der erste Versuch.

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