Presse, Sozis, SPÖ: Schluss mit Wischiwaschi!

Ach, halt die Presse!

Vielmehr als über das, was am Yppenplatz letzen Sonntag passiert ist, sagen die Zeitungsberichte etwas über die generelle Pressearbeit aus. Man las überall den selben Wortlaut. Auch im "linken" Standard wurden die linken Gegendemonstrant_innen wiederholt als "Angreifer" bezeichnet. Die Polzei selbst nahm jedoch keine Baseballschläger wahr und sprach von "Bedrängung" der Identitären. Kleine Zeitung und Kurier hingegen behaupten, es wären Attacken mit Baseballschläger gewesen und das auch noch "laut Exekutive", obwohl selbige Behauptung, wirklich laut Exekutive, von den Identitären selbst stammte. Die auch meinten, einen Kilometer weit gerannt zu sein, ehe sich bei der Polizei in Sicherheit bringen konnten. Was angesichts der Tatsache, dass die Polizei von der angemeldeten Kundgebung wusste und deshalb schon - mit weit mehr Teilnerhmer_innen rechnend - vor Ort war, eher unrealistisch erscheint. Es sei denn, die Fliehenden hätten sich zwischen den Standeln verlaufen. Ein Artikel wiedersprach sich selbst, wonach es weiter oben keine, weiter unten doch zwei Festnahmen gab. Aber so sieht Pressearbeit über Randthemen eben aus. Selbst wenn nur drei Identitäre auftauchen, gibt es Schreiberlinge, die sich verzählen.

Idioten überall

Dass Feuerwerkskörper geworfen wurden, wurde hingegen von der Polizei bestätigt. Passt auch zu meiner persönlichen Erfahrung mit antifaschistischen Gegendemos. Es gibt immer ein paar Idioten... selbst wenn es nur ein Schwarzvermummter, mit einem Wurf, am Ende der Demo ist, ruiniert es den zivilgesellschaftlichen, friedlichen Anspruch antifaschistischer Bewegungen im Auge der Öffentlichkeit. Mir jedenfalls ist der "Schwarze Block" genauso politischer Gegner wie der "braune" am anderen Ende der Polizeiabsperrung.

Was nicht alles "links" ist?

Daran zerbricht nämlich das (Selbst-)Verständnis der Linken. "Links"? Also Sozialismus irgendwie? Der wird gerne unterteilt in Kommunismus, Sozialdemokratie und Anarchismus (mit jeweils gefühlt einer Million Untergruppen). Kompliziert. Und widersprüchlich.

Der Kommunismus ist radikaler Antikapitalismus. Aber die weitgehende Besitzlosigkeit im Privaten kann nur von einem übermächtigen Staatsaparat durchgesetzt werden, der sich, aufgrund seiner Kontrolle über die (Privat)Menschen, schlecht mit Demokratie verträgt. Zuviel Staat.

"Linksextremist_innen" die per Wurfarm demonstrieren, gehören wahrscheinlich eher zum Anarchismus. Der funktioniert als Privatvergnügen, aber schließt definitiv die Anwendbarkeit auf ein Gesamtsystem für alle Staatsbürger_innen aus. Zuviel Privat.

Sozialdemokratie ist mehr als der Weg der Mitte. Sie ist der einzig demokratisch und staatlich realisierbare Sozialismus. Ihre Gemeinsamkeiten mit den anderen Richtungen sind universale ethische bzw. humanistische Ansprüche, die man auch in liberalistischen oder religiösen Ideologien finden kann. Ihre Unterschiede sind jedoch realpolitisch so schwerwiegend und folgenreich, dass man, im Sinne der Zielsetzung und Umsetzbarkeit, nur von ihr, dem demokratischen, als Sozialismus sprechen sollte. Kommunismus und Anarchismus gehören nur dem Wunsch nach in die selbe Kategorie.

So wie es viele Musiker_innen gibt. Aber wer nur unter der Dusche singt oder per Kommerz-Dauerdiktat allen Supermarktkund_innen aufgezwungen wird, wird von anderen selten so - musizierend - wahrgenommen.

Gleiches Recht für alle

Sozialismus braucht Verwaltung und Gesetzlichkeit, auf ein Land bezogen: Staatswesen und Rechtsstaat, die gerechter- und idealerweise dem Gemeinwohl dienen. Darunter fällt so manches Rauchverbot genauso wie die Menschenrechte. Die Identitären hatten an jenem Tag das verfassungsmäßige Recht, diese Kundgebung abzuhalten (mich wundert, dass sie die Ermordete nicht schon viel früher, als gefundenes Fressen, vereinnahmen wollten).

Man kann als Sozialist_in und Antifaschist_in daraufhin eine Gegenkundgebung veranstalten. Aber man darf das Recht anderer nicht verletzten, das man für sich selbst in Anspruch nimmt. Sonst verliert sich die Unterscheidbarkeit zum Rechtsextremismus, zur system-inhärenten Ungerechtigkeit des Faschismus.

Antifaschismus muss nicht "links" sein. Aber linke Antifaschist_innen, also Sozialist_innen, sollten sich von Linksextremist_innen auch bei Demonstrationen abgrenzen; Gewalt, gegen Polizei und politische Gegner_innen aus ihren Reihen, von sich aus verhindern. Wer nicht als Staatsbürger_in auftritt, sondern als Staatsgegner_in, verliert den Anspruch auf politische Mitgestaltung im Staat/des Staates. Und das, während die Rechtsextremen dabei sind, sich als vermeintliche "Stimme der Vernunft" in die Hofburg zu schleimen?! Antifaschismus sollte sich im Vergleich dazu nicht auf ein halbstarkes Straßenbild reduzieren.

Apropos Sozialdemokratie

Das Dillema passt zur Situation der SPÖ. Faymann repräsentierte, mit seiner ständig wechselnden Haltung als Krone-Kanzler, wie kein anderer die fehlende Abgrenzung, die mangelnde Unterscheidbarkeit zu anderen politischen Richtungen. So wie Linksextremismus oder Anarchismus kein im Staat funktionierender Sozialismus sein können, kann sich die SPÖ nicht mit der FPÖ zusammentun, ohne ihre Existenz als Sozialdemokratie aufzugeben.

Mein Lieblings-Pub war einmal ein Elektrofachgeschäft. Das steht immer noch auf der Fassade sowie das eine oder andere antike Radiogerät im Inneren. Als Dekoration. Kann man deshalb behaupten, dass es sich um ein Elektrofachgeschäft mit Bierausschank handelt?

Auch das reflexhafte Verteidigen Putins, das Schmußen mit seinem Kult ist bereits vom europäischen Rechtsextremismus besetzt. Manche Kommunist_innen mögen sich, von Antiamerikanismus und Sowjetromantik geblendet, heimlich in seine Tyrannei verlieben; für die Sozialdemokratie wäre es allerdings politischer Selbstmord, diesen Weg zu gehen.

Einsamer Felsen in der Brandung

Echter Sozialismus funktioniert letztlich nur demokratisch. Demokratie (für alle) braucht Staat. Der Staat muss sozial gerecht sein, ansonsten verliert sich die Demokratie wie von selbst. Daraus ergibt sich das zweite Hauptproblem der Sozialdemokratie: Ihre Gegner liegen nicht nur "rechts". Sie liegen in allem, was extremistisch, totalitär, plutokratisch, militaristisch, antidemokratisch und vor allem antihumanistisch ist. Sie liegen in der Korruption, auch in der eigenen. Sozialdemokratie könnte ein Felsen in der Brandung sein, bleibt aber ein einsamer Felsen (die Grünen haben zumindest eine ähnliche Zielsetzung).

Chance für neues Verständnis

Vielleicht befinden wir uns in einer Phase, in der das politische Wischiwaschi aufgelöst wird und sich erneut konkrete Positionen herauskristallisieren; Politiker_innen dazu gezwungen werden, solche Positionen einzunehmen. Selbst die alten Kellernazis trauen sich vemehrt und ungeniert, in der Öffentlichkeit das Maul aufzureissen. Das kann ein Symptom des Verfalls sein. Das kann aber auch die Chance sein, die Konflikte, die so lange eher im Verborgenen schwelten, klarer zu erkennen und offen anzugehen. Jedenfalls sollten wir alle unsere alten Begriffe abstauben und neu ordnen. Vor allem die SPÖ.

Werner Faymann

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Gerhard Novak

Gerhard Novak bewertete diesen Eintrag 12.05.2016 02:27:02

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