Der Inbegriff von Bunt war für mich Bob Marley. Kiffen und Reggae war wunderbar exotisch und das Gegenteil der grauen Welt, in der man in Mitteleuropa aufwuchs.

Erste Risse bekam die bunte Welt des Reggae, als eine Art Guru bzw. (weißer) Rasta Teil unserer Kiffer-Runde wurde. Meine damalige Freundin, die sonst sogar noch linksalternativer als ich drauf war, teilte mir offenbar von seinen original-jamaikanischen Lehren beeindruckt, plötzlich mit, keine Schwulen zu mögen.

Für mich war die Idee, keine Schwulen zu mögen, genauso absurd, wie keine Schwarzen zu mögen. Dass linksalternative Mittelschichtskinder für solche Ideen offen sein könnten, wenn sie nur exotisch genug verpackt daher kämen, war eine seltsame Erkenntnis. Ich hätte mir weder Antipathie noch Sympathie von einem Guru oder Rasta verordnen lassen. Viele scheinbar besonders bunte Kiffer waren dafür jedoch offenbar empfänglich.

In den 90ern kam eine Reihe sogenannter "Battyman Tunes" heraus, welche deftige, überaus brutale Texte gegen Schwule enthielten. Reggae-Stars wurden von weißen Mittelschichtskindern für ihre Hass-Texte gegen Schwule abgefeiert.

Buju Banton - Boom Bye Bye

Capleton - Bun Out The Chi Chi

TOK - Chi Chi Man

Letztlich wurden die "Battyman Tunes" erfolgreich von Schwulen- und Lesbenorganisationen bekämpft und mussten aus den Programmen gestrichen werden, das sonst Ausftrittsverbote gedroht hätten.

Ich fand es hingegen lehrreich, erfahren zu haben, dass eine scheinbar buntfreundliche exotische Welt in Wahrheit auch ihre erzkonservativen, dunklen Seiten hatte. Diese Seite aus den europäischen Konzerten zu verbannen, ändert meiner Meinung nach nichts an der Realität, sondern führt lediglich dazu, dass man sich über andere Kulturen besser in die Tasche lügen kann.

Im Nachhinein wurde mir auch ein Umstand bewußt, warum die Battyman Tunes in Jamaika so verbreitet gewesen sein dürften. Jamaika war ähnlich wie Haiti ein Sextourismus-Land. Und zwar gerade auch mit männlicher Prostitution, die in vielen Dancehall-Tracks besungen wird.

In Haiti hatte homosexueller Sex-Tourismus vermutlich zur Ausbreitung von AIDS geführt und der Ruf Haitis als AIDS-Land hatte dann den Tourismus und damit die wirtschaftliche Grundlage des armen Insel-Staats ruiniert. Die Angst vor dem Schicksal Haitis hatte wohl bewußt oder unbewußt den Mindset in Jamaika geprägt.

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Kai-Uwe Lensky

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