Die abgelaufene Woche verlief –gelinde gesagt– wechselhaft. Während die Aktienmärkte am Montag als Folge des Brexit-Schocks Watschen kassierten wie ein Bösewicht aus einem Bud Spencer-Film, erfolgt ab Dienstag die Auferstehung und am Ende der Woche waren wir wieder praktisch dort, wo wir angefangen hatten. Was waren die Gründe für diese Rückkehr der Bullen?

Einerseits waren da natürlich die Schnäppchenjäger und die Einsicht, dass vielleicht nicht alle Firmen gleichermaßen von einem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU betroffen wären. Wenig überraschend zählten diese Woche die defensiven Sektoren, wie Health Care und die Nahrungsmittelhersteller zu den Gewinnern. Denn immerhin müssen die Briten auch außerhalb der EU ihre Medikamente nehmen und essen (insofern man die britische Küche als Essen bezeichnet, aber das ist ein anderes Thema). Zu den schwächsten Sektoren zählten die Banken (wobei hier noch Probleme mit dem Bankensektor in Italien und die mittlerweile gewohnten negativen Nachrichten über die Deutsche Bank hinzukamen), Firmen aus der Reisebranche sowie die Autowerte, die von Handelsbarrieren und dem Wegfall der Reisefreiheit betroffen wären.

Ein weiterer Faktor für die Stimmungsumkehr an den Börsen waren wohl positive Unternehmensnachrichten aus den USA. Beispielsweise konnte Nike dem bisher totgeglaubten Einzelhandelssektor wieder Leben einhauchen. Das Unternehmen berichtete von stärkerer Nachfrage in fast allen Kategorien und niedrigen Lagerbeständen, eine äußerst positive Konstellation. Daneben machten auch wieder M&A-Meldungen die Runde: Mondelez, bei uns bekannt durch Milka-Schokolade und Jacobs Kaffee, gab ein Übernahmeangebot für den Schoko-Konkurrenten Hershey ab. Zwar bekam das Unternehmen die kalte Schulter gezeigt, die Aktie von Hershey konnte jedoch um über 16 % zulegen.

Übernahmeangebote wie diese und positive Nachrichten aus schwierigen Branchen sind der Stoff, aus dem die Albträume von Shortsellern gemacht sind. Investoren, die auf fallende Kurse im Einzelhandelsbereich setzten (aufgrund der Dominanz von Amazon in den letzten Monaten eine sehr lukrative Wette) oder die hohe Bewertung der Nahrungsmittelhersteller für Leerverkäufe nutzen wollten, verbrannten sich böse die Finger. Ein weiterer positiver Aspekt war die Erholung des Ölpreises, der sich nach seinem „Post-Brexit“-Verfall wieder der Grenze von USD 50 je Barrel annäherte und die Ölfirmen mit nach oben zog. Die bisherige Spanne zwischen USD 45-50 je Barrel scheint weiter zu halten…

Insgesamt spielt wiedermal die Stimmung eine sehr gewichtige Rolle: Hatte man zu Wochenbeginn noch Angst vor den wirtschaftlichen Folgen des Brexit und sogar dem Zerfall der EU per se, überwiegt nun die Einschätzung, dass im Endeffekt doch nicht alles so schlimm ist, sowieso noch 2 Jahre dauert und falls es wirklich hart auf hart kommt gibt es ja auch noch die Notenbanken. Nüchtern betrachtet sind die Auswirkungen auf die Realwirtschaft, die diese seltsamen Bewegungen an den Aktienmärkten ja in irgendeiner Weise abbilden sollte, sehr schwer einzuschätzen und vor allem von weichen Faktoren abhängig: Verzögern Unternehmen ihre Investitionen aufgrund der Unsicherheit? Stellen Konsumenten Großanschaffungen wie Käufe von Häusern oder Autos hinten an, weil sie mit einer Abkühlung der Wirtschaft rechnen? Zum Drüberstreuen kommen noch die Aktionen der Notenbanken dazu, die versuchen werden die Wirtschaft in Gang zu halten, auch wenn ihre Mittel dafür ähnlich geeignet sind wie Fußballhandschuhe für das Zusammenbauen eines Uhrwerks…

Als Investor steht man also weiterhin vor einem Dilemma: Die Renditen für sichere Anleihen erreichen beinahe täglich neue Tiefststände (mittlerweile darf man dem deutschen Staat über 0,13 % ZAHLEN, damit er sich 10 Jahre lang ums Geld kümmert) und alternative Anlageklassen halten auch nur selten das, was sie versprechen. Da die Nachrichtenlage von der Unternehmensseite bis auf einige Ausreißer weiterhin dünn bleiben dürfte, könnten politische Themen an den Aktienmärkten weiterhin eine gewichtige Rolle spielen. Die dadurch verursachten Schwankungen mögen zwar viele Investoren abschrecken, sie sind jedoch in Wahrheit einer der Gründe, der Aktien attraktiv macht. Zwar dürften die Schätzungen der Analysten für eine Vielzahl von Firmen in den nächsten Wochen einen sommerlichen Kurzhaarschnitt verpasst bekommen, abseits der Epizentren wie Banken und Versicherungen finden sich jedoch immer wieder Schnäppchen und Rohdiamanten. Manchmal muss man einfach nur ein bisschen Geduld haben…

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fischundfleisch

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Bernhard Haas

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