Die Bleistifte sind gespitzt, die Excellisten hergerichtet und die Telefone für Conference Calls bereitgestellt: Die (wahrlich) heiße Phase der Berichtsaison hatte die Börse diese Woche fest im Griff. Wie so oft im Leben gab es dabei Gewinner und Verlierer, insgesamt kann man die Berichtsaison bisher aber als durchaus ok bezeichnen…

Die Gewinner: Hier gab es diese Woche einen recht bunten Strauß an Unternehmen, die mit ihren Zahlen überzeugen konnten. Adidas machte sich auf zu einem neuen Allzeithoch, nachdem die Gewinnprognose aufgrund guter Verkäufe im Anschluss an die EM angehoben wurde. Vielleicht hat ja auch der eine oder andere heimische Investor die Aktie im Portfolio, damit hätte man zumindest auf diese Weise einen versöhnlichen Abschluss mit dem Großereignis…

Gut lief es auch für den Technologiesektor in dieser Woche. Auslöser waren unter anderem die überraschend guten Zahlen von Apple. Die größte Firma der Welt (zumindest nach Marktkapitalisierung) verkaufte zwar deutlich weniger als im vergangenen Jahr, die Analysten hatten jedoch mit noch stärkeren Rückgängen gerechnet und auch der Serviceberiech (iTunes und iCloud) konnte überzeugen. Die Aktie legte daraufhin innerhalb eines Tages um über 7 % zu, was über USD 50 Mrd. entspricht oder knapp 2/3 der Marktkapitalisierung des GESAMTEN ATX. Passend dazu war auch der Optimismus des heimischen (aber in der Schweiz notierten) Sensorherstellers ams. Nach einigen Enttäuschungen in den letzten Quartalen reichten Zahlen im Rahmen der Erwartungen und ein positiver Blick in die Zukunft für eine Rally von über 14 % aus. Nicht vergessen darf man auch den heimischen Kranhersteller Palfinger, der wie so oft gute Zahlen vorlegen konnte. Zwar brummt die Wirtschaft nach wie vor nicht so richtig, für eine an sich recht zyklische Firma liefert das Unternehmen jedoch erstaunlich solide Ergebnisse. Was sich mit einem guten Management und einer cleveren Strategie so alles bewerkstelligen lässt…

Eine gute Strategie könnten auch einige Ölfirmen gebrauchen, denn die diese Woche berichteten Zahlen fielen durch die Bank miserabel aus. Während in den letzten Quartalen das Raffineriegeschäft einen gewissen Ausgleich zum schwachen Ölpreis bot (Raffineriemargen steigen in der Regel bei fallenden Ölpreisen, da dadurch der „Rohstoff“ billiger wird), war davon in diesem Quartal nur wenig zu sehen. Da noch immer zu viel Raffineriekapazität in Europa vorherrscht und sich der Ölpreis etwas erholt hat (jedoch nicht genug um das Explorationsgeschäft merklich anzukurbeln) schrumpften die Margen drastisch zusammen. Sicherlich ein „gutes“ Vorzeichen für die Zahlen der heimischen OMV in 2 Wochen, immerhin verdiente das Unternehmen in den jüngsten Quartalen bis zu 80 % seines Geldes im Downstream-Bereich (Raffinerien und Tankstellen) - ganz zu schweigen von der Tatsache, dass man der größte Tankstellennetzbetreiber in der Türkei ist.

Die Antwort der Ölfirmen: wenig überraschend weitere Kosteneinsparungen. Die zweite Branche, in der ähnlich viel gespart werden muss sind die Banken. Lieblingsprügelknabe der Anleger war hier wieder einmal die Deutsche Bank, die im Wochenverlauf beinahe 10 % abgab und sich seit Jahresbeginn beinahe halbiert hat. Womit wir wieder beim Thema Strategie wären, denn diese fehlt vielen Banken im Moment. Es wird einfach auf die Kosten gedrückt, Investitionen in die Zukunft oder neue Technologien bleiben dabei auf der Strecke. Management à la Vogel Strauß ist zwar eine kurzfristige Möglichkeit, auf lange Sicht jedoch recht gefährlich. Andererseits stellt sich die Frage, ob man sich „innovative“ Banken überhaupt wünschen soll. 2007/08 hat das ja nicht ganz so gut funktioniert…

Etwas kreativer zeigt man sich im Moment bei der heimischen Immofinanz: Das problematische Russland-Portfolio soll bekanntermaßen abgespalten werden, danach will man gemeinsam mit der CA Immo zu einem der größten Immobilienkonzerne in Europa aufsteigen. Der Weg dorthin ist jedoch steinig: Zwar konnte man erste Erfolge bei der Vermietung im „Restportfolio“ erzielen, gerade in Russland musste das Unternehmen jedoch weitere Rückgänge verzeichnen. Die letzten im Sommer berichteten Jahreszahlen (das Unternehmen will sich per Jahresende von seinem schiefen Geschäftsjahr verabschieden) fielen wenig erfreulich aus und hinterließen bei einigen Investoren Fragezeichen. In den nächsten Wochen und Monaten wird der Fokus wohl verstärkt darauf liegen, ob die Versprechungen auch eingehalten werden und ob wir mehr Klarheit bezüglich Russland bekommen.

Gerade in einem Umfeld wie diesem, in dem das Wachstum auf einige wenige glückliche Bereiche beschränkt ist (Cloud-Anwendungen und Laufschuhe gehören offenbar dazu) wird gutes Management immer wichtiger. Ein guter Captain kann sein Schiff auch durch stürmische Gewässer sicher führen, ein schlechter schafft auch am Neusiedlersee eine Havarie. Die Berichtsaison ist ein opportuner Zeitpunkt, sich das eigene Portfolio mal durchzusehen, ob nicht der eine oder andere Schettino am Ruder sitzt…

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