Von Scheichs und verwirrten Notenbankern.

„Vielleicht tauchen ja wieder die üblichen Gerüchte über eine Kürzung der Fördermenge auf, die seltsamerweise immer ungefähr bei diesem Preisniveau durch die Medien geistern.“ Das ging ja schnell. Nur wenige Stunden, nachdem diese Zeilen letzte Woche verfasst wurden, einigten sich Saudi Arabien und Russland auf eine „Kooperation“ zur „Stabilisierung“ des Ölpreises. In einer recht volatilen Bewegung konnte das schwarze Gold im Wochenverlauf deutlich zulegen, ein Plus von knapp 9,5% stehen zu Buche. Wenig überraschend setzten sich damit auch bei den Aktien die Ölwerte an die Spitze der meisten Performanceranglisten, knapp gefolgt von anderen Rohstoffwerten. Ändert sich durch diese Ankündigung etwas an der fundamentalen Markteinschätzung? Nur bedingt, denn der Ölpreis (bzw. eigentlich der Preis jedes Guts in einem halbwegs kompetitiven Markt) reflektiert grundsätzlich den Preis des TEUERSTEN Barrels (das „marginale Barrel“, wenn Sie bei Dinnerparties für Aufsehen sorgen wollen). Könnte noch jemand den Markt billiger versorgen, würde dieses Öl auch produziert und der Preis dementsprechend sinken, solange bis es sich nicht mehr auszahlen würde, neues Material aus dem Boden zu holen.

Dieses „marginale Barrel“ wird aber weder in Russland, noch in Saudi Arabien produziert, sondern im Moment in irgendwelchen Schiefergasfeldern in den USA. Dies ist auch der große Unterschied zu den „alten“ Ölkrisen, aus der Zeit vor der Schiefergasrevolution: Damals war die Ölnachfrage deutlich geringer als heute (in absoluten Zahlen; relativ zur Outputleistung der Weltwirtschaft verbrauchen wir mittlerweile deutlich weniger Öl als in den Jahrzehnten davor!), wodurch sie praktisch gänzlich aus OPEC-Ländern befriedigt werden konnte. Dadurch hatten Produktionskürzungen in diesen Ländern dramatische Auswirkungen auf die Preise: Wenn die „Billigproduzenten“ ihren Output drosseln, kommt das teuerste Barrel nicht mehr aus dem Irak, wo um USD10/bbl produziert werden kann, sondern bspw. aus Tunesien, wo die Produktionskosten eher bei USD20-30/bbl liegen oder sogar aus den USA, wo eher USD40-50/bbl vonnöten wären (die Zahlen dienen nur der Illustration; in Wahrheit sind die jeweiligen Förderpreise stark von der Geologie des jeweiligen Ölfeldes und der Steuersituation in den Ländern abhängig).

Kommt das marginale Barrel aber von Haus aus schon aus anderen Ländern, ist die Situation etwas diffiziler. Das große Problem hierbei ist die hohe Flexibilität des Schiefergases, wodurch die Produktionsmenge recht schnell an die Marktverhältnisse angepasst werden kann. Aufgrund der signifikanten geologischen Unterschiede innerhalb der USA (wer schon mal die Route 66 erkundet hat, kann bestätigen: die Vereinigten Staaten sind GROSS) gibt es ein breites Spektrum an Förderkosten: manche Felder können bereits um einige wenige Dollar/Barrel produzieren, in anderen Gegenden können die Kosten auch schon mal dreistellig werden.

Durch diese „eingebaute Flexibilität“ ist es sehr wahrscheinlich, dass unser marginales Barrel auch die nächsten Jahre noch aus irgendeinem Schiefergasfeld in Texas, Pennsylvania oder einem der Carolinas kommt. Ohne dramatische Outputreduktionen bei den anderen Produzenten (z.B. durch Kriege oder andere Schocks) dürften Preisausschläge (nach oben und nach unten) auch mittelfristig durch Produktionsanpassungen in den USA ausgeglichen werden können. Die OPEC kann zwar am Ende des Tages noch immer die Preise rauftreiben, allerdings nur, wenn sie dafür akzeptiert, dass die USA einen deutlich größeren Teil vom Kuchen bekommen. Und ob das politisch durchsetzbar wäre ist wohl sehr fragwürdig…

Apropos fragwürdig: Auch die Notenbanken sorgten diese Woche wieder für Schlagzeilen. Stellen Sie sich vor Sie hören sich den Conference Call einer großen Firma an. Der CEO bestätigt darin Zeitungsgerüchte über eine geplante Übernahme. Kurz darauf meint der CFO jedoch in einem Fernsehinterview, dass die Übernahme eine schlechte Idee ist und dementsprechend nicht passieren wird. Zu allem Überfluss schreiben die Analysten auch noch unterschiedliche Reports über die Sinnhaftigkeit des Unterfangens. Höchstwahrscheinlich wären sie relativ verwirrt über die Situation. Etwas sehr Ähnliches spielt sich derzeit in den USA ab, wo einige Fed-Mitglieder jede Gelegenheit nutzen, um ihrer Chefin Yellen zu widersprechen, was die Sinnhaftigkeit von Zinserhöhungen angeht.

Dass es dieses Jahr eine Zinserhöhung geben wird, dürfte recht fix sein, die wichtigere Frage ist jedoch, ob es bei einem kleinen Schritt bleibt, oder ob wir uns auf mehrere Anpassungen vorbereiten müssen. Hatte Yellen in ihrer Rede beim Jackson Hole- Symposium noch betont, dass eine einzelne Zinserhöhung vermutlich ausreichen würde, so reden einige Gouverneure bereits über mehrere Schritte in kurzer Zeit. Auch die makroökonomischen Daten sind dabei wenig Entscheidungshilfe: Auf einen sehr guten Arbeitsmarktbericht folgt ein sehr schlechter. Gute Auftragseingänge für langlebige Güter werden von miserablen Autoabsatzzahlen überschattet, etc.

Vielleicht machen wir uns zurzeit auch nur zu viele Sorgen um diese „Makrothemen“, wie sooft wenn gerade kaum Unternehmensmeldungen anstehen. Wenig darum kümmern dürfte sich der deutsche Immobilienriese Vonovia, der diese Woche ein Übernahmeangebot für die heimische conwert vorlegte. Vielleicht sollten wir weniger Zeit damit verbringen, Reden von Notenbankern, Politikern und anderen „wichtigen Personen“ zu studieren und mehr damit, die NÄCHSTE conwert zu suchen. Denn es gibt immer ein nächstes Mal…

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