Nur 1.800 Euro Geldstrafe für einen Mann, der Kinder jahrelang verprügelt hat: Das ist einer der Skandale, mit denen ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz aktuell für höhere Strafen bei Gewaltdelikten wirbt. Das Problem daran: Den genannten Urteilsspruch hat es so nie gegeben.

Dragan Tatic - https://www.flickr.com/photos/minoritenplatz8/31441079124/

Es sind häufig diskutierte Fragen, die Kurz nun in den beginnenden Wahlkampf einbringt: Sind die Strafen für Gewaltdelikte in Österreich zu milde? Gibt es ein Missverhältnis zwischen den Strafrahmen für Vermögens- und jenen für Gewaltdelikte? Fragen, zu denen es verschiedene Meinungen gibt. Fragen, bei denen unterschiedliche Weltanschauungen emotional aufeinandertreffen. Fragen, für die es keine eindeutig richtigen oder falschen Antworten geben kann. Auf eine Gemeinsamkeit sollten sich aber alle Seiten einigen können, nämlich bei den Fakten zu bleiben.

Sowohl auf seiner Homepage als auch in Interviews (zum Beispiel hier) behauptet Sebastian Kurz, dass ein Mann, der jahrelang Kinder verprügelt hat, dafür nur zu einer Geldstrafe von 1800 Euro verurteilt wurde. Das stimmt nicht. Aber wie war es wirklich? Tatsächlich standen 2017 in dem Fall, den Kurz zitiert, ein Mann und seine Lebensgefährtin in Wien vor Gericht. Die Vorwürfe: sexueller Missbrauch von Unmündigen, Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses, Körperverletzung, fortgesetzte Gewaltausübung und Freiheitsentziehung. Allerdings wurde das Paar freigesprochen, weil im Verfahren Ungereimtheiten aufkamen, die zeigten, dass die Taten so nie stattgefunden haben konnten (etwa hier ausführlich nachzulesen). Zwar erhielt der Mann tatsächlich eine Geldstrafe von 1800 Euro, aber eben nicht wegen irgendwelcher Gewaltdelikte, sondern weil er trotz Waffenverbots einen Pfefferspray besaß.

www.sebastian-kurz.at am 22.8.2017 http://www.sebastian-kurz.at

Medien übernehmen Kurz' Behauptung ungeprüft

Am 21. August 2017 kam Andreas Koller von den "Salzburger Nachrichten" Kurz zu Hilfe und kritisierte all jene, die sich über dessen Vorschlag härterer Strafen empörten oder lustig machten. Koller hatte Recht damit. Unser Justizsystem darf und soll kritisiert werden. Schließlich lebt es auch von der Akzeptanz des Volks. Allerdings übernahm er in seinem Text Kurz‘ Behauptung ungeprüft, wonach ein Gericht 1800 Euro Geldstrafe für ein schlimmes Gewaltdelikt verhängt hatte. Somit trägt er – vermutlich unbewusst – dazu bei, dass in der Öffentlichkeit nicht über Fakten, sondern über gefühlte Wahrheiten diskutiert wird. Auch in der „Neuen Vorarlberger Tageszeitung“ erschien der falsche Urteilsspruch.

Update: In seiner Kolumne vom 28. August 2017 stellte Andreas Koller in den "Salzburger Nachrichten" den oben beschriebenen Recherchefehler richtig.

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SHG Mobbing Graz

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Alexander Müller

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