Blog-Bild: "Swinger"

In dem Film „The Theory of Everything (Die Entdeckung der Unendlichkeit)“ gab es eine Szene, wo der Studienfreund Stephen H. die Stiegen hinaufträgt. Mittlerweile sitzt er schon im Rollstuhl, da er an Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) erkrankt ist. Sein Freund fragt ihn, ob alle Teile des Körpers davon betroffen sind. Stephen antwortet:“Anderes System“.

Ich will nicht allzu viel über den Film verraten, da ihn sich vielleicht einige von Euch noch ansehen möchten.

Aber diese Szene erinnerte mich an meine Gedanken vor vielen Jahren. Ich fragte mich damals, wie ist das für Menschen die krank oder behindert sind mit Zärtlichkeit und Sexualität? Wie kommen diese Menschen, wenn sie keinen Partner haben zu Wärme und Nähe? Wie und von wem können diese Bedürfnisse abgedeckt werden?

Es ist doch schon oft in einer Beziehung recht schwierig, wenn ein Partner krank ist, dass der andere ausreichend für den anderen da ist. Und da spreche ich noch nicht von sehr schweren Erkrankungen.

Klar, wenn ich 39,5 º C Fieber habe, mir die Nase rinnt, ich permanent husten muss und dicke Socken trage, ist die Lust auf Sex sicherlich nicht so ausgeprägt. Doch Zärtlichkeit und Nähe fördert sicherlich meine Gesundung. Was ist aber, wenn mich tatschlich eine ganz schlimme Krankheit ereilt? Aus leidvoller persönlicher Erfahrung weiß ich, es ist verdammt hart. Wenn der Partner nicht bereit oder stark genug ist, scheitert die Beziehung.

Gerade psychische Erkrankungen führen oft zu Trennungen, weil das Umfeld meist völlig damit überfordert ist. Es ist ja für mich als kranker Mensch schon schwer genug damit um zu gehen. Doch psychische Erkrankungen sind wohl hinsichtlich Liebe, Nähe, Zärtlichkeit und Sexualität ein ganz eigenes und spezielles Kapitel.

Was also passiert mit Menschen, die wie Stephen H. im Rollstuhl sitzen oder eine andere schlimme Erkrankung haben?

Beim recherchieren stieß ich auf den Begriff der Sexualbegleitung. Für diesen Beruf gibt es einen Lehrgang der ein Jahr dauert. Nach dieser Ausbildung erhält man dafür eine Bestätigung in Form eines Zertifikates. Dies bestätigt auch hohe Qualität des Arbeitszuganges.Infos zum Nachlesen.

Vorerst war ich beruhigt zu wissen, dass es dafür eine professionelle Unterstützung gibt. Jedoch gibt es lediglich 15 Personen, die mit dieser Ausbildung, diesen Beruf in Österreich ausüben. Da erübrigt sich die Frage, ob es dafür ausreichend Menschen gibt, die sich eben auch um die Bedürfnisse der Zärtlichkeit kümmern.

Damals, als ich diese Recherche einholte, überlegte ich sogar mir diese Ausbildung näher an zusehen. Diesen Gedanken musste ich ziemlich bald verwerfen. Zum einem waren die Kosten für diesen Lehrgang immens hoch und zum anderen bin ich dann selbst erkrankt.

Pflege ist ohnehin ein brisantes Thema. Die zu erwartende „Überalterung“ in der Gesellschaft beginnt bereits jetzt und nicht erst in der Zukunft. Viele Menschen haben das Glück und es gibt noch Familienangehörige, die Zeit und Energie für die Betreuung ihrer Verwandten einsetzen. Es sind die unzähligen privat engagierten Personen, die ihre Mitmenschen in vielerlei Dingen im Alltag unterstützen. Nicht ausschließlich altersbedingte Krankheiten und Leiden bedürfen Hilfe und Unterstützung.

Wahrscheinleich wird man diesen praktischen Beistand irgendwie auch in Zukunft mithilfe von Robotern oder anderen elektronischen Möglichkeiten aufrecht halten können. Das Einkaufen, Kochen, Füttern, Wohnung sauber halten, Kleidung und „Patient“ waschen, Haare frisieren und schneiden, Finger und Fußnägel abknipsen, Medikamente reichen uvm. werden unpersönliche Maschinen erledigen. Wo bleiben die Nähe, die Zärtlichkeit, die Liebe und die Sexualität für Kranke, Alte und Behinderte?

Cybersex, käufliche Liebe, Selbstbefriedigung?

Immer wieder höre ich von (noch) jungen gesunden Frauen und Männern, sie wollen sich nicht mehr fix binden. Ein Partner, der Tag und Nacht an einem klebt, igitt! Welch grausame Vorstellung. Ja grausam ist es dann, wenn der „falsche“ Mensch da ist. Der, der nicht bereit ist, auch in etwas schwierigeren Situationen noch da zu sein. Ich persönlich wollte nie alleine sein, trotz meiner 34 Jahre desolater Familienverhältnisse. In jeder meiner Beziehungen habe ich bis zum Ende dafür mein Bestes gegeben. Natürlich muss jeder auf sein eigenes Wohlbefinden achten. Es bedarf sicherlich nicht den absoluten Altruismus um gemeinsam eine harmonische Partnerschaft zu führen.

Ich bin froh, dass ich einige Freunde habe, bei denen ich derartige liebevolle, umsorgende, herzliche, liebevolle, fürsorgliche, freundschaftliche, achtsame und menschliche langjährige Partnerschaften miterlebe. Sie zeigen mir, dass es klappen kann.

Deshalb werde ich weiter daran arbeiten, in Zukunft nicht alleine zu sein. Es ist nicht wirklich schön. Ich kann mir zwar damit nicht die verlorene Zeit meiner Kindheit und Jugend zurückholen. Doch ich darf umsorgen und ich werde umsorgt. Nicht zu verwechseln mit Versorgung. Es ist einfach ein befriedigendes Gefühl sich um den anderen zu sorgen, auch in schweren Tagen. Wenn man sich keine Sorgen darüber machen muss, nicht alleine zu sein, auch wenn ich einmal nicht mehr so funktioniere. Weil da eben ein warmer Mensch da ist, der mich in den Arm nimmt, streichelt, küsst und auch noch Lust auf Sex hat, selbst wenn ich schwer krank bin. Das ist mehr wert, als jegliche Unabhängigkeit, denke ich.

Solange jeder von uns, sein Leben selbständig meistert, ist es gut. Spätestens wenn man auf Hilfe angewiesen ist, wird einem bewusst, wie wichtig Menschlichkeit rundum ist. Eben nicht ausschließlich die praktische Unterstützung.

Ich denke nicht, dass wir Menschen ohne körperliche Nähe auskommen.

Das Kuscheln mit dem Haustier oder dem Polster reicht einfach nicht.

Es gibt kein vernünftiges Argument gegen Liebe.©Bluesanne 08.10.2014

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