Mit zittrigen Händen bereite ich meine nächste großzügige Line und weiß, ich hab mich versklavt. Ein Blick in die Tablettendose, noch maximal ein halbes Gramm, in ein paar Stunden brauche ich Nachschub. Hoffentlich der gewohnte Stoff und nicht mit Speed gestreckt, sonst krieg ich wieder Nasenbluten und muss brechen.Ich habe horrende Schulden und mein Einkommen reicht schon lange nicht mehr. Mein Magen überschlägt sich, wann habe ich das letzte Mal etwas gegessen?18 Uhr, Bahnhofsviertel, ich bin auf Entzug, betrete DAS Lokal und halte Ausschau nach meinem Dealer. Es ist dunkel, er winkt mich mit einem bestimmten Kopfnicken zu sich, ich bemerke plötzlich, dass sich um mich ein Kreis gebildet hat, ich bin umringt von Schwarzen. Er sagt, meine Freunde seien zuvor da gewesen, hätten aber nicht bezahlt und seien 10.000 Pesetas schuldig geblieben, die er unverzüglich haben wolle.Ich stammle ein „so viel Geld hab ich nicht“ in den Raum, doch meine Gnadenfrist ist abgelaufen. Rückzug? –No way, Jose, niemand weicht zurück.Ich müsse mitkommen mit ihm und seinen colegas, wir würden ganz viel Spaß haben.Meine Augen flehen ihn an, er meint, dann nur mit ihm, das hätte aber seinen Preis.Eine große, fleckengetränkte, nach Körpern schreiende Matratze am Boden in einer leeren Wohnung, fünf Gramm aufgelegt in schienenlangen Lines, ich solle nehmen so viel ich wolle und könne, aber nichts dürfe übrigbleiben.Er selbst zieht vier Lines hintereinander, mein Blick gepeitscht von den weißen Gleisen in seine Augen und zurück. Ich will nur noch eins. Ich weiß bis heute nicht wie, aber ich widerstand.Als er nach mir griff und mich auf sich zog, befreite ich mich abrupt.Ich rannte um mein Leben.Ich nahm mir zwei Wochen frei und sperrte mich in meiner Wohnung ein.Eine davon verbrachte ich in meinem eigenen erbärmlich stinkenden Saft, am Boden vor mich hin siechend, neben mir ein Speibkübel. Noch nie zuvor in meinem Leben hat mir so sehr vor mir selbst gegraust.Wenn Drogenexperten sagen, Kokain verursache keine körperlichen Entzugserscheinungen, es handle sich um „eine reine Kopfsache“, dann entschwindet mir ein mürbes Lächeln.Meine Schulden habe ich zur Gänze zurückgezahlt.Ein Jahr später musste ich mich einer OP zwecks Zystenentfernung in der rechten Nebenhöhle unterziehen, die Laborproben ergaben ein Konglomerat aus Dreck und unzähligen Stoffen, die auf normalem Wege wohl nie dort hingelangt wären.Ich war zwei Jahre lang kokainabhängig, zuletzt brauchte ich zwei Gramm täglich.Heute, 18 Jahre später, immer noch clean und im Besitz meiner vollen intellektuellen Kapazität, bitte ich meinen Traum herein, um ihn danach wieder zu verabschieden.Und ich weiß, würde ich mir nur einzige winzige Line ziehen, dann wäre ich erneut gefangen im vermeintlichen Glückskarussell.Wie schön, die Wahl zu haben!

5
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Daniela Noitz

Daniela Noitz bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:10

chilis77

chilis77 bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:10

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:10

Klitschy

Klitschy bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:10

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:10

11 Kommentare

Mehr von chili_bebe