Sind Wanda Sexisten? Oder einfach nur marketingorientiert?

Sie ist also da, die heiß erwartete vorab Single der österreichischen Newcomerband Wanda. „Bussi Baby“ heißt sie und schlägt damit, zumindest titeltechnisch, in dieselbe Kerbe wie das Debutalbum „Amore“. Jenes dürfte wohl zu den letzten großen (österreichischen) Konsensalben der Gegenwart gehören. Beinahe einfacher jeder mag es, egal ob Kritiker oder Musikliebhaber.

Nun kann man sich wahrscheinlich vorstellen, wie sehr der Druck auf ihren Schultern gelegen haben muss. Ich kann mir für eine junge Band wenig schwierigeres Vorstellen, als nach einem umjubelten Erstling den Nachfolger zu planen. Und vielleicht, nur vielleicht, kamen die jungen Männer da auf die Idee einen kleinen Skandal zu erzeugen. Ein bisschen Publicity schadet ja bekanntlich in den wenigsten Fällen. Doch dazu später mehr, vorher kurz eine kleine Aufarbeitung der Geschehnisse:

Am 3. August war es schließlich soweit: „Bussi Baby“ war zum ersten Mal auf FM4 zu hören. Die Reaktionen fielen eher gemischt aus. Während manche den unverkennbaren „Wiener Schmäh“ lobten, beklagten andere die nicht vorhandene Abwechslung und den etwas belanglosen (um nicht zu sagen vorhersehbar langweiligen) Refrain. Am 21.8. folgte dann das dazugehörige Musikvideo. Und das hat es in sich. Denn entgegen dem Lied selber, welches ein bisschen nach „Dienst nach Vorschrift“ klingt, ist das Video voll mit Lederjacken, leeren Bierflaschen in Kinderwägen (damit das Thema „An der Flasche hängen“ auch abgearbeitet wäre) und einer gehörigen Portion Größenwahn. So stelle ich mir Wanda vor und genau so mag ich sie auch. Aber ein solides Video kann nicht über eine vermutlich verpatzte Single hinwegtäuschen. Und das ist „Bussi Baby“, das kann man an dieser Stelle ruhig einmal sagen. Kein Hymnenartiger Refrain wie in „Bologna“, keine übermäßige, aber fesselnde, Dramatik wie in „Auseinandergehen ist schwer“ und kein euphorisierendes Uptempo wie in „Luzia“. Es bleibt bei der halbwegs guten Strophe (ja, sie haben sich nicht verlesen: es gibt tatsächlich nur eine), der leicht 08/15igen Instrumentaleinlage und dem völlig uninspiriertem Refrain. Es darf inständig gehofft werden, dass das restliche Album nicht ähnlich ausfällt.

(Randnotiz: Dabei wäre es eigentlich nicht merkenswert verwunderlich. „Amore“ erschien im Oktober 2014. Das neue Album würde als exakt ein Jahr nach dem Vorgänger rauskommen. Die einzige Band der letzten Jahre, welche in der Lage war innerhalb einer so kurzen Zeit ein zweites, vom Niveau her halbwegs gleichbleibendes, Album auf den Markt zu werfen, waren Mando Diao mit „Ode to Ochrasy“ (2006) und „Never Seen the Light of Day“ (2007). Was weit verwunderlicher ist, sind die Reaktionen auf das Video zu „Bussy Baby“.)

Kurz nach der Veröffentlichung versuchten einige Einzelpersonen via Social Networks einen Shitstorm zu entfesseln. Der Grund: Das Video wäre eindeutig frauenfeindlich. Nun, daraus wurde ein „Shitstürmchen“ mit einer Windgeschwindigkeit von 14 km/h. Eher ein laues Sommerlüftchen also. Aber was genau war eigentlich Stein des Anstoßes? Bei genauerem Hinhören wird der aufmerksame Musikkonsument feststellen, dass es in dieser Nummer um ein Mädchen geht, welches ihren Drogendealer, mangels Liquidität, mit einem Bussi bezahlt. Mal abgesehen davon, dass sich sicher viele Junkies eine solche Geschäftsabwicklung wünschen würden, erschließt sich mir der Sexismus Vorwurf an dieser Stelle noch nicht ganz. Hat man Farin Urlaub mal vorgeworfen Frauenfeindlich zu sein, weil er einmal darüber sang seiner Ex, aus Rache für die Trennung, in die Schuhe zu kacken und ihre Katze im Klo zu versenken? Ich glaube nicht.

Und warum sollte man das auch nicht? Weil Texte aus Liedern nur im allerseltensten Fall die tatsächliche Einstellung der Protagonisten wiedergeben. Man mag es ja vielleicht nicht glauben, aber: Auch Musik ist Kunst.

Doch der angepeilte Shitstorm hatte auch noch einen, zugegeben interessanten, Nebengrund mit dem Namen Ronja von Rönne. Diese 23 jährige Journalistin sorgte mit ihrer Aussage: „Als Frau ekelt mich der Feminismus an“ für Aufsehen. Eben diese befindet sich in besprochenem Video auf einem Bett und raucht genüsslich eine Zigarette. Ich persönlich halte das für noch immer zu wenig, als dass man daraus einen Skandal machen könnte.

Nun verhält es sich so, dass die Prozedur des Songwritings unglaublich langwierig und anstrengend sein kann. Die Befürchtung war also schon vor der Erscheinung der Single da, dass „Bussi“ eher ein dem Hype schnell nachgeworfenes Produkt, als eine wirklich gute Platte sein würde. Und vielleicht haben die Jungs das auch genauso gesehen. Und hier schließe ich wieder an den Druck an, den ich zu Beginn erwähnt habe. Wäre es nicht denkbar, dass Wanda genau mit so einer Provokation gerechnet und gespielt haben? In vollem Bewusstsein, dass sich ein Paar Damen und Herren furchtbar über diese Textzeile, das vorhanden sein von Frau Rönne und der Szene stoßen würden, in der Marco Michael Wanda scheinbar in den Unterleib einer Frau eintaucht?

Möglich wäre es auf jeden Fall. Es wäre ja auch nicht das erste Mal, dass negative Berichterstattung einer Band bei ihrer Popularität geholfen hätte (erinnern wir uns doch nur an Falcos "Jeanny";). Sicher lässt sich das nicht sagen. Sollte dies allerdings tatsächlich der Plan gewesen sein ging er nicht auf. Die Wenigen welche Probleme mit dem Lied und dem Video hatten schafften es nicht die Lawine des Shitstorms auszulösen. Jenen Herren und Damen möchte ich übrigens noch einen gut gemeinten Tipp mit auf den Weg geben: Sehen sie sich NIEMALS amerikanische Hip Hop Videos an. Es besteht akute Herzinfarktgefahr. Und regen sie sich nicht wegen allem immer grundlos auf, manchmal ist es genau das, was der andere eigentlich will.

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:14

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