Flint, Görschitztal - wenn der Staat die Gesundheit seiner Bürger aufs Spiel setzt

Der Präsident mobilisierte die Nationalgarde um die Versorgung der Bürger mit Trinkwasser zu sichern - nichts Außergewöhnliches wäre der Ort des Einsatzes in einem Entwicklungsland gelegen. Doch die Nationalgardisten rückten in Flint, Michigan ein.

Dort hatte die lokale Administration vor zwei Jahren beschlossen, sich aus Kostengründen aus der Trinkwasserversorgung Detroits auszuklinken und das Trinkwasser aus einem nahegelegenen Fluß zu beziehen. Nur, das Wasser des Flusses war kontaminiert und löste in den alten Trinkwasserleitungen Blei aus - die Folge: schlechte Gerüche, Hautausschläge, Kopfschmerzen und ein vermehrtes Auftreten der Legionärskrankheit. Erst im Septemer 2015, lange nach den ersten Warnungen erklärte der Gouverneur von Michigan das Trinkwasser für nicht konsumierbar. Auch die betroffenen Bürger erhielten im Sommer 2015 das erste Mal Informationen wonach ihr Trinkwasser gesundheitsgefährdend sei. In der aktuell stattfindenden Aufklärung der Affaire kamen E-Mails an den Tag, welche an die Stadtadministration geschickt worden waren. Inhalt: Warnungen von lokalen Ärzten über zu hohe Bleikonzentrationen im Blut von untersuchten Kindern. Gerade für Kinder können zu hohe Bleikonzentrationen im Blut fatale, lebenslange Folgen haben - klinische Studien haben langjährige Verhaltens- und Lernstörungen mit Blei als Verursacher indiziert.

Präsident Obama hat mittlerweile den Notstand über Flint erklärt. Die verseuchten Trinkwassersysteme müssen wahrscheinlich komplett ausgetauscht werden. Zurück bleiben verstörte und wütende Bürger, welche sich von Stadt, Bundesstaat und Staat getäuscht und gefährdet fühlen.

Doch wir müssen nicht in die USA reisen, um Ähnliches vorzufinden.

Im November 2014 platzte im Görschitztal/Kärnten eine Umweltbombe. Anlässlich einer Pressekonferenz räumte der Kärntner Umweltlandesrat ein, dass in Futter und Milch von landwirtschaftlichen Betrieben des Tals HCB in überhöhten Dosen nachgewiesen worden war. HCB ist ein krebserregender, hormonstörender Schadstoff mit einer Halbwertszeit von ca 20 Jahren- er wurde im Rahmen der Verbrennung von Blaukalken in einer Verbrennungsanlage eines lokalen Zementwerks freigesetzt. Was danach kommt ist für die Bewohner des Görschitztals ein Albtraum mit immer grotesker werdenden Wendungen. Vorerst wurde von den Behörden argumentiert, das nur Futter betroffen sei - dieses werde vernichtet. In weiterer Folge weitet sich der Skandal dann aber zu einem Umweltkrimi aus: Futtermittel, Milch, Fleisch und Fisch aus dem Tal wurden positiv auf HCB-Kontaminierung getestet. Konsum und Verkauf wurden untersagt. Bei Bluttests an der Bevölkerung wird bei 84% der Proben HCB nachgewiesen. Das Land Kärnten sieht sich genötigt eine Prüfungskommission zur Angelegenheit einzurichten, welche in ihrem Bericht zum Schluss kommt, dass die Angelegenheit ein "Multi-Organversagen" von Behörden und Unternehmen darstelle.

Zurück bleibt auch hier die Bevölkerung, die nicht mehr weiß, wem sie vertrauen kann. Aktuell wird eine neuerliche Blut-Testreihe durchgeführt, um die aktuelle Situation abzuklären.

Augenscheinlich ist, dass bei Umweltskandalen dieser Größe der menschliche Faktor in Administration und Unternehmen das größte Risiko für die Gesellschaft ist. Aus Gründen der Kostenoptimierung oder Gewinnmaximierung wird die Gesundheit der lokalen Bevölkerung von Unternehmen oft ohne Zögern aufs Spiel gesetzt - prüfende Behördenstellen werden wiederum auf Grund von politisch/wirtschaftlichen Vernetzungen der Lokalpolitik dazu gebracht gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Situationsbedingt sind die prüfenden Stellen auch oft aus einer Mischung aus falsch verstandener Loyalität gegenüber Arbeitgebern in strukturschwachen Regionen schon mal bereit situationelastisch auf Probleme bei der Einhaltung von Umweltstandards zu reagieren.

Den Bürgern bleibt nur wachsam zu sein, und sich bei ersten Verdachtsmomenten aktiv zu werden. Vernetzung mit Umweltgruppen, die Gründung von Bürgerinitiativen, die Publizität der Vorwürfe in überregionalen Medien - all das sorgen wie im Görschitztal für plötzliche Lösungskompetenz in regionalen Problemzonen.

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