Der Hilferuf ereilte mich via Facebook, und von einer Bekannten, die sicher nicht armutsgefährdet ist.

Sie wäre gerade die Schulanfangseinkäufe für ihre zwei Söhne erledigen gewesen - Zirkel, Taschenrechner, in Summe € 180,- aber noch nicht einmal alles gekauft. Wie soll sich das der Durchschnitts-Verdiener leisten können, so ihre Frage?

Die Entwicklung der letzten 10-15 Jahre hat eine doch massive Verteuerung des Schulbesuchs mit sich gebracht. Aus eigener Erfahrung mit drei schulpflichtigen Kindern weiß ich, daß September ein Angstmonat für Eltern werden kann. Denn schlussendlich gilt es ja nicht nur Schultaschen, Hefte, Stifte, Zeichenplatten, Bastelmaterialien zu besorgen, sondern durchaus auch kapitalintensivere Dinge wie etwa mathematische Taschenrechner, PC-Programme, Sportausrüstungen etc.

Und dann kommen noch Systemkosten wie etwa Kopier- und Materialbeiträge, sowie etwaige Kosten/Kautionen für Schulspinde (obwohl, wie wir kürzlich aus den Medien erfahren haben, dürften alle Schulen über eigene Budgets für Schülerspinde verfügen - es darf hier gerätselt werden, warum trotzdem private Betreiber für nicht gerade günstige Mietkosten in öffentlichen Schulen Spinde anbieten durften) hinzu.

Was wir in der Rechnung noch außer Acht gelassen haben, sind dann allfällige Schulveranstaltungen. Hier hat sich die bei weitem dramatischte Entwicklung ergeben. War in den 80er und frühen 90er Jahren in den Hauptschule/Gymnasialunterstufe noch eine Mischung aus Ski-Kurs, Sport- und Wienwochen erprobt, so wird es für heutige Eltern durchaus heftig. Ski-Kurs ja, aber dann bitte als Ski-Erlebnisevent mit Clubbingcharakter. Sportwoche vielleicht, aber wenn dann nur auf Mallorca/Ibiza - einige ausgewählte Schulen sollen sogar schon Dubai ins Auge gefast haben. Und die schlappe Wienwoche wird mittlerweile gerne durch Städtetrips nach London, Paris oder Mailand ersetzt. Was dann halt auch bedeutet, dass man für eine knapp kalkulierte London-Woche tutti completto mit zumindestens € 500,- rechnen kann. Hat man dann mehrere Kinder, dann weiß man wofür Mama und Papa arbeiten gehen.

Die Kosten eines Schuljahres für einen Unterstufenschüler kann man getrost aktuell bei zumindestens € 1.000,- ansetzen, für Oberstufenschüler noch ein wenig mehr. Es brauchen sich daher auch Durchschnitts- aber auch Gutverdiener nicht als Schwächlinge fühlen, wenn die Grenzen der Finanzierbarkeit bei Mehrkindfamilien ausgelotet werden. Aber wer möchte dem Nachwuchs schon die Möglichkeit zur Verbesserung seiner Sprachkenntnisse verwehren in einer Arbeitswelt die immer kälter wird? Ganz abgesehen vom sozialen Outing, dass der oder die SchülerIn wegen ihrer Eltern ja nicht mitkommen kann(sie wissen schon, die haben nicht so viel Geld, dafür aber drei Kinder). Soziale Stützungsmöglichkeiten über Landes- und Elternvereinssubventionen sind zwar teilweise vorhanden, aber auch hier greift der Schamfaktor.

Was gegen diese Mißentwicklung getan werden kann? Nun, betroffene Eltern sollten sich organisieren, Einkaufgenossenschaften gründen und auch Lehrereinkaufswünsche kritisch hinterfragen. Muß es wirklich das Spitzenmodell von Texas Instruments sein, dass dann nach zweiwöchigem Einsatz für die nächsten drei Schuljahre in der Lade vergammelt? Ist es wirklich auch nötig statt der altbekannten Sportwoche einen hippen 4-Tagestrip nach Berlin zu organisieren - Thema des Events "wir gehen Shopping-Tempel analysieren"(kein Spaß, ernst gemeinter Vorschlag)?

Mit fremden Geld lässt sich leicht Konsum üben, diese Message muß auch wenn sie schmerzlich ist von den Erziehungsberechtigten an die Schulen weitergegeben werden. Und von Seiten des Unterrichtsministeriums wäre vielleicht mehr Kontrolle hinsichtlich privatwirtschaftlicher Kooperationen öffentlicher Schulen angebracht - denn irgendeinen Kickback wird es bei jeder dieser Zusammenarbeiten für die Schule oder Schulverantwortliche geben.

Denn schlussendlich schreiben wir 2016 und es kann nicht im Sinne unserer Gesellschaft sein, wenn wir nach wie vor Bildung und Schulbesuchsmöglichkeiten nur vom Kapital der Eltern abhängig machen.

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Petra vom Frankenwald

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