Glücksspielsucht: wer Pech hat, startet mit Gewinn

Einer meiner Professoren an der Universität meinte zuletzt, dass die aktuellen Herausforderungen in der Suchtproblematik zu suchen seien – man brauche zeitgemäße Lösungen für Zigaretten, Alkohol, Prostitution, Drogen und eben auch Glücksspiel. Gemeinsam mit meinem Kollegen Alexander Wimmer habe ich mich auf die Suche gemacht, was denn Glücksspiel eigentlich ist – und was man daran verändern/verbessern kann. Der kreative Titel dieses Artikels stammt von Lucia Schmidt (FAZ).

Was macht den Nervenkitzel aus? Wie entsteht genau diese Suchtstruktur im Menschen? Ein wesentliches Kriterium dürfte die Ungewissheit sein – man kann gegenüber dem Automaten oder gegenüber dem Programm seine Verantwortung abgeben, denn dieses wird schon fair verteilen (und mich HOFFENTLICH nicht benachteiligen). Es gibt ja genügend Artikel, die von Lottomillionären, „Lebenslang Cash“-Gewinnern und ähnlichen Glückspilzen berichten und so die Suchtgefährdung noch einmal anheizen. Das Wagnis, das Risiko, das Unvorhersehbare – eine willkommene Abwechslung zum grauen Arbeitsalltag, hier sitze ich an den Hebeln/den Knöpfen und kann genau steuern, wann ich gewinnen will. Man wird mit dem raschen Gewinn gelockt, man bekommt ein Startguthaben und hohe Ausschüttungen versprochen. Verantwortung abgeben (für etwaige Verluste), Macht bekommen (Steuerung des Spiels), in Kombination mit guten Erinnerungen an bisherige Gewinne – in gemütlicher Umgebung spielen, keine Steuern dafür bezahlen müssen (da es sich hierbei nicht um regelmäßiges Einkommen handelt – Profispieler müssen sehr wohl ihre Gewinne versteuern!), Hektik, Adrenalin/Dopamin, Geräusche, bunte Farben – all dies lädt zur Glücksspielsucht[1] ein. In einer umfassenden Studie[2] wurde bereits festgestellt: der typische Spieler wird als relativ jung eingeschätzt, männlich (sportaffin) und ist auch anderen Süchten nicht abgeneigt.

Da ist es kein Wunder, dass die der Online-Glücksspielmarkt nach Schätzungen der EU-Kommission jährlich um 15 Prozent zulegt und laufend Gegenstand zahlreicher VfGH-[3] und EuGH-Entscheidungen ist[4]. Aber Moment mal – gibt es nicht zumindest in Österreich ein Glücksspielmonopol? Da gab es doch den Fall, dass der Staat Novomatic den Betrieb von Automaten in Wien untersagte?[5] Das führte bloß dazu, dass die Spieler per Taxi nach Niederösterreich gebracht wurden – um dort legal weiterspielen zu können. Das Internet kennt keine Grenzen, da kann der Anbieter auf den Bermudas sitzen und sich über die strittige Rechtslage[6] in Europa freuen. Halten wir fest: wir brauchen unbedingt eine Rechtsvereinheitlichung in Europäischen Union, da ansonsten die rechtliche Grauzone im Internet-Glücksspiel nicht vermieden werden kann und dies ein Nährboden für die Vervielfachung von dubiosen Wettanbietern ist. Jedoch ist eine gesamteuropäische Regelung auch in Zukunft unwahrscheinlich, da 28 teils sehr unterschiedliche Ausgangslagen bestehen – die einzelstaatlichen Glücksspielmonopolregelungen für sich genommen sind nicht geeignet, den (Online-)Spielerschutz zu gewährleisten.[7]

Der persönliche Kontakt zwischen Anbietern und Verbrauchern fehlt nicht nur im Online-Glückspiel, sondern auch bei anderen Geschäftsbereichen im Fernabsatz (zB. Online-Aktienhandel) hat aber nicht zu Monopolen oder Verboten, sondern zu angemessener und erfolgreicher Regulierung im Interesse des Verbraucherschutzes geführt. Ob der fehlende persönliche Kontakt zur sozialen Isolation des Spielers führt, kann mit den Mitteln der Rechtswissenschaft nicht beurteilt werden. Jedenfalls folgt daraus nicht die fehlende soziale Kontrolle. Vielmehr kann diese durch die elektronische Durchführung im Bereich des Online-Glücksspiels wesentlich effektiver durchgeführt werden als im stationären Glücksspiel. Dies deshalb, weil problematisches Spielverhalten durch die exakte elektronische Nachvollziehbarkeit sämtliche Transaktionen elektronisch viel eher erkannt und kontrolliert werden kann als das im herkömmlichen Spielbetrieb der Fall ist.

In Österreich sind Sportwetten erlaubt, für das klassische Onlineglücksspiel braucht man eine Konzession – das bedeutet, theoretisch darf man nur auf der Lotterien-Seite win2day.at zocken. Vorwand vieler staatlicher Regelungen ist nach wie vor der Spielerschutz – die Staaten fürchten aber aufgrund der von den Privaten angestrebten Liberalisierung um die stabil hohen Erträge (die meist der Spielersuchtberatung oder dem Gemeinwohl zufließen). Diese staatlichen Monopole sind jedoch in Österreich/Deutschland nur unter bestimmten Bedingungen zulässig. Quantitative Beschränkungen der Online-Glücksspielanbieter (insbesondere Totalverbote oder Monopolstellung) sind nicht geeignet,  weil solche Beschränkungen an nationalen Grenzen enden, die im Internet definitionsgemäß überschritten werden. Monopole sind zwar besonders gravierende Beschränkungen, jedoch sind diese nicht zum Spielerschutz geeignet, weil diese durch empirisch belegtes Ausweichverhalten der Online-Spieler leicht umgangen werden können. Nicht quantitative Beschränkungen, sondern an den Zielen des Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung orientierte Rechtsgestaltung des Online-Glücksspiels, sind geeignet, ebendiese Ziele zu erreichen.

Innerhalb der Europäischen Union besteht ein Aktionsplan, bei dem die Europäische Kommission kontrolliert, ob die staatlichen mit den europäischen Regelungen vereinbar sind. Unterstützt wird dies von der European Gaming and Betting Association (EGBA), einer Lobbyorganisation (begrüßt Rechtsvereinheitlichung) in der Glücksspielbranche. Aus rechtswissenschaftlicher Perspektive ist es daher mehr als erstaunlich, dass nationale Glücksspielmonopole auch in Zeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie immer noch mit dem Argument des Spielerschutzes verteidigt werden. Dieser Zusammenhang mag bestanden haben, solange Spieler zu stationär betriebenen Glücksspielen keine reale Alternative hatten (Lock-in-Effekt). Dieser Realität der IKT kann sich eine rechtswissenschaftliche, vor allem aber auch eine legislativ valide Analyse des Soll-Zustands nicht verschließen. Festzuhalten bleibt damit, dass Ausschließlichkeitsrechte oder gar Totalverbote in Bezug auf stationäre Glücksspiele zwar nationale Wirkungen erzeugen, im Online-Bereich aber mittelbar sogar zum Nachteil der Spiel wirken können, weil diese wie mehrere Studien[8] zeigen mit Ausweichverhalten reagieren, das tendenziell in den Schwarzmarkt führt.

Conclusio: weder für Spieler noch für Anbieter erfüllt die aktuelle Lage das Kriterium der europaweiten Rechtssicherheit, was allerdings bei 28 unterschiedlichen nationalen Regelungen auch schwierig zu vereinheitlichen wird. Es ist aus meiner Sicht absolut erforderlich, Spielerschutzeinrichtungen zu schaffen/zu betreiben, die auf die individuelle Suchtberatung eingehen können. Dieses Problem des Glücksspiels ist lange bekannt – doch ähnlich wie bei den Tabaksteuern kann der Staat nicht die Finger von den einfach zu erzielenden Steuereinnahmen lassen. Mein besonderer Dank geht an Alexander Wimmer für die Recherche/gemeinsame Ausarbeitung dieses Beitrages.

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Herbert Erregger

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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