Dia.log (11): Stachel im Fleisch

Egal wie viel es auch ist, immer ist es zu wenig.

Auch wenn ich alle Bücher dieser Welt nochmals neu beschreiben würde, immer ist es zu wenig.

Egal wie tief ich dringe, immer ist es zu oberflächlich.

Auch wenn ich alle Sprachen dieser Welt spräche, niemals würde ich tief genug dringen können.

Egal wie sehr ich ringe, immer ist es zu schal.

Auch wenn ich alle Facetten des Menschlichen und Lebendigen bezeichnen könnte, immer wäre es leer.

Ich schreibe, immer weiter und immer fort, und doch ist es immer nur eine Annäherung, immer nur ein Umkreisen, wie das Raubtier die Beute, doch da gibt es auch diesen gewissen Punkt, über den ich nicht hinaus kann, der mich nicht vorwärts kommen lässt, und dabei geht es doch um nichts weiter als das Eigentliche verständlich machen zu wollen, als das was in mir arbeitet und mich antreibt, und doch kann ich es nicht erreichen.

Wie sehr ich mich auch bemühe, es wird doch nichts weiter bleiben, als ein billiger Abklatsch. Vielleicht verstehst Du, was ich sagen will. Vielleicht kannst Du über meine Worte hinaus denken in das Unwortbare, doch sagen kann ich es nicht.

Und wenn ich mir die Haut vom Leib risse um das frische Fleisch zu enthüllen. Es wäre kein Wort.

Und wenn ich mir die Brust entzweite um mein Herz freizulegen. Es wäre kein Wort.

Und wenn ich meinen Schädel zertrümmere an der Mauer meiner Selbstbehauptung. Es wäre kein Wort

Und wenn ich mich ganz dahingäbe, mich gänzlich enttarnte. Es wäre doch kein Wort.

Fahl und leer und öde.

Natürlich geht es um die Liebe, es geht immer um die Liebe.

Und deshalb geht es immer um das Versagen. Mein Versagen.

Denn wenn Du Deine Hand in meine legst, wenn unsere Lippen sich finden, dann ist es die Wahrheit, und die Vielfalt aller Worte, die je gesagt wurden, im Sagen sind und je gesagt werden, mehr als alles Sprechbare, denn es ist Wahrhaftigkeit und Leben und Leidenschaft.

Und doch mache ich weiter, trotz aller Unzulänglichkeit. Wenn es sein soll, so wohl bis zu dem Tag, an dem ich nicht mehr sprechen kann, an dem ich endgültig ausgesprochen haben werde, bis dahin ist es der Stachel im Fleisch, der mich antreibt und nicht zur Ruhe kommen lässt, der mich vorwärtsgebietet, immer weiter und weiter vorzudringen, um doch niemals den Kern erreichen zu können.

Ich werde weiterreden und weiterschreiben, weil ich nicht anders kann. Weil ich es mir auf die Fahnen geschrieben habe, Dir zu sein und Dir zu sprechen, weil etwas in mir ist, das mich nicht zur Ruhe kommen lässt, das mich anstachelt es in immer neuen, immer feineren und vielfältigeren Variationen zu sagen, was eine einzige Bewegung meiner Hand viel treffender sagen könnte, Du. Nichts weiter als Du.

Sinnlos. Letztendlich sinnlos.

Sinnvoll. Vielleicht, wenn ich mich Dir mitteilen möchte, und ich doch nichts habe als die Worte der Sprache, die letztendlich doch nichts auszusagen vermögen, was wirklich relevant sind, aber Dich auf die richtige Spur führen.

Du.

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Silvia Jelincic

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