„Solche Sachen sagen nur die Linken“, wird gesagt, „Also setz Dich ganz schnell in Deine linke Ecke und schäm Dich.“ Oder „Das ist typisch rechts“, sagen andere, und schon steht man in der rechten Ecke. Wahlweise gibt es noch die feministische, die frauenfeindliche, die homophobe, die xenophobe und wahrscheinlich sehr viel mehr Ecken, in die man die Menschen verbannen kann. Ein interessanter Raum mit vielen, vielen Ecken. Aber egal in welche Ecke man geschickt wird, man ist abgeurteilt und jede weitere Aussage wird eckengemäß interpretiert. Doch ist es wirklich der Weisheit letzter Schluss?

Die Menschen, so wie ich sie kennengelernt habe und Tag für Tag kennenlernen darf, sind zumeist vielschichtig. So kann es durchaus vorkommen, dass sich ein „böser“ Kapitalist für die Rechte seiner Mitarbeiter einsetzt, und nicht nur pseudohalber um seine Humankapitalressourcen zu befördern, wie es die nach wie vor sehr populäre Balanced Scorecard empfiehlt oder der Stakeholdervalue Ansatz, sondern weil er ernsthaft am Wohl der Menschen interessiert ist, die es ermöglichen einen Betrieb aufrecht zu erhalten. Damit kann man ihn wohl als Linken bezeichnen. Muss man aber nicht. Das muss besagten Unternehmer aber nicht davon abhalten am Sonntag den Gottesdienst zu besuchen und sich kirchlich zu engagieren. Damit kann man ihn zum Rechten stempeln. Muss man aber nicht.

Andererseits kann auch ein Lehrer, der sich weigert sich in gewerkschaftliche Obhut zu begeben als reaktionär bezeichnet werden. Was er durchaus nicht sein muss, denn vielleicht ist er einfach nicht zufrieden mit der gewerkschaftlichen Arbeit und fühlt sich nicht vertreten. Dennoch kann es sein, dass er Kindern aus sozial schwachen Familien Nachhilfeunterricht gibt, in seiner Freizeit und kostenlos. Damit ist er selbstverständlich ein Linker. Aber ist es wirklich so einfach? Und vor allem, hilft uns das in irgendeiner Form weiter? Die Abschiebung, ganz gleich in welche Ecke, führt zwangsläufig zum Abbruch jeder sinnvollen Diskussion, denn es ist nicht möglich jemanden abzuurteilen, und dann weiter zu diskutieren. Diese ungute Angewohnheit jemanden in ein Gedankeneck zu schieben ohne es weiter zu erklären bringt nicht nur keinen Erkenntnisgewinn, es macht auch klar, hier ist jemand, der keine Argumente mehr vorzubringen hat, denn letztlich ist auch diese Form der Qualifizierung eine Verurteilung. Würde man statt dessen sagen, „Habe fertig“ (sic), es käme aufs Gleiche hinaus. Andererseits sind Aussagen wie „Du bist ...“ mit dem entsprechenden Adjektiv dahinter derart, dass sie eigentlich nur jemand treffen dürfte, der das Gegenüber sehr genau kennt, so genau, dass man ihn samt und sonders beurteilen kann. Was wohl gerade in sozialen Medien kaum der Fall sein wird.

Aber der wesentlichste Grund solche Dinge zu lassen, ist wohl darin zu sehen, dass es nichts bringt. Was bedeutet diese Attribuierung, außer, dass sie jemandem etwas Negatives unterstellt? Selbst dies geschieht aus einer äußerst subjektiven Sicht, denn es wird tunlichst vermieden zu definieren was nun mit diesen Attributen gemeint ist. Gemeinhin wird damit unterstellt, dass eh jeder weiß was das bedeutet. Nun, ich unterstelle mal, dass wir völlig verschiedene Vorstellungen haben, von was auch immer, aber vor allem dann, wenn wir uns in den Bereich der abstrakten Begriffe wagen. Schön wäre es ein wenig nachzudenken bevor jemand qualifiziert oder eben – wie hier gemeinhin – disqualifiziert wird. Ideal jedoch wäre auf die Argumente einzugehen, die vorgebracht werden und die Attribuierungen schlicht und ergreifend ganz weg zu lassen. Das würde auch die Diskussionen um einiges erleichtern und sie von einer personalen auf eine sachliche Ebene heben.

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Darpan

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Claudia Drobny-Oertel

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