Instagram zu Unrecht oder übermäßig wegen Selbstverletzungsbildern kritisiert ?

Der Internetkonzern Instagram, ein Teil des facebook-Imperiums, ist stark unter Kritik geraten wegen der Vorwürfe, die Instagram-Auftritte betreffend Selbstverletzung und Bilder über Selbstverletzung würden Selbstmorde von Teenagern verursachen, Selbstverletzung souzusagen normalisieren und zu ihrer Verbreitung beitragen. Instagram reagierte auf die Vorwürfe, an Selbstmorden beteiligt zu sein, mit einem weitgehenden Bilder-Verbot und Video-Verbot.

Da mag in einem gewissen Teilbereich vielleicht sogar etwas dran sein, nämlich dann, wenn Likes erfolgen und diese interpretiert werden: es stellt sich nämlich immer die Frage, ob die Likes für Selbstverletzungsfotos der Selbstverletzung gelten, oder dem Mut, die Selbstverletzung transparent zu machen, oder der Bereitschaft, die Zurückzogenheit zu verlassen und eine Art "Hilferuf" zu senden in Form der Selbstverletzungsfotos.

Ich halte auch die Behauptung, Likes bei Photos von Selbstverletzung in sozialen Medien würden der Selbstbverletzung als solche gelten, und nicht dem Mut, sie transparent zu machen, für voreilig und möglicherweise für falsch.

Was mich in manchen Fällen auch stutzig macht, ist, von wem der Vorwurf kommt, Instagram würde Selbstmorde verursachen; dieser kommt oft von den Eltern.

Wie im Fall von Molly Russell:

https://www.telegraph.co.uk/news/2019/01/27/molly-russell-caring-soul-died-exploring-depression-social-media/

https://www.zeit.de/digital/internet/2019-02/selbstverletzungen-instagram-suizid-molly-russel-soziale-netzwerke

Manchmal sind es die Eltern, die verständnislos und vorwurfsvoll oder sogar entsetzt und schockiert auf Selbstverletzung ihrer Kinder reagieren, was wiederum die Selbstverletzung verstärken kann. Sich an ein soziales Medium zu wenden, kann in diesen Fällen auf ein familiäres Problem aufmerksam machen.

Und manchmal könnten Eltern, um (falsche?) Vorwürfe, sie seien mitschuld am Selbstmord des Kindes, zu entkräften, selbst falsche Vorwürfe gegen Instagram erheben.

Und generell sollte man die Rolle von Kulturen und Religionen bei der Verursachung von Selbstverletzung nicht außer Acht lassen.

Wenn man schon die Selbstverletzungsbilder auf Instagram als Normalisierung der Selbstverletzung betrachtet, um wieviel mehr müsste man dann die religiösen Flagellanten im Katholizismus oder die Selbstauspeitschung der schiitischen Aschura als Normalisierung der Selbstverletzung betrachten ?

https://www.focus.de/kultur/videos/das-acshura-fest-verstoerende-bilder-jungen-schlagen-sich-auf-den-strassen-auf-bagdad-mit-klingen-blutig_id_5037852.html

Vielleicht ist es genau umgekehrt und die Selbstkreuzigungen z.B. auf den Philippinen sind Transparentmachung von Selbstverletzungen, die auf ein Problem aufmerksam machen und Behörden oder Taufpaten oder Firmpaten aktivieren, Missstände in Gesellschaft oder Familie zu korrigieren.

Ehrlich gesagt: die Kritik an Instagram in diesem Fall überzeugt mich nicht wirklich, bzw. nur in einem kleinen Teilbereich. In weiten anderen Bereichen der Selbstverletzung können Soziale Medien wie Instagram meiner Meinung nach eine durchaus positive Rolle spielen.

Vielleicht ist das wieder einmal eine zutiefst europäische Debatte, und es geht gar nicht um die Tatsachen, sondern schlicht und einfach darum, dass Instagram ein US-Konzern ist, und daher berichten europäische Medien sehr negativ über ihn.

Ich stehe der Steuerumgehungsproblematik durch double-Irish-With-A-Dutch-Sandwich sehr kritisch gegenüber und machte das selbst und von mir aus zum Thema, aber ich käme nie auf die Idee, das jetzt "den Amerikanern" alleine zum Vorwurf zu machen, weil erstens auch europäische Konzerne wie ikea (Schweden) diesen Steuerumgehungsinstrument nutzten, und weil es eben die Parlamente von europäischen Staaten waren, die das schufen (in diesem Fall Niederlande und Irland, in anderen Fällen Luxemburg, auch die österreichische Stiftungsgesetzgebung diente dazu, deutsche Reiche durch Steuervermeidungskonstruktionen nach Österreich zu locken).

https://oe1.orf.at/player/20191118/579239

Wenn Fotos verboten werden, die Selbstverletzung zum Thema haben, dann ist es wohl nur mehr eine Frage der Zeit, bis Youtube-Videos zum Thema Selbstverletzung verboten werden, z.B.

Wir werden somit zu einer neuen Verbotskultur, und es stellt sich die Frage, welche Missstände und Probleme mithilfe dieser Verbotskultur alle vertuscht werden sollen.

Die radikale Transparenz, auch Selbstverletzung zum Thema sozialer Medien zu machen, hat vielleicht eine gewisse Affinität zur Post-Privacy-Bewegung, bzw. zum "globalen Dorf", wie Medientheoretiker Marshall McLuhan das nannte.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kreuz_%28Christentum%29#/media/Datei:Mathis_Gothart_Gr%C3%BCnewald_022.jpg

Beladene Kreuze bzw. Darstellungen der Kreuzigung Jesu bald verboten, ähnlich dem islamischen Bilderverbot (Mohammed-Abbildungsverbot) ?

Weil die beladenen Kreuze zu Selbstverletzung und Selbstmord führen könnten ? Ähnlich wie die Bilder des köpfeabschlagenden Mohammeds im siebten und achten Jahrhundert möglicherweise zu Morden führten ?

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Margaretha G

Margaretha G bewertete diesen Eintrag 23.11.2019 10:29:26

corpusdelictum

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