Stefan Petzner - hartes Urteil wegen angeblichen Sozialbetruges

Am 7. Juni wurde das erstinstanzliche Urteil gesprochen im Fall Republik Österreich gegen Stefan Petzner, den ehemaligen "Lebensmenschen" und Assistenten des früheren Kärntner Landeshauptmanns und FPÖ-Parteiobmanns Jörg Haider, wegen schweren Betruges / absichtlichem Beziehens von Mindestsicherung, bzw. Notstandshilfe. Das erstinstanzliche Urteil lautete auf "Schuldig" (des absichtlichen Betruges), sechs Monate bedingt. Petzner bekannte sich "einsichtig, aber unschuldig", was wohl explizit bedeuten sollte "einsichtig in Bezug auf Schlamperei, aber unschuldig in Hinsicht auf den Betrugsabsichtsvorwurf". Allerdings wurde diese Position von zahlreichen Medien sehr negativ dargestellt.

Ailura / CC BY SA 3.0 https://de.wikipedia.org/wiki/Stefan_Petzner#/media/Datei:20190510_Dancing_Stars_5989.jpg

Stefan Petzner, hier bei Dancing Stars.

Petzner kündigte "volle Berufung" an und sprach von einer "Kamikaze-Richterin".

Sein Anwalt hatte auf Diversion plädiert. Die ca. 7500 Euro liegen knapp über der 5000-Euro-Minimumgrenze für schweren Betrug.

In der Tat scheint das Urteil - auch wenn ich ein rechtlicher Laie bin - einige Schwächen zu haben.

1.) Petzner hatte eine Einkommenssteuererklärung des betreffenden Jahres dem Antrag beigelegt (und diese spielte eine wichtige Rolle bei der Einstufung als Betrug), was er wohl nicht hätte, wenn er eine Betrugsabsicht gehabt hätte. Darüber, dass Petzner seine Einkommenssteuererkärung beigelegt hatte, wurde in nur wenigen Medien berichtet.

2.) In der Urteilsbegründung wurde eine Verknüpfung zu den anderen beiden Urteilen gegen Petzner gebracht, zum Beispiel auch in der Sache der Verhetzung.

3.) Die Ausfüllung des Formulars: EPUs, also Einpersonenunternehmen, sind oft wenig spezialisiert, man muss mit Ausnahme des Kernbereichs Allrounder sein, und kann sich auf nichts spezialisieren, als EPU (und als solche kann man "petzner communications" durchaus bezeichnen) hat man zahlreiche Nachteile, zum Beispiel mangelnde juristische Kenntnisse, bzw. mangelnde Rechtsabteilungen.

Bei Anträgen kann es in der Tat so sein, dass mehrere Personen (eine Privatperson, und ein Bankangestellter/ein Beamter/ein Funktionär, welchen Geschlechts auch immer) zusammenwirken bei der Ausfüllung eines Antragsformulars. Mir ist das selber schon des öfteren passiert, dass mir von Bankangestellten oder behördenähnlichen Organisationen etwas auszufüllen aufgeschwatzt versucht wurde, was eigentlich nicht ganz passte, aber wegen der Unkenntnis und der Unsicherheit lassen sich Manche manchmal zu etwas breitschlagen, was sie alleine nicht so gemacht hätten, im Vertrauen darauf, dass die "Experten" schon wissen, was sie sagen.

Ich bin einmal einer Frau aus Deutschland begegnet, die auch verurteilt worden war wegen angeblichen Sozialbetruges - illegaler Bezug der Mindestsicherung, weil das Gericht befand, sie sei wegen der Mindestsicherung nach Österreich gekommen. Auch hier ging es um einen Antrag, den sie zusammen mit einem "Berater" ausgefüllt hatte. Es stellt sich die Frage, ob in diesen Fällen der doppelten Ausfüller (Privatperson gemeinsam mit Amtsperson) Beamte wie Richter aus einer Art Beamten-Korpsgeist heraus dazu neigen, die beteiligten Beamten immer freizusprechen und den Privatpersonen immer fälschlicherweise die alleinige Schuld zuzuweisen. Dieses Urteil kann zur Folge haben, dass in Zukunft auch viele berechtigte Anträge nicht mehr gestellt werden, aus Angst heraus, durch Falschausfüllung in irgendwelche Strafverfahren hineingezogen zu werden, bzw. verurteilt zu werden und in der Folge in den Medien durch den Kakao gezogen zu werden.

4.) Sein Anwalt sagte, Petzner sei ein Traumtänzer. Man kann das auch anders sehen: Petzner hat etwas probiert, etwas riskiert, er hat etwas dazugelernt. Auch wenn es der wirtschaftlich riskantere Weg war, sich selbständig zu machen und kein FPÖ-Apparatschik zu werden, so war es dennoch begrüßenswert, aus Sicht der Pluralität und Vielfalt. Und Petzner hatte manchmal interessante Positionen bezogen, zum Beispiel in der Frage der Meinungsumfragepublikationsverbote im Vorfeld einer Wahl, um Wahlmanipulation zu verhindern; solche Verbote sind in vielen Ländern üblich. Was gerade in Hinblick auf die Bundespräsidentenwahl 2016 wichtig gewesen wäre.

https://www.krone.at/2948942 (Problematisch an diesem Petzner-Interview ist die sehr positive Bewertung von SORA, das im ersten Wahlgang der BP-Wahl 2016 sehr weit daneben gelegen ist, was die Überbewertung von VdB und die Schlechtbewertung von Griss betrifft, ebenfalls die Einstufung der Pro-Putin-Position der FPÖ als "Frieden" ist problematisch)

5.) Bereits damals schon zum Zeitpunkt der Antragsstellung, die nun verhandlungsgegenständlich war, war "petzner communications" in einem Konkursverfahren, und Petzner wurde mitgeteilt, die Forderung der Institution (SVA-Sozialversicherungsanstalt oder so) zu bezahlen, wäre eine Gläubigerbegünstigung, eine Position, die durchaus plausibel erscheint.

6.) Genau bzgl. demselben Sachverhalt hatte es vor 2 Jahren oder so schon mal Ermittlungen gegeben, diese waren aber eingestellt worden. Umso erstaunlicher ist nun, dass die Sache wiederaufgegriffen wurde.

7.) Das Urteil kann auch gesehen werden als Bestätigung einer früheren These von mir, dass Österreich und Wien speziell Pleitiers-feindlich sei.

8.) Eine weitere Problematik dieses Urteils besteht auch darin, dass es als Verbot gesehen werden kann, aus der Politik bzw. aus einer extremistischen Partei auszusteigen.

9.) Auch die Frage, ob die Wirtschaftskammerumlage für Kleinunternehmen zu hoch sei, spielt hier wieder herein.

10.) Damals, als z.B. FPÖ-Politiker Hofer sagte "Koran ist gefährlicher als Corona", wurde das nicht untersucht auf Verhetzung, es wurde nicht die parlamentarische Immunität aufgehoben. So gesehen eine Ungleichbehandlung zwischen privilegierten Politikern und dem damaligen Nicht-Politiker Petzner bei seinem "Schlitzaugen-Virus"-Sager.

11.) Ich habe Petzner im Anschluss an den Prozess gefragt, wieviel er in den Jahren davor an Einkommen hatte, aber ich bekam von ihm keine Antwort. Wenn er ein geringes Einkommen oder keines gehabt hätte, dann wäre er vielleicht unter die Geringfügigkeitsgrenze gefallen, bis zu der man Sozialleistungen beziehen kann. Und damit wäre der Betrugsverdacht vom Tisch.

12.) Diese Fälle von angeblichem Sozialbetrug können auch gesehen werden als ein Argument für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Bei der "bedarfsorientierten Mindestsicherung" kann es oft Streitigkeiten und Auslegungsprobleme in Bezug auf den "Bedarf" geben, die dann Viele davon abhalten, Anträge auf Sozialleistungen zu stellen.

Eine ganz wesentliche Sache im Umfeld dieses Prozesses war folgende: die Verhandlungen in den beiden Gerichtssälen (303 und 310) wurden vertauscht, dadurch entstanden viele Irritationen und Unklarheiten, die zumeist dem angeblich üblen "Politiker" Petzner angekreidet wurden, obwohl er seit 2013 (Verlust des Nationalratsmandates des BZÖ) keine politische Funktion mehr innehatte.

Auch der Wiener Kardinal Schönborn kritisierte am Tag danach dankenswerterweise die "Häme" gegenüber Politikern.

https://www.nachrichten.at/politik/innenpolitik/schoenborn-ruft-zum-gebet-fuer-politiker-auf;art385,3843714

Zitat: ´Politiker und Politikerinnen hätten aber große Verantwortung, und "die Häme ist permanent", gab der Wiener Erzbischof zu bedenken.

Fußfrei in der ersten Reihe zu sitzen und zu kritisieren, sei wesentlich einfacher, als Verantwortung zu übernehmen und sie zu tragen, so Schönborn: "Bitte beten wir für die, die bereit sind, in der Öffentlichkeit Verantwortung zu übernehmen. Beten wir auch für den Frieden." ´

Auch wie Michaela Grubesa (am Ende Vorsitzende der SPÖ-Wahlkommission, Steirerin) oder Christian Schmidt (Hochrepräsentant für Bosnien-Herzegowina; Baier) behandelt werden, ist weit von Fairness entfernt:

Die Excel-Daten-Verwechslung bei der SPÖ-Wahl kann auch als Hinweis verstanden werden auf eine Excel-Daten-Verwechslung bei der Rogoff-Reinhart-Arbeit zur Staatsverschuldung aus dem Jahr 2010. Und die eine schwer zuordenbare Stimme nicht auszuweisen, ist möglicherweise ein Hinweis darauf, dass es eine gute Idee ist, schwer zuordenbare Stimme extra auszuweisen, weil dadurch der Anteil der schwer zuordenbaren Stimmen bei der nächsten Wahl sinken wird.

Generell kann man den Eindruck haben, dass die Wiener Medien gegenüber "Provinzlern", Steirern (oder Steirerinnen) extrem kritisch sind, damals als Häupl (SPÖ Wien) Voves (LH Stmk, SP) vorwarf, zu reden wie die Pegida, kritisierte kein Wiener Medium Häupl, bzw. verteidigte Voves, was auch dazu beitrug, dass Voves unter die 30%-Rücktrittsmarke fiel bei der nächsten Wahl. Auch Petzner hat Bundesländerbezug: geboren in Tamsweg/Sbg, aufgewachsen in Murau/Stmk.

Wenn Politiker extrem negativ dargestellt werden, von Medien oder vom poltiischen Gegner, dann besteht die Gefahr, dass irgendwann einmal keine guten Leute mehr in die Politik gehen, und die Politik von ungeeigneten leuten dominiert werden.

Weitere Gründe, warum ich das Urteil im Falle Petzner für hart halte:

1.) es scheint so, als hätte er zahlreiche Dinge und Leistungen, die er hätte beantragen können, nicht beantragt.

2.) es scheint so, als wäre möglicherweise sein Einkommen in den Jahren davor und danach so gering gewesen, dass er bei einem breiteren Berechnungszeitraum unter die Geringfügigkeitsgrenze gefallen wäre, während er bei engem Berechnungszeitraum über der Geringfügigkeitsgrenze lag.

3.) es scheint so, als wäre die EPU-Problematik zuwenig berücksichtigt worden

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