Wer braucht noch Berater aus Fleisch und Blut?

Die Automatisierung und Digitalisierung zahlreicher Branchen ist Fakt - und nicht mehr Fiktion.

Wer an Automatisierung und Digitalisierung denkt, dem mag zuerst der Sektor der Industrie in den Sinn kommen, in dem einfachere Tätigkeiten zunehmend nicht mehr von Menschenhand, sondern von Maschinen erledigt werden. Doch auch in beratenden und dienstleistenden Branchen werden Handlungen, die bislang von Menschen gesetzt wurden, sukzessive von Maschinen und Rechnern ersetzt; je trivialer die betreffende Handlung ist, desto eher.

Im Bereich von Recht und Verwaltung ist etwa - ausgehend vom angloamerikanischen Raum - eine rasante Verbreitung von Legal Technology, kurz Legal Tech, zu konstatieren. Hierunter ist der Einsatz spezifischer Software zu verstehen, die juristische Arbeitsprozesse unterstützt oder, in einem letzten Schritt, gänzlich automatisiert durchführt (Wikipedia).

In Österreich finden sich zumeist erst Legal-Tech-Lösungen der ersten Stufe. Darunter wird Software verstanden, die menschliche Aktivitäten bloß niederschwellig unterstützt: etwa Akten- und Dokumentenverwaltungsprogramme, Buchhaltungsprogramme oder Recherchetools, die digitale Wissensdatenbanken darstellen. Die eigentliche juristische oder steuerliche Beratungstätigkeit wird allerdings weiterhin durch Menschen gesetzt.

Zögerlich sind nunmehr auch Ansätze von Legal Tech 2.0 zu erkennen. In den USA werden etwa Legal Chatbots eingesetzt, um Kunden Auskünfte zu einfacheren und eingegrenzten Themen erteilen. Dabei wird die rechtliche Kernarbeit des Menschen eine Ebene verlagert: Juristisch und technisch qualifizierte Juristen programmieren Chatbots und beraten Kunden nicht mehr unmittelbar, sondern mittelbar unter Zwischenschaltung von Rechnern. Der Audi-Konzern begann vor wenigen Jahren, für Unternehmenszwecke den DocCreator zu entwickeln, eine Software zur halbautomatischen Erstellung standardisierter Verträge. In Österreich ging vor wenigen Wochen die Plattform Vertragen online, mit der Bürger im Allgemeinen sowie klein- und mittelständische Unternehmen im Besonderen Verträge automatisiert erstellen können.

Der Vorteil der meisten dieser Legal-Tech-Applikationen liegt auf der Hand: Nach einem regelmäßig hohen erstmaligen Enwicklungsaufwand besteht das Potenzial, Leistungen an eine Vielzahl von Kunden zu erbringen, die ein einziger Mensch schlichtweg nicht beraten könnte. Dies hat für Kunden die positive Folge, dass die in Anspruch genommenen Leistungen typischer Weise erheblich günstiger sind, als wenn menschliche Dienstleistungen in Anspruch genommen werden. Aus diesem Grund wird mitunter auch eine Demokratisierung des Rechts behauptet, weil Letztgenanntes auch für Bevölkerungsgruppen leistbar wird, die den unteren Einkommensschichten angehören, und für die die Einholung des Rats eines Anwalts oder Steuerberaters bislang nicht finanzierbar war.

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Schlauberger

Schlauberger bewertete diesen Eintrag 06.10.2018 21:05:30

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