"Erbrecht" - ab 2017 ändert sich vieles, EU-ErbrechtsVO gilt jetzt schon

Das österreichische Erbrecht stammt großteils aus 1811, dem Jahr, in dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) kundgemacht wurde. Aus Anlass der Geltung neuer Bestimmungen für internationale Erbfälle gilt die EU-Erbrechtsverordnung. Diese regelt, welches Erbrecht bei internationalen Erbfällen anzuwenden ist, und ist in allen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Großbritannien anzuwenden.

Bisher waren für im Ausland lebende österreichische Staatsbürger, die auch dort versterben, österreichische Gerichte unter Anwendung österreichischen Rechts zuständig. Aufgrund der EU-Erbrechtsverordnung wird nicht mehr an die Staatsbürgerschaft des Verstorbenen angeknüpft; Kriterium für die Zuständigkeit der Gerichte sowie für die anwendbare Rechtsordnung ist dann der gewöhnliche Aufenthalt dieser Person im Zeitpunkt ihres Todes. Lebt und verstirbt ein Österreicher beispielsweise in Frankreich, sind daher (bereits ab 17. August 2015) grundsätzlich französische Gerichte für die Verlassenschaft zuständig. Diese müssen französisches Recht anwenden. Soll jedoch stattdessen das Erbrecht des Staates angewendet werden, dem die Person angehört, kann dies durch ausdrückliche "Rechtswahl", z.B. in einem Testament, erfolgen.

Was ändert sich ab 1.1.2017 durch das ErbRÄG (Erbrechtsänderungsgesetz):

1) Pflegevermächtnis:

Pflegeleistungen durch nahe Angehörige werden ab 1. Jänner 2017 erstmals im Erbrecht berücksichtigt. Der pflegenden Person gebührt künftig ein gesetzliches Vermächtnis, wenn die Pflege am Verstorbenen in den letzten drei Jahren vor seinem Tod mindestens sechs Monate in nicht bloß geringfügigem Ausmaß (in der Regel durchschnittlich mehr als 20 Stunden im Monat) erbracht wurde.

Weitere Voraussetzung ist, dass die Pflege unentgeltlich durchgeführt wurde. Die Erfüllung des Pflegevermächtnisses wird von dem Gerichtskommissär (= Notar) durch einen Einigungsversuch gefördert. Die unentgeltliche Zuwendung einer Sache auf den Todesfall kann somit entweder durch ein Vermächtnis oder eine Schenkung auf den Todesfall erfolgen. Durch das ErbRÄG 2015 wurde Letztere auch neu geregelt, der bisherige § 956 ABGB ist gefallen, die neuen Regeln finden sich nun in § 603 ABGB neuester Fassung

2) Außerordentliches Erbrecht von Lebensgefährten:

Nach bisheriger Rechtslage werden Lebensgefährten erbrechtlich als Fremde betrachtet. Sie haben somit keinerlei Erbansprüche, auch keine Pflichtteilsansprüche, können aber in einem Testament bedacht werden.

Ab 1. Jänner 2017 kommt Lebensgefährten unter bestimmten Voraussetzungen ein außerordentliches Erbrecht zu, nämlich vor dem Erbrecht von Vermächtnisnehmern. Gibt es also keine (durch Testament eingesetzten oder gesetzlichen) Erben, erbt der Lebensgefährte. Voraussetzung ist, dass er mit dem Verstorbenen zumindest in den letzten drei Jahren im gemeinsamen Haushalt gelebt hat und dass Verstorbene im Zeitpunkt des Todes weder verheiratet war noch in einer eingetragenen Partnerschaft gelebt hat.

Mit dem Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 (ErbRÄG 2015) wurde somit das außerordentliche Erbrecht des Lebensgefährten (§ 748 ABGB) eingeführt. Die Stellung der Lebensgefährten im Erbrecht sollte verbessert werden durch ein "Sondererbrecht für Lebensgefährten". Die endgültige Fassung der Erbrechtsnovelle berücksichtigt nunmehr den Lebensgefährten an mehreren Stellen, u.a. im Bereich der Erbunwürdigkeitsgründe (§ 541 Z 1 ABGB), der Enterbungsgründe (§ 770 Z 2 ABGB), der Zeugenbefangenheit (§ 588 ABGB) sowie bei der Einräumung eines Pflegevermächtnisses (§ 677 Abs 3 ABGB) und des gesetzlichen Vermächtnisses gem § 745 Abs 2 ABGB, aber auch im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge

3) Automatische Aufhebung von Testamenten durch Scheidung:

Derzeit wird eine letztwillige Verfügung, z.B. ein Testament, das zugunsten des Ehepartners errichtet wurde, nicht automatisch mit der Scheidung aufgehoben. Es muss nach geltender Rechtslage widerrufen werden, damit er im Todesfall nicht erbt.

Durch die Erbrechtsreform wird die Vermutung eines stillschweigenden Widerrufs solcher letztwilliger Verfügungen gesetzlich festgelegt:

Künftig werden Testamente zugunsten der früheren Ehegatten oder des eingetragenen Partners oder des Lebensgefährten automatisch aufgehoben, wenn die Ehe, eingetragene Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft aufgelöst wird. Gleiches gilt bei Aufhebung der Abstammung oder Adoption. Möchte der Verstorbene, dass das Testament gültig bleibt, so kann er letztwillig ausdrücklich das Gegenteil vorsehen.

4) Pflichtteilsberechtigte Personen:

Nach bisherigem Recht haben die Nachkommen, der Ehegatte, die eingetragene der eingetragene Partner und die Eltern von Verstorbenen Anspruch auf den Pflichtteil. Dieser sichert ihnen einen Mindestanteil am Erbe, den sie jedenfalls aus dem Nachlass bekommen müssen, auch wenn sie in einem Testament nicht bedacht wurden. Ab 1. Jänner 2017 werden nur noch die Nachkommen und der Ehegatte oder der eingetragene Partner pflichtteilsberechtigt sein. Als Pflichtteil steht ihnen – wie schon bisher – die Hälfte der gesetzlichen Erbquote zu.

Die Pflichtteilsberechtigung auch der Eltern und weiterer Vorfahren wurde durch die Erbrechtsreform beseitigt.

5) Pflichtteilsstundung auf 5 Jahre (max. 10 Jahre):

Das bisherige Erbrecht sieht keine Möglichkeit für den Erben vor, den Pflichtteil, den er an die Pflichtteilsberechtigten auszahlen muss, zu stunden.

Nunmehr soll eine Erleichterung v.a. bei Bestehen von Familienunternehmen oder in Fällen, in denen der Erbe auf das Wohnhaus angewiesen ist, geschaffen werden. Ab 1. Jänner 2017 kann auf Anordnung des Verstorbenen (z.B. im Testament) oder auf Verlangen des belasteten Erben durch das Gericht der Pflichtteil für die Dauer von fünf Jahren gestundet werden. In besonderen Fällen kann der Zeitraum durch das Gericht auf maximal zehn Jahre verlängert werden.

6) Erweiterung der Enterbungsgründe.

Derzeit ist der Entzug des Pflichtteils (oft auch als "Enterbung" bezeichnet) z.B. dann möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Verstorbenen zu Lebzeiten im Notstand hilflos gelassen hat oder ihm gegenüber vorsätzlich eine gerichtlich strafbare Handlung mit mehr als einjähriger Strafdrohung begangen hat.

Ab 1. Jänner 2017 werden auch (mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohte) Straftaten gegen nahe Angehörige des Verstorbenen sowie grobe Verletzungen der Pflichten aus dem Eltern-Kind-Verhältnis als Enterbungsgründe gelten.

Entfallen wird hingegen der Enterbungsgrund "der beharrlichen Führung einer gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößigen Lebensart".

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 04.08.2016 17:25:10

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