Ich bin ein 1,93m großer, männlicher, heterosexueller, rechtshändiger Hochschulabsolvent aus einem Akademikerelternhaus ohne Migrationshintergrund. Ich wiege etwa 90kg und die soziologische Langweiligkeit meines Daseins wird eigentlich nur durch eine, dafür immer wiederkehrende Frage gestört: Wie ist das Lebensgefühl des weiblichen Geschlechtes? Gibt es für Frauen Dinge, die mir als Mann wirklich fremd sind oder einfach nur ein paar Punkte, die mir in meinem Leben als Mann weder auf- noch einfallen würden? Mit Empathie haben die gesuchten Antworten offenbar wenig zu tun. Stattdessen geht es darum, Erfahrungen zu sammeln, die ich als Mann nicht haben kann - wenn es sie denn gibt. Gibt es sie, dann müßte ich Vieles finden, daß für Frauen selbst über- raschend ist, denn unser tägliches Leben steht uns oft in einem übertragenden Sinne so dicht vor den Augen, daß wir es kaum erkennen können.

I. Meine Erfahrungen als virtuelle Frau

Waren Sie schon mal auf einer online-dating-Plattform unterwegs? Ich habe es getan und man kann viel lernen aus den persönlichen Profilen, die die Leute dort anlegen, um sich selbst zu präsentieren und einen ihren Vorstellungen entsprechenden Partner zu finden. Was habe ich gefunden?

  • (1) Als Männer sind wir dort im Grunde fast alle fast gleich: Wir sehen "in Echt" natürlich noch viel besser aus, sind klug, reich, attraktiv, zu manchen Menschen wirklich nett, kreativ, immer häufiger tolerant, jung, uneitel, interessiert, .... Tarrantino, Truffaut, Scorsese, romantische Komödien nur bedingt, deutsche Filme nur im Notfall. Hab ich irgendwas vergessen? Ach ja: Und selbstverständlich sind wir motorisiert und haben immer Zeit.

Das alles ist banal, doch was machen die Frauen, die dort online sind? Generell fällt auf, daß eine Frau tendentiell um so weniger von sich erzählt, je besser sie auf den Fotos aussieht. Und wenn man als Mann dann ins Gespräch kommt, dann trifft man fast immer auf eine Frau, die in ihrem Leben an eine Grenze gestoßen ist und nun einen Mann sucht, der sie diese Grenze überwinden läßt. Welche Grenze das ist, ist ganz individuell: neuer Job, neue Stadt, Beziehung kaputt, unewartet schwanger geworden, Ehe wurde geschieden, psychologische Probleme im Alltag - es gibt einfach alles. Da es uns aber letztlich wenig hilft, über die Motive der Frauen für all das spekulieren, meldet Mann sich am besten selbst als Frau an, und probiert ein attraktives Aussehen ohne Umschweife selbst aus - und was im Mittel bei Frauen so attraktiv ist, kann ich als heterosexueller Mann relativ zuverlässig beurteilen.

  • Ich bitte um Verständnis, wenn ich die "gezogenen Bilder" hier nicht präsentieren kann. Die Gründe dafür sollten auf der Hand liegen.

Damit es dennoch was zu kauen gibt, habe ich gleich zwei Profile für ganz unterschiedliche, männliche Zielgruppen angelegt:

  • (2) Profil 1: eine dunkelhaarige Schönheit mit Fischlippen, unübersichtlichem Busen und langen Locken, die sich besonders lasziv über einen Barhocker gegossen hat - Text: Sprachstudentin, 23, Vater Russe, Mutter Zigeunerin sucht leidenschaftlichen Gegenpart, um die phasengesteuerten Kräfte aufzufangen, die an den magnetischen Polen ihrer janusgesichtigen Seele zerren.
  • (3) Profil 2: eine blonde Nette mit sehr viel weniger Ausstrahlung, aber offenem Gesicht, Architektin, 28, die einen Lebensabschnittspartner sucht, der ihr etwas Freiraum läßt.

.... und die Wirkung war einfach phänomenal!

Bei der dunkelhaarigen Diva gab es 60-80 mails am Tag und zwar meistens Nachrichten vom Arschtörtchenformat, i.e. Ein-Wort-emails oder auch solche vom “Willst du mich kennenlernen”-Typ bzw. etwas, was einen in ähnlicher Weise runterzieht. 2-3 Schreiberlinge waren verrückt und haben krasse Beleidigungen geschrieben und 5% waren dermaßen außer Kontrolle, daß sie schrieben, mit geöffneter Hose gleich durch meine Tür hechten zu wollen, um sich extatisch auf meinem Fußabtreter zu krümmen ..... na bitte, geht doch.

Etwa 15% waren lesbare Texte, alle höflich bis freundlich, allerdings meist unpersönliche Serienbriefe und die, die das völlig unrealistische Profil offenbar gelesen hatten, hatten meistens eine Masche drauf, wie etwa Gedichte aller möglichen Autoren und Epochen zu rezitieren, die sie über zig emails unbarmherzig und unabhängig von meinen Antworten durchgezogen haben. Bei der Architektin war's ähnlich, die untere Etage war aber deutlich seltener vertreten, und die Allein-erziehende-Väter-Fraktion dominierte. Es gab auch nur etwa halb so viele emails.

Geht man jedoch über diesen oberflächlichen Befund hinaus, fällt einem der Humor schon deutlich schwerer: Es ist klar, daß ich so viele emails gar nicht alle lesen konnte und erst recht hatte ich keine Zeit, mir zusätzlich 80 Profile am Tag genau anzusehen. Ich habe daher schnell begonnen, emails darauf hin zu filtern, ob bereits der erste Satz der email anzeigt, daß hier jemand schreibt, der eine Geschichte zu erzählen hat.

  • (4) Der Grund dafür war nicht der, daß mir als Mann letztlich egal war, was am Ende bei dem Kontakt herauskommt, sondern ich als Frau habe einfach bzgl. der verfügbaren Information das Optimum gesucht: Ich habe die Menge der Männerkontakte ganz herzlos und kalt optimiert.

Was bei diesem Verfahren herauskam, waren 1-2 emails am Tag, deren Profile ich dann auch tatsächlich eingehend untersucht habe. Fand ich die Männer zusätzlich zu meinem fake-Profil-Foto passend, von gleichem Niveau, adäquat und vielversprechend, habe ich geantwortet. Dem Rest habe ich nicht geantwortet. Dafür fehlte mir schlicht die Zeit: Keine Antwort, ist ja auch eine Antwort.

  • (5) Natürlich hätte ich auch selbst Männer anschreiben können. Aber - und im Nachhinein erwies sich dieser Verdacht als richtig - ich hatte Bedenken, nicht in der Lage zu sein, wie eine richtige Frau schreiben zu können. Und das, obwohl ich natürlich selbst mit meinem Profil als Elmar Diederichsemails von Frauen bekommen habe.

Habe ich dadurch etwas vom Lebensgefühl von Frauen erfassen können? Wenn wir dafür als Kriterium meine persönliche Überraschung über das Gelernte gelten lassen wollen, dann lautet die Antwort: Ja. Sehen wir uns die Details an.

II. Gegeben oder Gemacht? Geschlecht als etwas Erlebtes

Ich weiß nicht genau, wie es anderen Männern geht, aber vom Aussehen einmal abgesehen, erlebe ich meine eigene Männlichkeit als etwas Gemachtes:

  • (6) Komme ich bei Frauen an, dann liegt es an der Spritzigkeit meines Humors, meiner Eloquenz oder einfach an der Tatsache, daß ich nett bin, einen unerschöpflichen Vorrat an Gesprächsthemen auf Lager habe, interessiert, neugierig und schlagfertig bin und vor allem elastisch-charmant auf die kleinen Stolpersteine des Lebens reagiere. Das stimmt mit den von Frauen gegeben Kriterien übrigens erstaunlich gut überein. Entsprechend bekomme ich von meinen männlichen - von den weiblichen nur äußerst selten - Freunden regelmäßig Kommentare wie "Elmar, du bist nicht grade der Geilste in der-und-der Hinsicht und du mußt noch an dir arbeiten.". Und ich bin verdammt dankbar dafür.

Was ich aber von den von mir allein nach dem Kriterium der schriftstellerischen Qualität vorgefilterten Männern geboten bekomme habe, übertraf alles, was ich jemals als Mann gewagt hätte, mir vorzustellen und hat mich zu dem Schluß geführt, daß Frauen ihre Weiblichkeit als etwas Gegebenes erleben, etwas mit dem sie geboren sind, ein machtvolles Geschenk, dessen indivudelle Ausgestaltung das ganze Leben lang erforscht werden kann. Im Vergleich dazu ist Männlichkeit strunzenlangweilig und Frauen können überhaupt nicht verstehen, warum Männer sich nicht Geschichten über ihren ersten Samenerguß erzählen, wenn doch die eigene Periode zu leben, eine so faszinierende Sache ist. Um Statistiken habe ich mich hier natürlich gar nicht gekümmert und wie wir sehen werden, auch mit gutem Grund.

Erst mal: Männer sind witzig. Klar machen auch meine männlichen Freunde Scherze und hauen Pointen raus, aber was Männer gegenüber Frauen so zustande bringen, geht an Intensität und Frequenz noch weit darüberhinaus. Haben Sie mal einen Physiker mit dem Klischee konfrontiert, er sei wahrscheinlich nur ein kleines Multi-Sanostol Männchen, das selbst unter der Bettdecke noch Gleichungssysteme löst? Nein? Falscher Fehler, denn dann bekommt man schon mal folgende Antwort:

  • "Warum denn nur? ... ehrlich ... ich kann programmieren, rede aber nicht darüber. Ich weiß, daß Edelmetalle durch Kernfusion in der gasförmigen Peripherie umeinander rotierender Neutronensterne entstehen, aber ich werde lieber in Arm genommen, als auf der Frühlingswiese liegend über die fraktalen Phasengrenzen von Cumulus-Wolken zu reden. "

Cool, oder? Es ist wohl kein Kompliment, daß ich mir hier machen muß, aber ich habe Männer oft für viel dröger, langweliger und prolliger gehalten, als sie es in Wahrheit sind. Nur als heterosexueller Mann bekommt das einfach nicht so mit, denn kein Mann kommt auf die Idee, mich mit seiner besten Seite verwöhnen zu müssen, damit ich mit ihm rede. Frauen lassen Männer über ihr Qualitäten dagegen offenbar gerne im Dunkeln und dafür gibt es ein offensichtliches Motiv: Wer glaubt, daß er gut ist, strengt sich wengier an. Und dieses Anstrengung der Männer für Frauen scheint für Frauen geradzu ein Königsgelee zu sein.

Als nächstes: Es ist nicht nur so, daß ich als Frau ständig angeschrieben wurde. Geht man dazu über, diese emails auch zu verstehen, war ich über den intellektuellen service, der ohne Ausnahme geboten wurde, doch über- rascht. Ein Thema anzureißen, es aufzubereiten und einen anregenden Punkt von einer Seite zu beleuchten, die ich so noch nicht gesehen habe - bekam ich als Frau alles gestellt. Nicht einmal, sondern immer wieder. Fragen nach meiner Person, meinem Befinden, meiner Vergangenheit? Ununterbrochen. Neuigkeiten über aktuelle trends oder Ereignisse? Stehen oft am Anfang eines von mehreren in einer email beackerten Subthemen und nicht selten ist eine Sache so aufbereitet, daß ich als Frau wie im multiple choice Verfahren mich nur noch einer durch die gelesenen Worten entstandenen Aufwallung überlassen mußte, damit mir auch eine halbwegs schlagfertige Antwort einfiel: Männer machen Frauen Gefühle.

  • Ok, Männer, ihr habt begonnen, auch mir über mich selbst und meine Lage die Augen zu öffnen und jetzt will ich es genau wissen - kleiner Stresstest: mal sehen, wie geschmeidig ihr bleiben könnt, wenn ich mal bis zu den Achselharren in die Trickkiste greife.

Obwohl mir ein gewisser Hang zur Spontanproduktion von Verbalinjurien nachgesagt wird .. *hüstel* .. gewöhnt man sich das Arschloch-Sein als Mann meist recht schnell ab: Es wird einfach nicht geduldet - vor allem von anderen Männern nicht. Insofern habe ich eigens für mein Frausein neue Disziplinen des Ungehobeltseins ersonnen, um den kreativen Umgang von Männern mit der Wahrheit zu neuen Höhenflügen emporzupeitschen. Und mein Gesamturteil lautet: die Jungs sind glatt wie japanische Portiers.

  • (7) Allerdings haben etwa 1/3 der korrespondierenden Männer sofort jeden Kontakt eingestellt, wenn ich gezielt pampig wurde. Warum? Als Mann muß man sich im richtigen Leben sein engagement für eine Frau sehr genau übelegen. Denn hat man sich mal um eine gekümmert, wird man oft von den anderen Frauen, die das mitbekommen, als Neutrum behandelt. Im Netz aber kann sich Mann mehrere Frauen simultan zurechtlegen und warm halten - einfach, weil sie voneinander nicht wissen können: Oft mailt man mit 5-10 Frauen gleichzeitig und natürlich hat Mann schnell raus, daß nur die Besten in die nächste Runde kommen.

Im ersten Anflug ist das ein ungeheurer Egotrip, der aber natürlich Einbildung ist, denn die IRL-Kontrolle steht ja beiden Seiten noch ins Haus: Ich vemute, daß das genannte Drittel hier vorschnell handelt in der irrigen Annahme, es gäbe ja noch genug andere Fische im Teich. Und die Annahme ist irrig, weil man ja jeweils nur den virtuellen Avatar zu sehen bekommt - und im Netz kann man viel erzählen, was Frauen übrigens auch mit ziemlicher Dreistigkeit tun: Die Chance, eine Person vorgespielt zu bekommen, die die Frau im realen Leben nicht mal im Ansatz darstellt ist nahezu 100%. Das finden Frauen übrigens auch nicht schlimm: Etwas Werbung ist normal, so meinen sie, und zum Bescheissen gehören immer zwei - einer der bescheißt und einer, der das mit sich machen läßt. Daß Männer als Personen, als Menschen, Inhaber von moralischen Rechten sind - Fehlanzeige.

Sehen wir uns meine Subdisziplinen an:

1. Das Welpenimitat a la "Na, da stelln wa uns mal janz dumm und ...": Damit kommen Männer auch in harten Fällen erfundener Dämlichkeit durch die Bank gut zurecht - ja. So ein männliches Welpenschutzpaket enthält im Mittel eine 10-minütige Lesung aus der “Männerfibel zum Flachlegen”, zwei öffentliche Verwendungen von “Na ja, gut ... wir haben alle unsere kleinen Schwächen.” inklusive verzeihungheischendem Augenaufschlag, die man linksrum zu einem geseufzten “Paßt schon!” krempeln kann, Bonbons mit Soziale-Elastizität-Füllung, einen an der Schmerzgrenze liegenden Euphemismus und einen normalen und last not least eine intim-soiree mit der Frau als special-guest-star.

Ganz ok, aber, Männer, da sollte doch mehr gehen - und das geht auch.

2. Kauf mich!: Was passiert, wenn ich als Frau nicht nur die übliche Versprechenskombination aus Schweizer Bank, Hausmeister, Playboy, Jetsetter und Erzbischof verlange oder was sonst der Altersvorsorge dienlich sein könnte, sondern recht konkret durchblicken lasse, daß ich als Frau noch niemanden habe, der meinen Rechner administriert, mein handy programmiert, meine Waschmaschine repariert, die schweren Sachen in den Keller und den Müll runterbringt?

  • (8) Man sollte meinen, daß Männer vor Frauen weglaufen, die andeuten, daß sie nicht den Mann, sondern lediglich das Leben, das der Mann zu bieten hat, bereit sind, zu lieben - einfach weil Männer praktisch sind und Frau mit ihm vor den Freundinnen angeben kann.

Doch das Gegenteil war der Fall. Nicht ein Mann hat sich an der Offenheit gestört, mit der ich als Frau von ihm als Mann profitieren wollte - nicht einer. Und da bekanntlich alle sozialen Phänomene einer Verteilung folgen, läßt die beobachtete "Striktheit" des Zusammenhangs imho nur genau eine Interpretation zu: Daß Frauen sich helfen lassen und Männer ihnen diese Hilfe auch anbieten, ist im Feld der heterosexuellen Kontaktaufnahme wie ein sechsspuriger highway auf dem Weg in die Missionarsstellung. Denn haben Sie als Mann schon einmal erlebt, daß eine Frau freudestrahlend zu ihnen gekommen ist: "Schnucki, ich kann dir das doch mal eben machen."? Nein, nicht wahr? Und wenn sie es tun würde, dann würden wir Männer wohl auch eher mutmaßen, daß die Frau ein ebenso gewaltiges, wie verborgenes Problem hat, wenn sie einen solchen Aufriß veranstalten muß, um an Männer heranzukommen.

3. Ganzjähriges PMS: Frauen stellen schon mal Fotos von sich ins Netz, wo sie Statuen oder Bäume umarmen und wenn ein Mann seine nur mit einem nassen T-Shirt verhüllte Brust an der schaumbedeckten Motorhaube eines amerikanischen muscle car reiben würde, könnte das Frauen nicht mal ein Arschrunzeln entlocken. Aber es sagt ja auch keiner, daß die Regeln für die Geschlechter gleich sind und wer beim Schauen eines Liebesfilms bei gleichbleibenden Dialogen der Personen mal die Geschlechter der Schauspieler vertauscht, kann weitere soziale Asymmetrien entdecken, ohne von diesen vorher auch nur die leiseste Ahnung haben zu müssen.

Aber wir sind ja heute hier, um zu verstehen, was wir erleben und zu diesem Zweck hatte ich mir mit Hilfe eines irgendwo geklauten Gedichtes die Skizze einer Vergangenheit als Frau zugelegt:

"Sie" war wie eine wilde Blüte

die durch Natürlichkeit betört

und deren ungezähmte Schöhnheit

im Grunde gar keinem gehört

in der Gefangenschaft deiner Hände

plötzlich mit Dornen sich bewehrt

Du hast versucht'n Zaun um sie zu ziehen

ertränktest sie in reinem Adrenalin

du hast all ihre Träume ausradiert

ihre Lauterkeit mit Zweifeln bombadiert

du dachtest alles bleibt beim Alten

du hast gedacht du kannst sie halten

wenn du sie nur gut genug bewachst

Mann - wovon träumst du nachts?

Sie war der Sturm in deinen Segeln

aber wie fesselt man den Wind

Sie irrte Ziellos durch die Gassen

in deinem Stimmungslabyrinth

jetzt kannst du nur noch hilflos zusehen

wie sie dir durch die Finger rinnt.

Ich gebe zu, daß ich zunächst beträchtliche Angst hatte, mit diesem Selbstverständnis den Bogen eindeutig überspannt zu haben. Aber es geschah einfach gar nichts. Bzw. es geschah etwas, das an ein Wunder grenzt: Ich als Frau wurde bewundert, weil ich dieses Selbstverständnis vor mir her trug und kein Attribut wurde mir erspart. Während mich die einen für sensibel hielten, machten andere Männer eine Kämpferin aus mir und ich als Frau war gleichermaßen freiheitsliebend, wie schutzsuchend - was ja an sich erst mal ein Widerspruch zu sein scheint. Männliche Einigkeit bestand nur in der geballten menschlichen Kompetenz, die ich vorzuweisen hätte - und ironischerweise war das nur die Spitze des Eisbergs: Denn was ich auch tat, wie öde und einsilbig ich auch antwortete, Mann war fasziniert von den originellen Punkten, die ich ansprach und wie schlecht meine Witze auch waren, Mann wieherte vor Lachen und die Stabilität eines Bulldozers war nichts gegen die Robustheit, die die meisten Männer meiner aufgesetzten Launenhaftigkeit, meinen konstruierten Ungerechtigkeiten, meinen billigen Vorurteilen und rotzigen Unfreundlichkeit entgegen zu setzen wußten - sowas kann nur das Ergebnis eines langen Trainingsprozeßes sein. Und wenn ich ihnen dann einen Korb gegeben habe - das mußte ja sein - dann haben sie mir auch noch weiterhin viel Spaß und viel Glück bei meiner weiteren Suche nach besseren Männern gewünscht.

  • (9) Eine solche Sprachlosigkeit wie die angesichts der Selbstver- ständlichkeit, mit der sich Männer von Frauen offenbar psychisch mißhandeln und sozial diskrimieren lassen, habe ich bei mir viele Jahre lang nicht erlebt - von dem Spiegel, der mir selbst vorgehalten wurde, einmal ganz abgesehen.

Und daß wir Männer als sozial unterentwickelte Paviane gelten, die den ganzen Tag nur f***** wollen, ist dabei noch das geringste Problem: Die Wucht dieses Kontrastes zur männlichen Perspektive war einfach alles andere als erwartet.

III. Schau mir in die Augen, Kleines ....

Na gut - was haben denn Männer sonst noch so drin, wenn sie gegenüber Frauen auftreten? Ich habe mir als Frau Vorschläge für Abendgestaltungen mit mir machen lassen - ja, wir Männer machen sogar sowas - und daraus etwas rekonstruiert, was man mit gutem Grund als Verführungsabitur bezeichnen könnte. Und das geht so:

  • i) erstmal Essen gehen: Hier gibt es viel falsch zu machen, da die richtige Balance zwischen claqueur zur weiblichen Selbstbeweihräucherung und einer wohltemperiertem stand-up comedy gefunden werden muß - vielleicht der schwierigste Schritt des im wesentlichen vierteiligen Verfahrens
  • ii) einmal ins Kino - was man unter the beauty of Maul-Halten zusammen- fassen kann (die Frau brav nach Hause bringen und nicht vergessen, ohne Zicken allein ins eigene Bettchen zu gehen!)
  • iii) einmal nachts um den Kiessee (oder was sonst gerade an Mondscheinigem zur Hand ist) - wobei es eigentlich nur darum geht, diejenige Nähe zu heucheln, die man in den vorangegangenen Schritten gerne aufgebaut hätte
  • iv) und zuletzt wird unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand die Angebetete in die heimischen Jagdgründe gelockt und taktisch geschickt auf dem Bettchen drapiert. Stellt sich dann heraus, daß keinerlei Sehnsüchte vorhanden sind, werden welche eingeredet, denn nun kommen drei selbstkomponierte Lieder (wenn drei nicht reichen, waren die Songs scheisse!) und dann ist das kleine Weibchen in der Regel nur noch in der Lage, sich mit Hilfe seines Tast- und Geruchssinns zu orientieren, während es sich halbkomatös in die Begattungsstarre auf den Rücken sinken läßt - das klappt ungelogen in mindestens 90 Prozent aller Fälle.

IV. Wrap it up

Ok, so in etwa ist das als Frau im Netz. Hätten Sie, wenn Sie ein Mann sind, das gedacht? Ich auch nicht - aber die Existenz all dieser Beispiele läßt sich einfach nicht abstreiten und ihre überwältigende Häufigkeit schon gar nicht.

Was mein Bericht nun genau für Schlüsse zuläßt, weiß ich im Moment auch nicht - aber es lohnt sich offenbar, mal in Ruhe darüber nachzudenken. Denn immmerhin bekommen wird vom Feminismus seit 65 Jahren erklärt, was für ein Jammertal die Welt für Frauen darstellt. Und es ist klar, daß derjenige das Spiel gewinnt, der erklären kann, wie beides zusammen möglich ist: als Frau so zu leben UND Feministin zu sein.

Wenn aber die hier verarbeitete Masse an Erfahrungen irgendetwas lehrt, dann daß Männer gegenüber Frauen überhaupt kein Selbstbewußtsein als Mann haben und wie die Bittsteller auftreten, die vor ihrem Auftritt am liebsten einen Zettel unter der Tür durchschieben würden mit der Aufschrift "Entschuldigung, daß ich existiere!". Und es gibt zwischen den Geschlechtern tiefe soziale Verwerfungen, die für den gesellschaftlichen Geschlechterfrieden und die Entstehung und Entwicklung heterosexueller, sozialer Kontakte eine bedeutende Rolle spielen - Verwerfungen, die kein Feminist verstanden hat oder verstehen will und die vor jeder statistischen Untersuchung als Lieferant von Intuitionen über den Informationsgehalt der via Statistik beleuchteten Merkmale auftreten können und sollten. Auch über Geschlechterrollen verrät mein Bericht mehr, als Frauen oder Feministen lieb sein dürfte, denn was Feministen so über die Opferrolle der Frauen in heterosexuellen Beziehungen normalerweise so zusammenphantasieren, ließ sich empirisch nicht mal ansatzweise bestätigen.

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Duni

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irmi

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